2nm-Krieg: Warum Samsung bei AI-Chips die Führung übernimmt

Jim Kellers Tenstorrent prüft offenbar Samsung als Fertigungspartner für 2nm-AI-Chips. Der Artikel analysiert Samsungs Chancen gegenüber TSMC, Intel und Rapidus, technische Herausforderungen und Folgen für die KI-Hardware-Landschaft.

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2nm-Krieg: Warum Samsung bei AI-Chips die Führung übernimmt

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Jim Keller, der bekannte Chip-Architekt, der bereits bei AMD, Apple und Tesla Technologien geprägt hat, prüft Berichten zufolge aktuell Optionen, seine AI-Beschleuniger bei Samsungs 2-nm-Fertigung produzieren zu lassen. Diese Gespräche schüren den Wettlauf unter den Foundries um die nächste Generation an KI-Silizium — und könnten die Karten in der Chipindustrie neu mischen.

Warum Samsung bei 2nm als Hoffnungsträger gilt

Samsung Foundry gehört zu den wenigen Auftragsfertigern weltweit, die den Sprung zu extrem feinen Strukturbreiten wie 3nm und 2nm aktiv verfolgen. Tenstorrent, das KI-Chip-Startup, das Keller führt, gibt an, dass Gespräche nicht nur mit Samsung, sondern auch mit Rapidus und dem Branchenprimus TSMC laufen. Das zeigt: Mehrere Wege stehen offen. Doch Samsungs früher Vorstoß in Richtung 2nm könnte den Ausschlag geben — besonders wenn die Fertigungsqualität, Kapazität und Preisgestaltung stimmen.

Technische Gründe für Samsungs Vorstoß

Samsungs Investitionen in neue Transistor-Architekturen (Gate-All-Around / GAAFET bzw. nanosheet-basierte Designs) und die Integration von High-NA-EUV-Verfahren sind Schlüsselelemente für 2nm. Solche Technologien versprechen höhere Transistor-Dichte, bessere Energieeffizienz und damit einen direkten Vorteil für CPU-, GPU- und NPU-intensive KI-Beschleuniger. Kürzere Signalwege und geringere Leckströme bedeuten: mehr Rechenleistung pro Watt — ein zentraler Faktor für große Modelle und Edge-Geräte gleichermaßen.

Markt- und Geschäftslogik: Kapazität, Preis und Vertrauen

Technik allein reicht nicht: Foundries gewinnen Aufträge, wenn sie konstante Stückzahlen, konkurrenzfähige Preise und verlässliche Lieferketten bieten. Samsung hat in den letzten Jahren aggressiv in Fertigungsstätten, Materialversorgung und Partnernetzwerke investiert. Wenn die Exynos 2600, die als Testfall für 2nm gilt, auf dem Markt erfolgreich ist, stärkt das Samsungs Reputation bei anderen Kunden wie AMD, Nvidia oder Qualcomm — und liefert einen praxisnahen Beweis für Yield-Stabilität und Serienreife.

Wer sind die Konkurrenten — und wie positionieren sie sich?

Der Foundry-Markt ist hart umkämpft. TSMC bleibt der Maßstab für High-End-Node-Produktion, Intel setzt mit dem 18A (2-nm-Klasse) auf eigene Fertigung und Services für Drittkunden, und Rapidus versucht als japanische Initiative, heimische Kapazitäten für Spitzentechnologie aufzubauen. Jeder Anbieter hat Stärken und Schwächen:

  • TSMC: Marktführer mit bewährter Technologie und Kundenbasis. Sehr gutes Yield-Management, aber hohe Nachfrage kann Kapazitäten belasten.
  • Samsung Foundry: Aggressive Preisgestaltung, frühe Einführung von 2nm-Techniken und enge Integration mit Samsungs Ökosystem — gleichzeitig geht es um die Skalierung von Erträgen.
  • Intel Foundry Services (18A): Innovativ durch RibbonFET (Intels GAAFET-Variante) und PowerVia, aber laut Berichten muss Intel noch gewisse Zuverlässigkeits- und Kapazitätsfragen lösen, bevor große AI-Startups vollständig onboarden.
  • Rapidus: Japanische Entwicklung mit politischem Rückenwind; der Zeitplan und die Produktionsmengen bleiben jedoch eine Herausforderung.

Wie sich Tenstorrent und Jim Keller in dieses Puzzle einfügen

Tenstorrent positioniert sich mit seinen AI-Beschleunigern als flexibler Partner für Training und Inferenz. Jim Kellers Reputation als Architekt macht das Startup für Foundries attraktiv: Ein Auftrag von Tenstorrent signalisiert technologisches Vertrauen und kann als Marketingargument für weitere Kunden dienen. Für Tenstorrent bedeutet die Wahl einer Foundry nicht nur Fertigung, sondern auch Zugang zu Packaging-Lösungen, IP-Ökosystemen und langfristigen Kapazitäten.

