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Wie Pflanzen kommunizieren: Neue Erkenntnisse zur akustischen Pflanzensprache

Wie Pflanzen kommunizieren: Neue Erkenntnisse zur akustischen Pflanzensprache

2025-07-19
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Pflanzenkommunikation verstehen: Neue Einblicke in akustische Signale

Obwohl Pflanzen kein Nervensystem besitzen, haben sie bemerkenswerte Mechanismen entwickelt, um Stress zu kommunizieren – darunter auch die Verwendung von Ultraschallwellen, die für das menschliche Ohr unhörbar bleiben. Aktuelle Forschungsergebnisse der Universität Tel Aviv zeigen nun eine faszinierende Verbindung zwischen diesen kaum wahrnehmbaren Stresssignalen von Pflanzen und den Fortpflanzungsstrategien von Insekten. Damit erweitert sich unser Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Tieren grundlegend.

Wissenschaftlicher Kontext: Entdeckung von Ultraschall bei Pflanzen

Schon seit Jahren ist bekannt, dass Pflanzen bei Umweltstress, etwa durch Trockenheit oder Verletzungen, chemische Signale oder sichtbare Veränderungen aussenden. Aufbauend auf diesem Wissen konnten Forscher nun nachweisen, dass insbesondere Tomatenpflanzen bei Wassermangel oder Beschädigung hochfrequente, ultrasonische „Klicklaute“ erzeugen. Diese von Pflanzen produzierten Geräusche liegen außerhalb des menschlichen Hörbereichs. Die Entdeckung führte zu der Frage, ob Tiere im gleichen Ökosystem diese akustischen Pflanzensignale wahrnehmen und ihr Verhalten daran anpassen können.

Experimentelle Untersuchungen: Reaktion von Motten auf Pflanzennotsignale

Um diese Hypothese zu prüfen, führten der Zoologe Yossi Yovel und die Evolutionsbiologin Lilach Hadany eine Versuchsreihe mit der ägyptischen Baumwollkapselbohrer-Motte (Spodoptera littoralis) durch, einem verbreiteten Agrarschädling, der bevorzugt Eier auf verschiedenen Pflanzen ablegt. Die Forscher beobachteten die Eiablagepräferenzen weiblicher Motten in unterschiedlichen Szenarien, die die akustischen Stresssignale von Pflanzen imitierten.

Details zum Versuchsaufbau und den Tests

Im ersten Experiment hatten die Motten die Wahl zwischen zwei Boxen: Eine war lautlos, die andere spielte aufgezeichnete Ultraschallemissionen einer dehydrierten Tomatenpflanze ab. Bemerkenswert war, dass die Motten stets die Box mit den Pflanzengeräuschen bevorzugten – sie deuteten die Töne als Hinweis auf potenzielle Wirts­pflanzen. Wurden die Hörapparate der Motten deaktiviert, fiel die Wahl der Eiablageplätze dem Zufall anheim – ein klarer Hinweis auf die zentrale Rolle akustischer Reize.

In einem zweiten Versuch prüften die Wissenschaftler, ob die Motten zwischen gesunden und gestressten Pflanzen anhand von Klängen unterscheiden können. Zwei identische, gesunde Tomatenpflanzen standen zur Wahl, wobei jedoch bei einer ein Lautsprecher Stresssignale abspielte. In diesem Fall legten die Motten ihre Eier überwiegend auf die lautlose, gesunde Pflanze – sie bevorzugten also deutlich unverletzte Wirte mit optimalen Bedingungen für den Nachwuchs.

Ein drittes Kontroll-Experiment testete, ob die Motten unspezifisch auf Ultraschall reagieren. Statt Pflanzengeräuschen wurden männliche Balzrufe anderer Mottenartgenossen eingespielt, was zu keiner Präferenz führte. Dies belegt, dass das Verhalten der Motten gezielt durch pflanzenerzeugte Ultraschalllaute beeinflusst wird.

Schlüsselerkenntnisse: Tiere belauschen pflanzliche Signale

Die Ergebnisse der Universität Tel Aviv liefern erstmals einen klaren experimentellen Nachweis, dass Motten – und vermutlich auch andere Insekten – akustische Emissionen von Pflanzen wahrnehmen und zur Auswahl des Eiablageortes nutzen. Damit eröffnet sich ein faszinierender Einblick in die verborgene Komplexität von Ökosystemen: Pflanzen senden mittels Ultraschall Hinweise auf akuten Stress, was von Insekten – wie Motten – aktiv für lebenswichtige Verhaltensentscheidungen genutzt wird. Yovel betont: „Wir vermuteten, dass Insekten derartige Töne hören und ökologisch nutzen könnten. Unsere Forschung bestätigt, dass in der Natur tatsächlich akustisches ‘Belauschen’ zwischen Pflanzen und Tieren stattfindet.“

Für Pflanzen können Ultrasonicsignale eine Überlebensstrategie darstellen, da sie auf raffinierte Weise das Verhalten von Schädlingen, aber auch von Bestäubern beeinflussen. Umgekehrt ermöglicht den Insekten ihr sensibles Gehör eine gezieltere Auswahl passender Lebensräume für ihren Nachwuchs.

Ausblick: Nachhaltige Schädlingskontrolle und neue Forschungswege

Diese Erkenntnisse vertiefen nicht nur unser Wissen über Pflanzen-Bioakustik und über die Kommunikation zwischen Arten, sondern eröffnen auch neue Perspektiven für eine nachhaltige Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft. Denkbar wäre, gezielt pflanzliche Stresssignale zu imitieren oder zu manipulieren, um schädliche Insekten abzuwehren und den Einsatz von Pestiziden zu verringern.

Darüber hinaus legt die Studie nahe, dass das akustische Kommunikationsnetzwerk in der Natur weitaus größer sein könnte und nicht nur zwischen Pflanzen und Insekten, sondern auch zwischen Pflanzen selbst existiert. Die Autoren betonen, dass die Erforschung pflanzlicher Schallkommunikation noch am Anfang steht und zahlreiche verdeckte Wechselwirkungen darauf warten, entdeckt zu werden.

Fazit

Diese Pionierarbeit der Universität Tel Aviv belegt, dass gestresste Pflanzen mithilfe von Ultraschall ihre tierischen Mitbewohner beeinflussen können. Dadurch verändert sich unser Verständnis zur Pflanze-Insekt-Kommunikation grundlegend. Das Aufdecken dieser hoch entwickelten akustischen Interaktionen bringt uns einen Schritt näher an das Verständnis der ‚stillen Sprache‘ der Pflanzen und ermöglicht neue Chancen sowohl für den Biodiversitätsschutz als auch für innovative Ansätze im nachhaltigen Landbau.

Quelle: elifesciences

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