8 Minuten
Starbucks testet neue Werkzeuge der künstlichen Intelligenz, die Baristas unterstützen und Kundenbestellungen bereits vor deren Ankunft vorhersagen sollen. Auf der Dreamforce-Konferenz skizzierte CEO Brian Niccol eine Zukunft, in der die Starbucks-App und KI-Systeme im Backend zusammenarbeiten, um Abholvorgänge nahtlos zu gestalten und den Service zu beschleunigen — ohne die Filialmitarbeiter zu ersetzen.
Was Starbucks baut und wie alles begann
Brian Niccol erklärte den Teilnehmern, dass Starbucks mehrere KI-Pilotprojekte durchführt, die alle darauf abzielen, die Teams in den Filialen zu unterstützen und den Kundenfluss zu optimieren. Das Unternehmen betrachtet die Starbucks-App als zentrale Plattform für diese Experimente. Stellen Sie sich vor, Sie sagen Ihrem Smartphone: „Ich möchte meine Bestellung — ich bin in 10 Minuten da“, und Ihr Getränk ist bei Ihrer Ankunft bereits fertig. Genau an diesem Szenario arbeitet Starbucks.
Die Initiativen sind nicht nur technologische Spielereien, sondern sollen konkrete betriebliche Probleme adressieren: Spitzenzeiten, die gleichzeitige Belastung mehrerer Bestellkanäle und die Herausforderung, mobile Bestellungen exakt termingerecht bereitzustellen. Starbucks kombiniert dazu Signalquellen aus der App, historische Bestelldaten und lokale Filialkennzahlen, um Modelle für Bestellvorhersage (Order Prediction) und Kapazitätsplanung zu entwickeln.
Die frühe Phase der Tests konzentriert sich auf Pilotfilialen mit unterschiedlicher Größe und Verkehrsdichte, um die Modelle unter realen Bedingungen zu validieren. Dabei werden sowohl qualitative Rückmeldungen von Baristas als auch quantitative Kennzahlen wie Durchlaufzeiten, Abholzeiten und Fehlerraten berücksichtigt. Diese iterative Herangehensweise soll sicherstellen, dass Funktionalität und Nutzerakzeptanz Hand in Hand wachsen.
Ein wesentlicher Punkt ist die Integration: Die App sendet kontextuelle Signale (etwa ein zeitnahes Eintreffen eines Kunden), während Backend-KI die vorhandenen Ressourcen in der Filiale koordiniert. Ziel ist ein System, das Prognosen in Echtzeit liefert, Arbeitsabläufe priorisiert und so Wartezeiten reduziert, ohne die menschliche Arbeitskraft durch Automatisierung zu ersetzen.
Green Dot: ein digitaler Barista-Assistent
Das aktuell am weitesten verbreitete KI-System bei Starbucks heißt Green Dot. Man kann es als internen Assistenten für Mitarbeiter und Filialleiter verstehen. Wenn ein Angestellter Unterstützung bei Geräten, Abläufen oder bei der Zubereitung eines spezifischen Getränks benötigt, liefert Green Dot schnelle, praktische Anleitungen, damit der Betrieb reibungslos weiterläuft.
Green Dot ist als Nachschlagewerk und Troubleshooting-Tool konzipiert: Es bietet Schritt-für-Schritt-Anleitungen für Maschinenwartung, Rezeptanpassungen und Plausibilitätsprüfungen bei ungewöhnlichen Bestellungen. Durch die Kombination aus Wissensdatenbank, kontextbezogenen Hinweisen und einfachen Workflows reduziert das System Einarbeitungszeiten und Fehlerquellen, vor allem in Stoßzeiten.