Samsung Foundry Wafer

Exynos 2600: Samsungs 2nm-Pilot oder Starthilfe?

Berichten zufolge hat Samsung mit der Massenproduktion des Exynos 2600 auf seinem 2nm-Prozess begonnen. Sollte dieses SoC seine Marktziele erreichen, wäre es möglicherweise das erste Smartphone-SoC auf 2nm-Basis — ein starkes Signal für andere Kunden, dass Samsung sowohl Mobil- als auch KI-Anforderungen bedienen kann.

  • Voraussichtliche Markteinführung im frühen nächsten Jahr, möglicherweise im Galaxy S26 Pro.
  • Gerüchte sprechen von ARM C1-ähnlichen CPU-Kernen, einer AMD-RDNA-basierten Xclipse-GPU, einem leistungsfähigen NPU, verbessertem ISP sowie integrierter 5G- und LEO-Satelliten-Unterstützung.
  • Samsungs 2nm-Aufträge sollen Medienberichten zufolge bereits Kunden wie Ambarella, DeepX, Preferred Networks und Tesla angezogen haben — ein Hinweis auf steigendes Vertrauen in die Technologie.

Ein erfolgreiches Exynos-Debüt würde nicht nur Samsung stärken, sondern auch eine Kettenreaktion auslösen: Zulieferer, IP-Lieferanten und Substrate-Anbieter könnten schnell Kapazitäten anpassen, um weiteren 2nm-Aufträgen gerecht zu werden.

Technische Herausforderungen auf dem Weg zu 2nm

Der Übergang zu 2nm ist kein kleiner Schritt. Er umfasst mehrere technologische Hürden:

EUV-Weiterentwicklung und High-NA

Die Extrem-Ultraviolet-Lithographie (EUV) ist die Grundlage für feinste Strukturbreiten. High-NA-EUV verspricht schärfere Muster und höhere Durchsatzdichten, ist jedoch extrem teuer — sowohl in Equipment als auch im Betrieb. Foundries, die High-NA früh einführen, können Vorteile bei der Linienbreite und Yield erzielen, tragen aber auch ein hohes finanzielles Risiko.

Transistor-Architektur: GAAFET statt FinFET

Zum Erreichen echter 2nm-Charakteristika wechseln Hersteller von FinFET zu GAAFET-Designs (Gate-All-Around). Diese liefern besseren Gate-Kontakt, geringere Leckströme und höhere Schaltgeschwindigkeiten, erfordern aber neues Design-Know-how und angepasste EDA-Tools (Electronic Design Automation). Die Integration von IP und die Anpassung alter Designs an GAAFET ist zeit- und kostenintensiv.

Yield, Test und Packaging

Je kleiner die Struktur, desto sensibler sind Chips gegenüber Variationen. Yield-Optimierung ist ein langwieriger Prozess, der mehrere Tapeouts, umfangreiche Testreihen und eine enge Zusammenarbeit zwischen Foundry und Designhaus voraussetzt. Advanced Packaging — etwa 3D-Stacking, CoWoS oder InFO — wird zunehmend Teil des Leistungsversprechens für AI-Beschleuniger, da heterogene Integration von NPU, HBM und I/O auf engem Raum erfolgt.

Was bedeutet das für die KI-Hardware-Landschaft?

Die Entscheidung eines Innovators wie Tenstorrent könnte mehrere Auswirkungen haben:

  • Validierung von Samsung: Ein großer Auftrag wäre ein Vertrauensbeweis für Samsungs 2nm-Fähigkeiten und könnte weitere Designhäuser anziehen.
  • Preisdruck: Mehr Wettbewerb bei Premium-Nodes senkt idealerweise Preise langfristig — gut für Startups und Cloud-Betreiber, die KI-Beschleuniger in großen Stückzahlen benötigen.
  • Schnellere Innovation: Wenn Entwickler zwischen mehreren Foundries wählen können, steigt der Druck, neue Architekturen (z. B. sparsamer NPU-Designs oder spezialisierte Matrix-Engines) rasch zu implementieren.
  • Geopolitische Diversifikation: Kunden, die ihre Produktion auf mehrere Standorte verteilen, reduzieren geopolitische Risiken und Lieferkettenabhängigkeiten.

Das Ergebnis könnte sein, dass AI-Chips schneller leistungsfähiger, sparsamer und günstiger werden — ein Enabler für neue Anwendungen von Edge-AI bis hin zu großskaligen Rechenzentren für Training großer Modelle.

