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Coach-built Defenders verwandeln SUV in maßgeschneiderte Pick-ups
Die Modellpalette des Land Rover Defender gehört bereits zu den vielfältigsten und begehrtesten Fahrzeugreihen auf dem Markt. Dennoch reicht das serienmäßige Angebot von Jaguar Land Rover nicht bis zu einer werkseitig produzierten Pick-up-Variante. Diese Lücke schließen nun zwei europäische Karosseriebau-Spezialisten: Heritage Custom und Urban Automotive. Beide Unternehmen haben so genannte coach-built Defender-Pick-ups auf Basis des langradigen Defender 130 vorgestellt. Beide Interpretationen versprechen Exklusivität, hohe Offroad-Fähigkeiten und entsprechend kräftige Preisetiketten.
Ende letzter Woche präsentierten beide Hersteller jeweils ihre Visionen dessen, was sie als die weltweit ersten coach-built Defender-Pick-ups bezeichnen. Zwar sind viele technische Details noch nicht vollständig bekannt, doch das Grundkonzept ist klar erkennbar: die Plattform des Defender 130 mit einem V8-Antrieb als Herzstück, neu geschnitten und umgearbeitet, sodass hinter einer verkürzten Fahrgastzelle eine kompakte Ladefläche entsteht.

Gemeinsame Basis, unterschiedliche Charaktere
Beide Projekte basieren auf dem Defender 130 X-Dynamic SE und sollen den serienmäßigen V8-Motor beibehalten — Berichte und Ankündigungen sprechen von einem rund 419 PS starken V8, wobei sowohl 4,4-Liter- als auch 5,0-Liter-Varianten denkbar sind. Daraus ergibt sich, dass Fahrleistung, Fahrwerkstechnik und Antriebsstrang in großen Teilen vom Spenderfahrzeug übernommen werden, sodass Verlässlichkeit und Offroad-Fähigkeit erwartungsgemäß bestehen bleiben. Entscheidend für die Differenzierung sind dagegen Designsprache, Ausstattungsdetails und die handwerkliche Veredelung:
- Heritage Custom setzt stärker auf klassische Eleganz. Das Projekt, das am 30. Oktober in den Niederlanden vorgestellt wurde, ist eine Weiterentwicklung des Valiance-Konzepts. Es greift traditionelle Designelemente auf und kombiniert sie mit maßgefertigten Interieur- und Exterieurdetails — eine Ansprache an Kunden, die einen „authentisch klassischen“ Auftritt suchen und Wert auf handwerkliche Veredelung legen.
- Urban Automotive verfolgt einen schärferen, aggressiveren Stil. Die Präsentation erfolgte zunächst digital; der physische Show- und Publikumsauftritt des realen Fahrzeugs ist für Juli 2026 beim Goodwood Festival of Speed eingeplant. Urban Automotive zielt damit auf jene Käufer, die eine markantere, sportlichere Optik bevorzugen und gleichzeitig hohe Offroad-Funktionalität erwarten.
Optisch behalten beide Umbauten die charakteristischen Defender-Proportionen an der Front und entlang der Flanken bei, sodass die Herkunft vom Serienmodell klar erkennbar bleibt. Die auffälligste Veränderung befindet sich am Heck: Dachlinie und Fahrgastzelle wurden überarbeitet, um hinter der verkürzten Kabine eine diskrete Ladefläche zu schaffen. Diese Ladebereiche sind bewusst kompakter ausgelegt und richten sich eher an Lifestyle-Anwendungen als an gewerbliche Nutzlasten; sie betonen Design und Nutzungsflexibilität gegenüber rein kommerzieller Nutzbarkeit.

Technische Daten, Preise und Marktpositionierung
Genaue technische Daten, Maße und individualisierbare Optionen sind derzeit noch spärlich dokumentiert. Aus den bisherigen Ankündigungen und der üblichen Praxis bei coach-built-Projekten lassen sich jedoch einige plausible Annahmen treffen, die sowohl technische als auch marktstrategische Aspekte beleuchten:
- Basisplattform: Defender 130 (langradige Plattform mit stabilem Rahmen und serienmäßigem Allradantrieb).
- Antrieb: V8-Motor mit rund 419 PS (wie in den Umbauanmerkungen angegeben); Varianten mit 4,4- oder 5,0-Liter-Hubraum sind denkbar. Die Beibehaltung des werkseitigen Antriebsstrangs spricht für unveränderte Performance-Charakteristik, inklusive Drehmomentverlauf und Offroad-Fähigkeiten.
- Konfiguration: zwei coach-built Pick-up-Varianten — eine in Richtung klassischer, handwerklicher Eleganz, die andere in Richtung sportlicher, markanter Performance-Optik; beide mit hoher Individualisierungsmöglichkeit bei Lack, Interieur und Ausstattung.
- Preisprognose: voraussichtlich im sechsstelligen Bereich. Maßgeschneiderte Karosserien, handwerkliche Innenausstattung und limitierten Auflage treiben die Kosten deutlich über die Serienpreise eines normalen Defender.
Zum Vergleich: Der von Heritage Custom zuvor vorgestellte Defender Valiance, ebenfalls auf Defender-130-Basis aufgebaut, lag preislich bei rund 178.000 US-Dollar. Das ist nahezu das Dreifache eines serienmäßigen Einstiegs-Defenders von Land Rover und signalisiert, dass diese coach-built-Modelle in einer Premium- und Sammler-Nische angesiedelt sind. Urban Automotive wird voraussichtlich eine ähnliche Preispositionierung anstreben; mögliche Sonderausstattungen, exklusive Materialien und limitierte Editionen können den Endpreis weiter anheben.
Marktstrategisch positionieren sich beide Anbieter bewusst außerhalb des Volumenbereichs: Zielgruppe sind Enthusiasten, Sammler und Kunden mit hoher Zahlungsbereitschaft für Einzigartigkeit, Handwerkskunst und Offroad-Performance in einem ungewöhnlichen Karosserieformat. Für diese Klientel sind Faktoren wie Materialqualität, Detailverarbeitung, Personalisierungsmöglichkeiten und die Story hinter dem Fahrzeug oft mindestens ebenso wichtig wie reine Nutzlast- oder Performancezahlen.

