Toyota macht Century zur unabhängigen Spitzenmarke

Toyota gliedert die Traditionsmarke Century als eigenständige Ultra-Luxusmarke aus. Die Neuausrichtung schafft eine klare Trennung zu Lexus, setzt auf Handarbeit, geringe Stückzahlen und exklusive Kundenansprache weltweit.

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Toyota macht Century zur unabhängigen Spitzenmarke

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Toyota erhebt Century zur eigenständigen Spitzenmarke

Toyota hat seine Luxus-Hierarchie still und leise neu geordnet: Das traditionsreiche Century wird als eigenständige, ultra-premium Marke ausgegliedert und künftig über Lexus positioniert. Dieser Schritt, bestätigt von Vorstandsvorsitzendem Akio Toyoda, ist eine seltene strategische Verschiebung für den Autobauer, der Lexus einst schuf, um mit BMW, Mercedes und Audi zu konkurrieren.

Toyoda erklärte, die Idee beruhe auf seiner Überzeugung, dass das Century in "einer Klasse für sich" existieren sollte. Er räumte auch ein, dass es ihn missfiel, als die Century-Limousine und das Century-SUV auf der Japan Mobility Show 2024 neben konventionellen Toyota-Modellen gezeigt wurden – ein deutliches Signal, dass das Modell klar abgesetzt und eigenständig auftreten soll.

Ein Century voller Geschichte, neu gedacht für die Spitzenklasse

Obwohl Century formal die jüngste Marke unter dem Toyota-Dach ist, reicht der Name deutlich weiter zurück als Lexus. Die Modellreihe debütierte 1967 als Limousine und entwickelte sich über drei Generationen hinweg zum Synonym für japanischen Luxus. Besonders bemerkenswert ist die zweite Generation: Sie ist bis heute das einzige Serienfahrzeug von Toyota, das jemals mit einem V12-Motor ausgestattet wurde. Über Jahrzehnte hinweg wurde das Century fast ausschließlich in Japan verkauft und galt dort als staatstragende Repräsentationslimousine für Würdenträger, Bürokratie und prominente Privatkunden.

Die lange Historie des Century ist geprägt von maßgeschneiderter Handarbeit, diskreter Eleganz und technischer Noblesse. Diese Attribute sollen nun formell institutionalisiert werden: Anstatt das Modell weiterhin als eine Nische innerhalb von Toyota zu behandeln, wird die Marke Century künftig als eigenständige Premiummarke mit eigener DNA, eigener Produktplanung und eigener Kundenausrichtung geführt. Das bedeutet auch eine gezielte Ansprache von Sammlern, Staatsgästen und exklusiven Privatkunden, die Wert auf Individualität, Prestige und Handwerkskunst legen.

Der Schritt zur Ausgliederung greift zugleich Elemente der Markenpositionierung auf, die in den letzten Jahren an Relevanz gewonnen haben: klare Segmentierung, differenzierte Preisstrategien und eine stärkere Ausrichtung auf kleine, handgefertigte Stückzahlen mit hohem Margenpotenzial. Damit reagiert Toyota auf einen internationalen Trend im Premiumsegment: Während Volumenhersteller in Richtung Elektromobilität und Skaleneffekte arbeiten, suchen Ultra-Luxus-Marken nach höchster Individualisierung und limitierter Verfügbarkeit.

Eine erste Verschiebung in Richtung Internationalisierung war bereits 2023 erkennbar, als Toyota ein Century-SUV einführte und den Namen in China testweise lancierte. Diese Maßnahme signalisierte, dass Century künftig nicht mehr nur für den heimischen Markt bestimmt ist, sondern weltweite Präsenz anstreben könnte – jedoch auf selektive, kontrollierte Weise. Künftig sind maßgeschneiderte, kleinvolumige Modelle geplant, die gezielt vermögende Sammler, Diplomaten und institutionelle Käufer ansprechen sollen.

Die Repositionierung umfasst dabei mehrere Ebenen: Design-Philosophie, Materialwahl, Produktionsmethoden und Vertriebswege. Erwartet werden streng limitierte Auflagen, erweitertes Individualisierungsangebot und ein exklusives Händlernetzwerk, das separiert von der regulären Toyota- und Lexus-Vertriebskette agieren kann. Diese Strategie ähnelt historischen Beispielen in der Automobilbranche, bei denen Premiumhersteller Submarken oder Atelierzentren schufen, um die höchste Handwerkskunst zu bündeln und sich vom Volumengeschäft zu distanzieren.

Wie die neue Century-Marke aussehen wird

Toyotas Chief Branding Officer Simon Humphreys formulierte die Absicht als Mission: das obere High-End-Segment „als Spitze der Spitze, One of One“ anzugehen. Als Aushängeschild ist ein repräsentatives Coupé geplant, das auf der Japan Mobility Show 2025 debütieren soll und mit dem Slogan versehen ist: 'One of One. One in this world, from this country.' Diese Formulierung betont Einzigartigkeit, Herkunft aus Japan und das Manufaktur-Prinzip.

