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Paramount+ hat offiziell die sechsteilige Limited Series 9/12 in Auftrag gegeben, mit dem Emmy- und Tony-Gewinner Jeremy Strong als Kopf des Ensembles. Die Produktion verspricht ein ruhiges, charakterorientiertes Rechtsdrama zu werden, das sich den körperlichen, politischen und moralischen Folgen für die 9/11-First-Responder widmet — jenen Feuerwehrleuten, Rettungskräften und Einsatzkräften, die fast ein Jahrzehnt lang für Entschädigung und Anerkennung kämpften.
Worauf sich Zuschauer einstellen können: Besetzung, Macher, Perspektive
Im Zentrum steht Jeremy Strong als Jason Smith, eine fiktionalisierte Zusammensetzung mehrerer realer Klageführer und Anwälte, die bereit waren, Reputation und Karriere aufs Spiel zu setzen, um mächtige Institutionen vor Gericht zu bringen. Die Figur soll den stellvertretenden Nervenkitzel liefern: kein simplifiziertes Heldentum, sondern moralische Komplexität — ein Terrain, auf dem Strong zuletzt mit Serien wie Succession und seinem Oscar-nominierten Auftritt in The Apprentice auffiel.
Tobias Lindholm, der dänische Autor und Regisseur, übernimmt Schreiben, Regie und die Ausführende Produktion. Lindholm ist bekannt für präzise, humanistische Dramen, die persönliche Konflikte mit institutionellen Fragen verknüpfen. Frank Pugliese, unter anderem erfahren durch House of Cards, co-schreibt und fungiert ebenfalls als ausführender Produzent. Produziert wird die Serie von Paramount TV Studios in Partnerschaft mit Sister; Skydance bleibt als kreativer Partner genannt, nachdem das Projekt verschiedene Studiostufen durchlaufen hat.
Die wahre Geschichte dahinter: Drama, Politik und Milliardenforderungen
9/12 widmet sich dem rechtlichen Kampf, der nach den Anschlägen von 2001 folgte: First Responder, die nach dem Einsturz der World Trade Center-Türme schwere, teils lebensverändernde Krankheiten entwickelten, klagten gegen Behörden, Versicherer und beteiligte Institutionen. Laut Berichten endete die juristische Auseinandersetzung mit Zahlungen in der Höhe von nahezu einer Milliarde US-Dollar für die Betroffenen — eine Summe, die sowohl materielle als auch symbolische Bedeutung hat. Die Serie will die politische Manier, die Verratserfahrungen und vor allem die menschlichen Kosten dieses Prozesses ausloten.
Das Potenzial der Geschichte liegt nicht nur im Rechtsthriller-Aspekt. Es geht auch um Erinnerungspolitik: Wie erinnert eine Nation an die Menschen, denen sie so viel zu verdanken glaubt — und was passiert, wenn Anerkennung nicht mit angemessener Fürsorge einhergeht?
Vom Konzept zur Produktion: Ein Projekt geformt durch Branchenumbrüche
Der Weg von 9/12 zum Sender war verschlungen. Ursprünglich 2021 unter dem Arbeitstitel The Best Of Us bei Sister entwickelt, wechselte das Projekt zu Skydance Television und wurde schließlich nach der Skydance-Übernahme in die Struktur von Paramount Television Studios integriert. Solche Verschiebungen sind mehr als administratives Hin und Her: Fusionen, regulatorische Prüfungen und Führungswechsel können kreative Prioritäten verschieben, Drehtage beeinflussen und das finale Tonalitätsprofil eines Projekts verändern.
Ursprünglich war ein Drehbeginn im August geplant; jedoch verzögerten sich die Pläne durch regulatorische Reviews und Konzernumstrukturierungen. Aktuell ist der Produktionsstart für Sommer 2026 vorgesehen, mit einem anvisierten Starttermin im Jahr 2027. In der Zwischenzeit haben Führungskräfte bei Paramount+ — darunter Cindy Holland, Jane Wiseman, Dana Goldberg und Matt Thunell — 9/12 als Teil einer bewussten Strategie beschrieben, verstärkt in ambitionierte, resonante Narrationen zu investieren.
