BMW erwägt reinen Elektro-Sportwagen, bisher noch unklar

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BMW erwägt reinen Elektro-Sportwagen, bisher noch unklar

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BMW schließt einen reinen Elektro-Sportwagen nicht aus — verspricht ihn aber noch nicht

Die M‑Division von BMW spielt mit dem Gedanken an einen rein elektrischen Sportwagen, doch in München bleibt man vorsichtig. Zwar sind leistungsstarke Elektrofahrzeuge ein zentraler Bestandteil der Markenstrategie, doch BMW verfolgt einen abgewogenen Ansatz: Ein M3 EV wird frühestens um 2028 erwartet, und das Unternehmen hat sich noch nicht verbindlich dazu geäußert, ob ein eigenständiger Elektro‑Sportwagen auf Basis der neuen Neue Klasse-Plattform gebaut wird. Diese Unklarheit ist erklärbar: Marktkräfte, hohe Entwicklungs‑ und Materialkosten sowie die Art und Weise, wie BMW seine nächste Generation elektrischer Architektur skaliert, spielen eine entscheidende Rolle.

Was sich technisch verändert: das „Heart of Joy“ und die Neue Klasse

BMW hat eine Reihe von vier fortschrittlichen Recheneinheiten angekündigt, die intern als „Superbrains“ bezeichnet werden, wobei eines als „Heart of Joy“ vermarktet wird. Diese Module, die mit den kommenden Neue‑Klasse‑Modellen eingeführt werden — beginnend mit einem neuen iX3‑Crossover — verbinden Software und Hardware, um Dynamik, Stabilität und Fahrwerkskontrolle deutlich zu verbessern. Die Integration solcher Module ist nicht nur ein Marketinggag, sondern eine technische Antwort auf die steigenden Anforderungen an Latenz, Rechenleistung und die Vernetzung von Fahrdynamiksystemen.

Joachim Post, technischer Geschäftsführer von BMW, brachte es so auf den Punkt: Mit etwa 20‑mal mehr Rechenleistung gegenüber bisherigen Systemen können die Verknüpfungen zwischen elektrischen Antriebssteuerungen und schnellen Prozessoren Dynamikfähigkeiten freischalten, die aktuelle Elektrofahrzeuge oft nicht bieten. Einfach gesagt heißt das: Schnellere Verarbeitung ermöglicht schnellere und genauere Drehmomentverteilungen (Torque Vectoring), feinere Eingriffe in das Fahrwerk und eine engere Verzahnung von Batterie‑Management, Thermomanagement und Fahrdynamik. Dadurch lassen sich beispielsweise Kurvenstabilität, Reaktionszeit bei Lastwechseln und die Abstimmung zwischen Regenerationsstrategie und Traktionskontrolle verbessern.

Wesentliche Punkte auf einen Blick:

  • Die Neue Klasse führt modulare Elektronik und standardisierte Komponenten ein, um Skaleneffekte zu erzielen.
  • „Heart of Joy“ ist ein Markenname für eine hochschnelle Steuerungseinheit, die gezielt auf Fahrdynamik ausgelegt ist.
  • Erste Anwendung: der neue iX3‑Crossover; weitere Modelle sollen folgen, wodurch das System sukzessive erprobt und skaliert wird.

Könnte BMW einen maßgeschneiderten Elektro‑Sportwagen bauen?

Technisch ist das möglich. Post erklärte in Medienbriefings, dass die modulare Architektur der Neue Klasse grundsätzlich erlaubt, ein dediziertes Performance‑Fahrzeug zu entwickeln, anstatt lediglich eine M‑Variante eines bestehenden Baureihenmodells umzusetzen. Entscheidend ist die Skalierbarkeit: Steuergeräte, Batteriezellen und weitere Komponenten lassen sich unterschiedlich verpacken, sodass spezifische Karosserieformen oder eigenständige Plattformen möglich werden, während dennoch geteilte Bauteile die Kosten begrenzen.

Das bedeutet konkret: Eine Baugruppe wie das Hochleistungssteuergerät kann in einem kompakten Sportwagen genauso ihren Platz finden wie in einem SUV, während Zellchemie, modulare Batteriepakete und Kühlsysteme in variabler Konfiguration eingesetzt werden. So könnte BMW etwa Hochstrommodule für Performance‑Anwendungen kombinieren mit Zellchemien, die hohe Leistungsdichte statt maximaler Energiedichte bieten — eine Entscheidung, die Einfluss auf Gewicht, Reichweite und thermische Anforderungen hat. Ebenso wäre es möglich, Getriebelösungen, Differenzialsteuerungen und Rekuperationsstrategien individuell anzupassen, ohne das gesamte Ökosystem neu zu erfinden.