Was Kunden jetzt beachten sollten

Für Unternehmen, die KI-Beschleuniger entwickeln oder einkaufen, gilt es mehrere Faktoren abzuwägen:

1. Technologie-Reife vs. Time-to-Market

Manche Anbieter bevorzugen eine frühzeitige Migration auf 2nm, um Leistungsverluste zu maximieren; andere warten auf stabilere Yields bei günstigeren Kosten. Die Entscheidung hängt vom Produktzyklus, der Margenstruktur und dem Bedarf an kurzfristiger Skalierung ab.

2. Ökosystem und IP-Verfügbarkeit

Welche IP-Blöcke (CPU, GPU, interconnect, HBM-Controller) sind bereits für den jeweiligen Node verfügbar? Geringe Verfügbarkeit erhöht das Integrationsrisiko und verlängert Entwicklungszeiten.

3. Packaging und Systemintegration

High-End-AI-Chips benötigen oft HBM-Stacks, schnelle SerDes und spezielle Kühllösungen. Kunden sollten prüfen, wie leistungsfähig die Foundry-Partner und ihre Packaging-Lieferketten sind.

4. Kosten und Vertragsbedingungen

Frühbucher-Rabatte, langfristige Kapazitätsvereinbarungen oder Exklusivitätsklauseln können den Zugang zu 2nm beeinflussen. Verhandlungen mit mehreren Foundries erhöhen die Verhandlungsmacht.

Ein Blick in die Zukunft: Szenarien und Auswirkungen

Was passiert, wenn Samsung, TSMC und Intel jeweils erfolgreiche 2nm-/2nm-ähnliche Linien betreiben?

  • Breitere Anbieterlandschaft: Entwickler können je nach Anforderung (Kosten, Performance, Zeit) die passende Foundry wählen — das fördert Spezialisierung.
  • Mehr Heterogenität: Verschiedene Knoten und Packaging-Ansätze führen zu spezialisierten Chips für Cloud, Edge und Automotive.
  • Skaleneffekte bei KI: Günstigere High-End-Chips könnten das Training großer Modelle und die Verbreitung von KI-Services beschleunigen.
  • Wettbewerb um Talente: Designhäuser mit Zugriff auf modernste Nodes werden attraktiv für Hardware-Ingenieure und EDA-Experten.

Das Rennen um 2nm ist damit nicht nur ein technischer Wettlauf — es ist ein ökonomischer und strategischer Kampf, dessen Gewinner erhebliche Vorteile in der nächsten Phase der KI-Infrastruktur sichern könnten.

Warum diese Entwicklungen für Konsumenten und Unternehmen relevant sind

Die chemie- und physikgetriebene Evolution der Chiptechnik wirkt sich direkt auf Alltag und Geschäftswelt aus. Effizientere KI-Beschleuniger bedeuten bessere Sprach- und Bildverarbeitung auf dem Smartphone, längere Batterielaufzeiten, schnellere Cloud-Services und erschwinglichere KI-Lösungen für Mittelstand und Forschung. Für Unternehmen heißt das: kürzere Time-to-Market, niedrigere Betriebskosten und neue Möglichkeiten im Produktdesign.

Stellen Sie sich vor, ein Mobiltelefon oder ein Edge-Gerät führt komplexe On-Device-Inferenz mit einem Bruchteil des heutigen Energiebedarfs aus — das eröffnet Anwendungen, die bisher nur in Rechenzentren möglich waren. Ebenso können Rechenzentren durch effizientere Beschleuniger die Kosten pro Trainingsstunde senken, was wiederum Forschung und Entwicklung beschleunigt.

Schlussgedanken: Wettbewerb als Motor für Innovation

Die Verhandlungen zwischen Tenstorrent und Foundries wie Samsung sind exemplarisch für eine Branche, in der Technologie, Kapital und Strategie eng verzahnt sind. Gelingen Samsungs 2nm-Pläne, könnte das die Wahlmöglichkeiten für Designhäuser erhöhen und den Innovationszyklus beschleunigen. Gelingt es nicht, wird TSMC oder Intel die Lücke weiter füllen — doch das Kräfteverhältnis bleibt dynamisch.

Für Beobachter, Investoren und Technologie-Entscheider gilt: Jetzt ist eine Phase, in der strategische Partnerschaften, IP-Planung und Produktionsflexibilität den Unterschied zwischen Marktführerschaft und Nachzüglerrolle ausmachen können. Die kommenden Monate werden zeigen, wie sich der 2nm-Wettbewerb konkret auf Produkte und Preise auswirkt — und welche Foundry am Ende als verlässlicher Partner für die nächste KI-Generation hervortritt.

Quelle: sammobile

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