Wesentliche Erwartungen an die künftige Produktpalette umfassen mehrere Dimensionen – von Produktionsweise über Preispositionierung bis hin zu Funktionalität und Design.

  • Extrem geringe Stückzahlen, handgefertigte Fahrzeuge mit herausragender Verarbeitungsqualität und handwerklichen Details
  • Preisniveau und Exklusivität oberhalb von Lexus; analog zu der Position von Rolls-Royce über BMW
  • Schwerpunkt auf Auftritt, maßgeschneiderten Interieurs und Langradstand-Komfort anstelle einer Ausrichtung auf massenmarktfähige Technologie

Die bisher gezeigten Teaser des Coupés deuten auf deutlich üppigere Designs und hochwertigere Materialien gegenüber typischen Lexus-Modellen hin. Obwohl technische Spezifikationen bisher spärlich kommuniziert wurden, legt die Tradition des Century mit V12-Antrieb und limousinenähnlicher Ausstattung nahe, dass sowohl großvolumige Verbrennungsmotoren als auch eigens entwickelte Hybridlösungen denkbar sind. Für eine Ultra-Luxus-Marke sind außerdem umfangreiche Personalisierungsoptionen sowie langfristige Service- und Erhaltungsprogramme zu erwarten.

Aus technischer Perspektive könnte Toyota für Century unterschiedliche Antriebskonzepte je nach Markt anbieten: In Regionen mit hoher Nachfrage nach konventionellem Luxus und Prestige könnten Hochleistungs-Verbrenner oder V12-Varianten attraktiv bleiben; in Märkten mit strengen Emissionsauflagen und starkem Interesse an Nachhaltigkeit könnten maßgeschneiderte Hochleistungs-Hybridantriebe oder spezielle Luxus-Elektroantriebe mit hoher Reichweite und leisem Fahrverhalten dominieren. Solche hybriden oder elektrifizierten Systeme würden speziell für das Luxussegment kalibriert: sanfte Leistungsabgabe, akustische Dämpfung auf höchstem Niveau und eine Fahrwerksabstimmung, die Komfort vor sportlicher Agilität stellt.

Darüber hinaus ist denkbar, dass Century als Marke eigene technische Plattformen nutzt oder sehr stark individualisierte Karosseriestrukturen einsetzt, um den Anspruch an Exklusivität und Langzeit-Qualität zu untermauern. Fertigungsorte könnten weltweit verteilt sein – denkbar sind spezialisierte Produktionsstätten in Japan mit längerer Fertigungszeit pro Fahrzeug, ergänzende Handwerksbetriebe für Interieur und Veredelung sowie exklusive Auslieferungs- und Präsentationsräume in Zielmärkten.

Was das für Lexus bedeutet

Lexus wird durch diese Umstrukturierung nicht ins Abseits gedrängt. Im Gegenteil: Die Marke scheint sich auf eine mutige Neuausrichtung vorzubereiten. Toyota präsentierte bereits ein radikales Elektro-Konzept mit sechs Rädern und drei Sitzreihen unter dem LS-Label, das eher wie ein geräumiger Van mit kantiger Formensprache wirkt. Akio Toyoda hat die Bedeutung von 'LS' neu interpretiert: statt "Luxury Sedan" heißt es nun "Luxury Space" – ein Hinweis auf eine Erweiterung des Luxusbegriffs hin zu Raumangebot, Funktionalität und innovativem Innenraumdesign.

Die Idee hinter dieser Neudefinition ist, Lexus mehr Gestaltungsfreiraum zu geben, damit die Marke experimentelle Formen von Premiummobilität erkunden kann. Toyoda betonte, dass das dreiachsige LS-Konzept in Serie gehen könnte, allerdings nur wenn es den strengen Lexus-Anforderungen an Laufruhe, Komfort und Alltagstauglichkeit genügt. Simon Humphreys ergänzte, Lexus werde "freier handeln können", was andeutet, dass die Marke künftig gewagtere Designs, neue Innenraumkonzepte und experimentelle Technologien verfolgen darf, ohne traditionelle Erwartungen zwingend erfüllen zu müssen.

Als konkreter Fahrplan gilt: Die klassische LS-Limousine, die maßgeblich zum Aufbau des Lexus-Rufs beigetragen hat, wird nach der 2026 Heritage Edition eingestellt. Dieses Produktionsende schafft Freiraum für Lexus, alternative Architekturkonzepte zu erforschen – insbesondere elektrische Plattformen und innenraumfokussierte Fahrzeuge, die weniger auf klassische Limousinenproportionen setzen und stattdessen Erlebnisqualität, Flexibilität und vernetzte Services priorisieren.