Aber machbar heißt nicht prioritär. BMW hat mehr als 10 Milliarden Euro in die Neue Klasse investiert und muss diese Ausgaben über volumenstarke, profitable Modelle einspielen — SUVs und Premium‑Limousinen bleiben daher wirtschaftlich im Fokus. Niedrigvolumige Halo‑Modelle sind aus Markensicht attraktiv, lassen sich aber wirtschaftlich deutlich schwerer rechtfertigen. Der Break‑even für ein Low‑Volume‑Supercar erfordert entweder extrem hohe Margen oder erhebliche kostenseitige Synergien innerhalb der Modellfamilie.

Lehren aus der Vergangenheit

BMW hat in der Vergangenheit gemischte Erfahrungen mit Einzelstücken und Nischenfahrzeugen gemacht. Der Mittelmotor‑M1 erlebte vor Jahrzehnten Produktionsprobleme, als Lamborghini sich aus dem Fertigungsplan zurückzog und die Produktion neu organisiert werden musste. Jüngere Projekte wie die M Vision Next — ein Plug‑in‑Hybrid‑Konzept, das in den frühen 2020er‑Jahren der Produktion nahekam — wurden aufgegeben, als Entwicklungskosten explodierten und die COVID‑19‑Krise Budgets verwirrte.

Andere Nischenmodelle erreichten nicht immer die erhofften Verkaufszahlen: Der i8 verkaufte in sechs Jahren nur etwas über 20.000 Einheiten, und der Z4 hatte ebenfalls Schwierigkeiten auf dem Markt und stand Berichten zufolge kurz vor dem Aus ohne direkten Nachfolger. Trotzdem kann BMW für exklusive Modelle weiterhin Premiumpreise verlangen; Sondermodelle wie Skytop und Speedtop, die im Grunde kundenspezifische M8‑Ableitungen sind, erzielten offenbar teilweise sehr hohe Summen bei Sammlern. Diese Beispiele zeigen: Prestige lässt sich verkaufen, aber die Wirtschaftlichkeit bleibt die harte Messlatte.

Marktpositionierung und Ausblick

Für BMW ergibt sich eine klare Rechnung: Markenbildschirm‑Projekte müssen mit volumenstarken Elektrofahrzeugen ausbalanciert werden, die die Investitionen zurückbringen. Ein dedizierter Neue‑Klasse‑Sportwagen wäre ein mediales Highlight — ein Kronjuwel — aber nicht auf Kosten der wirtschaftlichen Grundlage. Die Verantwortlichen signalisieren Offenheit gegenüber einem solchen Konzept, warten jedoch auf passende Marktsignale: deutliche Nachfrage nach elektrifizierter Performance, vertretbare Entwicklungskosten und eine Bereitschaft der Kundschaft, Premiumpreise für ein EV‑Halo‑Modell zu zahlen.

Zitat: "Elektronische Steuergeräte, zum Beispiel eine Batteriezelle — all diese Dinge sind gleich, werden aber in einem anderen Paket integriert", sagte Post. "Die Neue Klasse gibt dir die Möglichkeit, Skalierungskombinationen so zu gestalten, dass es aus Sicht der Business‑Case‑Betrachtung machbar wird." Das heißt: Durch modulare Baukästen kann BMW Variantenreihen entwerfen, die entweder auf Maximierung der Stückzahlen oder auf Exklusivität ausgelegt sind, je nachdem, wie die Marktchancen bewertet werden.

Ob BMW letztlich ein rein elektrisches M‑Supercar oder einen Performance‑GT in rein elektrischer Ausprägung bauen wird, bleibt ungewiss. Für Enthusiasten ist die Aussicht verlockend: echte BMW‑Fahrdynamik gekoppelt mit einer leistungsfähigen Elektroarchitektur und moderner, nächster Softwaregeneration. Solche Fahrzeuge könnten Features wie extrem schnelles Torque Vectoring, softwaredefinierte Leistungsmodi, adaptives Rekuperationsverhalten und fein abgestimmtes Thermomanagement bieten — alles verbunden durch Low‑Latency‑Kommunikation zwischen Batterie‑ECU, Invertersteuerung und Fahrdynamikcontroller.

Aus Sicht von Investoren ist das Ziel allerdings klar: Volumen und Rendite stehen an erster Stelle. Sollte der Markt beginnen, hochpreisige Elektro‑Performance genauso zu honorieren wie früher exklusive V‑8‑Targas und Shooting‑Brakes, könnte BMW grünes Licht für mehr Sonderprojekte geben. Aktuelle Indikatoren, wie die Preisbereitschaft von Early Adoptern, Leasing‑Modelle für Luxussegment und Sammlerinteresse, werden dabei eine wichtige Rolle spielen.

Bis dahin bleibt Münchens Haltung pragmatisch: technisch möglich, strategisch interessant, aber noch kein verbindliches Versprechen. Die Entscheidung wird also maßgeblich von technischen Validierungen, Kostenanalysen und dem konkreten Nachfrageverhalten im Premiumsegment abhängen. Sollte BMW einen Schritt weiter gehen, wäre es wahrscheinlich ein kalkulierter Vorstoß: ein streng limitiertes Modell mit hoher Marge, das zugleich Technologiebausteine erprobt, die später in höhervolumige Modelle einfließen können.

Quelle: motor1

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