Starbucks gibt an, dass Green Dot im Juni mit Pilottests begonnen hat und nun in mehr Filialen ausgerollt wird. Unternehmenssprecher betonen wiederholt, dass das Tool dazu gedacht ist, die Arbeit zu erleichtern — nicht, Mitarbeiter zu ersetzen. Diese Aussage soll Mitarbeitenden signalisieren, dass die Technologie als Ergänzung verstanden wird, die repetitive Aufgaben reduziert und mehr Raum für kundenorientierte Tätigkeiten schafft.
Technisch basiert Green Dot auf einer Kombination aus regelbasierten Modulen und maschinellen Lernkomponenten: Regelwerke decken standardisierte Prozesse ab, während ML-Modelle aus historischen Support-Fällen lernen und kontextabhängige Empfehlungen verbessern. Wichtige Eigenschaften sind Offline-Funktionalität für instabile Netzwerke, eine klar strukturierte Wissensbasis und ein Audit-Protokoll, das Änderungen dokumentiert — relevant für Qualitätssicherung und Compliance.

Smart Q: die Entzerrung des Multi-Channel-Bestellchaos
Bei Starbucks laufen Bestellungen über vier Hauptkanäle ein: im Laden, Drive-thru, Lieferservice und mobile Bestellungen. Historisch haben Filialen diesen Verkehr mit einem First-in, First-out-Ansatz (FIFO) gesteuert, was jedoch zu Engpässen führen kann, wenn mehrere Kanäle gleichzeitig stark belastet sind. Smart Q wurde entwickelt, um dieses Problem zu lösen.
Smart Q priorisiert Bestellungen intelligent und timet die Zubereitung so, dass persönliche Abholungen und Drive-thru-Getränke typischerweise in unter vier Minuten den Kunden erreichen, während mobile Bestellungen exakt zum angekündigten Abholzeitpunkt fertiggestellt werden. Damit bildet Smart Q die Grundlage für Starbucks’ Bestreben, Bestellungen vorherzusagen und vorab vorzubereiten.
Das System integriert Echtzeitdaten aus der Filiale (etwa aktuelle Auslastung, verfügbare Mitarbeiter, Zustand der Geräte) mit prognostischen Modellen, die Nachfrage-Spitzen erkennen. Zusätzlich berücksichtigt Smart Q Parameter wie die durchschnittliche Zubereitungszeit einzelner Getränke, die Verteilung komplexer Sonderwünsche und Laufwege in der Filiale, um die Reihenfolge der Zubereitung zu optimieren.
Durch diese Optimierung lassen sich Wartezeiten für Standortkunden reduzieren und die Effizienz an Drive-thru-Lanes erhöhen. Für mobile Bestellungen bedeutet die präzise Timing-Steuerung, dass weniger Zeitfenster verpasst werden und somit die Kundenzufriedenheit steigt. Smart Q verfolgt einen multi-dimensionale Priorisierungsansatz, bei dem Service-Level-Vereinbarungen, Treuekunden-Signale und betriebliche Restriktionen gegeneinander abgewogen werden.
Auf algorithmischer Ebene nutzt Smart Q Methoden zur Nachfragevorhersage, Warteschlangenoptimierung und Ressourcenallokation. Dazu gehören Zeitreihenanalysen, Klassifikationsmodelle zur Erkennung von Anomalien und heuristische Regeln für zeitkritische Anpassungen. Die Kombination aus datengetriebenen Prognosen und pragmatischen Regeln ist entscheidend, um in heterogenen Filialumgebungen robuste Ergebnisse zu erzielen.
Was das für Kundinnen, Kunden und Mitarbeitende bedeutet
Für Kundinnen und Kunden steht die Verbesserung von Geschwindigkeit und Komfort im Vordergrund: schnellere Abholungen, kürzere Wartezeiten und weniger verpasste Zeitfenster bei mobilen Bestellungen. Die Erwartung ist, dass Bestellungen zuverlässiger zu den angegebenen Zeiten verfügbar sind, wodurch das Nutzererlebnis der Starbucks-App an Wert gewinnt.