Für Lexus bedeutet das eine Zweiteilung der Entwicklungsziele: Einerseits bleibt die Marke in technologischen Fragen präsent, besonders bei Elektromobilität, Fahrassistenz und Connectivity; andererseits wird sie mutigere Designs und Marktansätze testen, etwa Fahrzeuge mit ungewöhnlicher Radanzahl, modularen Innenräumen oder neuen Formen der Luxuspräsentation. Daraus kann ein differenzierteres Markenbild entstehen, das sowohl traditionelle Luxusansprüche als auch progressive Mobilitätskonzepte abdeckt.

Operativ könnte dies auch Auswirkungen auf Investitionen und Ressourcenverteilung haben: Entwicklungszentren für elektrische Antriebe, spezialisierte Design- und UX-Studios sowie Partnerschaften mit Manufakturen und Edelmaterial-Lieferanten könnten verstärkt werden. Zudem sind neue Händlerkonzepte und Markenerlebnisse denkbar, die Lexus vom reinen Fahrzeugverkauf hin zu umfassenden Mobilitäts- und Servicepaketen wandeln.

Marktfolgen und Beobachtungspunkte

Die Herauslösung von Century als separate Spitzenmarke hat mehrere strategische Implikationen, die sich auf Marktpositionierung, Wettbewerberreaktionen und Kundenwahrnehmung auswirken werden.

  • Klare Segmentierung: Toyota bleibt die Marke für das Massenmarktsegment, Lexus für globalen Luxus, und Century übernimmt den Ultra-Luxusbereich mit extrem hoher Exklusivität.
  • Attraktivität für Sammler: Century kann Käufer gewinnen, die Exklusivität, manuelle Fertigung und persönliche Anpassung schätzen, während Lexus die Treiberrolle bei Elektrifizierung und erlebnisorientiertem Luxus beibehält.
  • Wettbewerbsdynamik: Wettbewerber könnten angeregt werden, ihre eigenen Submarken, Sonderprogramme oder Handwerksateliers zu überdenken und zu erweitern, um vergleichbare Nischenkunden anzusprechen.

Zu beobachten sind mehrere konkrete Faktoren: die Preisgestaltung und Stückzahlen der ersten Century-Modelle, die Wahl der Antriebstechniken (Verbrenner, Hybrid, elektrisch), der Grad der Individualisierung, das gewählte Vertriebsmodell und die Markenkommunikation. Auch die Reaktion etablierter Ultra-Luxushersteller wie Rolls-Royce, Bentley oder Mercedes-Maybach ist relevant: Werden diese Marken ihr Angebot weiter verfeinern oder spezielle Editions-Programme intensivieren, um den Wettbewerb auf dem kleinen, exklusiven Marktsegment zu verteidigen?

Auf Produzentenebene wird sich zeigen, wie Toyota Produktionskapazitäten zwischen Volumenproduktion und handwerklicher Manufaktur balanciert. Die Logistik hinter hochpreisigen, individualisierten Fahrzeugen unterscheidet sich stark von konventionellem Fahrzeughandel: Trotz geringer Volumina sind hohe Margen erforderlich, weshalb Kundenbindung, exklusive After-Sales-Dienstleistungen und langfristiger Werterhalt zentrale Erfolgsfaktoren sein werden.

Parallel dazu wird Toyota auf der Japan Mobility Show 2025 mehrere neue Modelle vorstellen, darunter ein elektrisches Corolla-Konzept. Das lange erwartete Toyota-Supercar wird dort nicht vorgestellt; stattdessen plant das Unternehmen eine Online-Premiere am 5. Dezember und eine öffentliche Vorstellung auf dem Tokyo Auto Salon im Januar 2026. Diese Termine sind Teil einer umfassenderen Produkt- und Kommunikationsstrategie, die Toyota auf mehreren Ebenen Präsenz zeigen lässt: vom Mainstream bis zur Spitze des Luxusmarktes.

Aus strategischer Sicht unterstreicht die Umstrukturierung Toyotas Vertrauen in Multi-Brand-Differenzierung als Mittel, um jedes Premiumsegment weltweit abzudecken. Für Enthusiasten bedeutet das: Das wiederbelebte Century verspricht eine Rückkehr zur handgefertigten Opulenz an der Spitze von Toyotas Portfolio, während Lexus einen zukunftsorientierten Pfad aus Elektromobilität, ungewöhnlichen Designkonzepten und erlebnisorientierter Luxus beschreitet.

Eine prägnante Zusammenfassung könnte lauten: "Weniger Stückzahlen, mehr Kunstfertigkeit." Century zielt auf seltene Exklusivität, Lexus wird progressive Luxuslösungen verfolgen, und Toyota wird weiterhin sowohl Maß als auch Anspruch in seinem globalen Portfolio aufbauen. Diese Dreiteilung erlaubt es dem Konzern, präzise Zielgruppen anzusprechen, technologische Investitionen zu differenzieren und Markenerlebnisse speziell zuzuschneiden – ein umfassender Ansatz, um in einem fragmentierten Premium- und Luxusmarkt relevant zu bleiben.

Quelle: motor1

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