Für wen sind diese Umbauten interessant?
Diese coach-built-Defender sind nicht für Schnäppchenjäger gedacht. Vielmehr sprechen sie eine klar definierte Kundengruppe an: Käufer, die Exklusivität, maßgeschneiderte Gestaltung und die bewährten Offroad-Eigenschaften des Defender in einem selteneren Pick-up-Gehäuse suchen. Dazu zählen Sammler, Offroad-Enthusiasten mit Sinn für Design, Lifestyle-Kunden, die ein statement-setzendes Fahrzeug wollen, sowie Käufer, die Wert auf handwerkliche Veredelung und limitierte Auflagen legen.
Aus technischer Sicht bieten die Umbauten den Vorteil, dass die robuste Defender- Plattform und der serienmäßige Allradantrieb erhalten bleiben — beides wichtige Kriterien für Käufer, die auch auf echten Geländeeinsatz nicht verzichten möchten. Gleichzeitig schaffen die coach-built-Lösungen Raum für hochwertige Innenmaterialien, spezielle Fahrwerksabstimmungen, exklusive Lackierungen und optionale Ausstattungen wie maßgeschneiderte Laderaumauskleidungen, Überrollbügel, individuelle Dachträger oder spezielle Elektronikpakete.
Solche Umbauten bringen aber auch Kompromisse mit sich: Die Ladefläche ist bewusst kleiner als bei klassischen Nutz-Pick-ups, die Nutzlast wird aufgrund zusätzlicher Verkleidungen und exklusiver Materialien wahrscheinlich geringer sein, und Reparatur- oder Ersatzteilversorgung kann bei ausgefallenen Sonderteilen aufwendiger sein als bei serienmäßigen Land Rover-Modellen. Kunden mit dem Bedarf an hoher Nutzlast und maximaler Wirtschaftlichkeit werden daher eher zu praxisorientierten Pick-up-Modellen greifen; diese coach-built-Varianten zielen hingegen auf Lifestyle- und Sammlerwert.
Zitat eines Branchenkenners: "In einem Markt, der von SUVs übersättigt ist, verspricht ein coach-built Defender-Pick-up sowohl Unterscheidbarkeit als auch echte Geländetauglichkeit." Diese Einschätzung trifft den Kern: Die Kombination aus markanter Optik, begrenzter Verfügbarkeit und den grundlegenden Fähigkeiten des Defender schafft ein Angebot, das sich klar von serienmäßigen SUVs und von massenproduzierten Pick-ups abgrenzt.

Ob diese coach-built-Projekte Land Rover dazu anregen werden, selbst eine werkseitige Pick-up-Variante anzubieten, bleibt offen. Aus Herstellersicht ist ein werkseitiger Pick-up mit großvolumiger Produktion mit anderen wirtschaftlichen Erwägungen verbunden: Entwicklungskosten, Zulassungsanforderungen in unterschiedlichen Märkten, Produktionskapazitäten und die Frage nach ausreichender Nachfrage. Coachbuilders hingegen können schneller, flexibler und in kleineren Stückzahlen auf Nischenwünsche reagieren — und so innovative Karosserievarianten testen, ohne die Serienfertigung zu belasten.
Für 2026 und die Folgejahre haben Heritage Custom und Urban Automotive damit vorerst die Vorreiterrolle übernommen: Sie transformieren den robusten Defender 130 in eine exklusive, handgefertigte Pick-up-Option, die sowohl optisch als auch in puncto Individualisierung neue Akzente setzt. Käufer, die Exklusivität, Offroad-Fähigkeiten und eine starke Design-Identität kombiniert suchen, finden hier eine interessante Alternative zu klassischen Serienfahrzeugen.
Quelle: autoevolution
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