Für Mitarbeitende ergeben sich betriebliche Vorteile durch Unterstützungssysteme wie Green Dot und eine entlastendere Queue-Management-Logik. Diese Tools sollen Stressspitzen reduzieren, indem sie bessere Transparenz über anstehende Aufgaben schaffen und klare Prioritäten setzen. In der Praxis kann das zu gleichmäßigeren Arbeitsabläufen, weniger Friktionen bei Schichtübergaben und einer geringeren Fehlerquote führen.
Starbucks rahmt diese KI-Initiativen ausdrücklich als kollaborativ: Die Systeme ergänzen menschliche Fähigkeiten, indem sie Routineentscheidungen automatisieren und relevantere Informationen liefern, damit Baristas sich stärker auf Kundenkontakt und Servicequalität konzentrieren können. Diese Positionierung ist auch zentral, um Vertrauen bei Mitarbeitern und Gewerkschaften aufzubauen.
Gleichzeitig stehen Herausforderungen im Raum: Datenschutz und Nutzerkontrolle bei App-Signalen sind zentrale Fragen, ebenso wie Transparenz in Bezug auf die Funktionsweise der Modelle. Mitarbeitende benötigen zudem Training, um die neuen Tools effektiv zu nutzen und zu verstehen, wann sie auf Systemhinweise vertrauen und wann menschliche Einschätzung Vorrang haben sollte. Akzeptanz, Schulung und klare Betriebsrichtlinien sind für eine erfolgreiche Skalierung entscheidend.

Fragen, die es zu beobachten gilt
- Wie genau können die Systeme die Kaufabsicht von Kundinnen und Kunden vorhersagen?
- Wird die Einführung Datenschutzprioritäten setzen und klare Opt-in-Optionen für App-Nutzende bieten?
- Wie schnell werden Green Dot und Smart Q über die Pilotfilialen hinaus ausgerollt?
Zusätzlich zu diesen Kernfragen sollten Beobachter weitere Aspekte im Blick behalten: Welche Messgrößen verwendet Starbucks, um den Erfolg der Tools zu bewerten (z. B. durchschnittliche Wartezeit, Fehlerquote, Kundenzufriedenheit)? Wie wirkt sich die Technologie auf den Personalbedarf und die Arbeitsorganisation in den Filialen aus? Und in welchem Umfang fließen Rückmeldungen aus dem Filialbetrieb in die Weiterentwicklung der Systeme ein?
Aus strategischer Sicht könnte die Kombination aus App-getriebenen Signalen und KI-gestütztem Warteschlangenmanagement das Modell für Schnellservice-Kaffeeketten nachhaltig verändern. Entscheidend wird sein, Bequemlichkeit mit Transparenz zu verbinden und sicherzustellen, dass Baristas und Filialteams im Zentrum des Kundenerlebnisses bleiben — sowohl technisch unterstützt als auch menschlich entscheidend.
Insgesamt stellt Starbucks’ Ansatz in Richtung Bestellvorhersage und Assistenzsysteme eine sichtbare Investition in operative Effizienz und Kundenbindung dar. Wenn die Systeme sorgfältig implementiert werden, mit klaren Datenschutzregeln und umfassender Mitarbeiterschulung, können Green Dot und Smart Q ein Beispiel dafür werden, wie KI die Servicequalität in großem Maßstab verbessert, ohne dabei die Rolle des Menschen zu verdrängen.
Abschließend bleibt festzuhalten: Die Balance zwischen Automatisierung und menschlicher Verantwortung, zwischen Geschwindigkeit und Transparenz, wird maßgeblich bestimmen, wie diese Technologie von Konsumenten, Mitarbeitenden und Aufsichtsbehörden wahrgenommen wird. Beobachter, Kunden und Mitarbeitende sollten die nächsten Rollout-Phasen genau verfolgen, um Auswirkungen auf Service, Datenschutz und Arbeitsbedingungen zu beurteilen.
Quelle: smarti
Kommentar hinterlassen