Warum die Verschiebungen relevant sind
Solche Verzögerungen beeinflussen nicht nur Zeitpläne, sondern die kreative Ausrichtung: Drehorte, Budgetverteilung und Casting-Verfügbarkeiten (etwa Termine von Jeremy Strong) werden neu verhandelt. Zudem gibt die Produktionsgeschichte Einblick in die aktuelle Dynamik der Streaming-Industrie, in der Plattformen nach kulturell gewichtigen Marken suchen, die ihr Profil als Ort für hochwertiges, oft preisgekröntes Erzählen schärfen sollen.

Vergleich, Ästhetik und kultureller Kontext
Thematisch reiht sich 9/12 in eine jüngere Tradition von Prestige-Limited-Series ein, die reale Rechts- und Unternehmenskonflikte dramatisieren — Titel wie Dopesick oder The Dropout kommen einem spontan in den Sinn, ebenso wie die moralische Tiefenschärfe von Better Call Saul. Doch Lindholms Handschrift lässt eher Zurückhaltung als Gefühlsaufwallung erwarten. Sein bisheriges Werk, etwa die investigative Serie The Investigation oder seine Filme mit moralischem Fokus, deutet darauf hin, dass 9/12 weniger auf spektakuläre Gerichtsszenen als auf die Zwischentöne menschlicher Entscheidungen setzen wird.
Das kulturelle Gewicht von 9/11 in Film und Serien verlangt besondere Sorgfalt. Werke wie United 93 und Paul Greengrass’ Ansatz bei der filmischen Verarbeitung realer Tragödien haben eine Nische geschaffen, die Respekt, Realismus und Zurückhaltung verlangt. 9/12 beabsichtigt, nicht die unmittelbaren Heldentaten der Anschläge in den Mittelpunkt zu rücken, sondern die lange Folge institutionalisierten Versagens — die Gesundheitsfolgen, bürokratischen Hürden und den Kampf um Entschädigung, der viele Überlebende und Helfer jahrelang prägte.

Produktion, Besetzung und logistische Details
Paramount TV Studios stuft 9/12 als Prioritätsprojekt ein; trotzdem mussten Abstimmungen vorgenommen werden, um Jeremy Strongs Terminkalender mit anderen Verpflichtungen — darunter ein kommendes Projekt von Peter Morgan für Netflix — in Einklang zu bringen. Die Serie ist das erste größere Projekt, das unter der neuen Leitung von Paramount Television Studios realisiert wird und damit ein Statement über die Ambitionen des Studios im Reigen der Streaming-Wettbewerber darstellt.
Die Zusammenarbeit mit Sister als Produzentin und die frühere Beteiligung von Skydance zeigen, wie moderne Serienproduktionen oft über mehrere Firmen und Entwicklungszyklen hinweg entstehen. Solche Kooperationen können kreative Ressourcen bündeln, aber sie verlangen auch klare Kommunikationslinien, um konsistente Tonalität und faktische Genauigkeit zu gewährleisten.
Fiktionalisierung versus historische Verantwortung
Die Entscheidung, einen Hauptcharakter als Kompositfigur (Jason Smith) anzulegen, schafft erzählerische Flexibilität: Drehbuchautoren können verschiedene Entwicklungen, rechtliche Strategien und emotionale Konflikte in einer Figur bündeln, ohne an die strikten Vorgaben einer Biographie gebunden zu sein. Das macht dramatische Verdichtung möglich, erhöht aber auch die Verantwortung — insbesondere beim Umgang mit Opfern, Überlebenden und Angehörigen. Serienschaffende müssen einen sensiblen Balanceakt meistern: dramatische Freiheit nutzen, ohne den realen Erfahrungen zu schaden.
Warum diese Geschichte gerade jetzt wichtig ist
9/12 berührt Fragen der Erinnerung, staatsbürgerlichen Pflicht und institutionellen Rechenschaftspflicht. Der erzählerische Kern — Rettungskräfte, die auf beispiellose Weise dienten und später mit Krankheit und bürokratischem Widerstand kämpfen mussten — ist sowohl juristische Chronik als auch moralische Fragestellung. In Zeiten, in denen das Publikum stark auf Adaptionen echter Begebenheiten reagiert und solche Stoffe als Vehikel nutzt, um öffentliche Systeme zu hinterfragen, könnte 9/12 zu einem Ausgangspunkt für Debatten über Gesundheitsschutz, staatliche Verantwortung und die Art werden, wie Gesellschaften ihre Helfer erinnern und unterstützen.
Filmkritikerin Anna Kovacs, eine auf Lindholms Werk spezialisierte Beobachterin, bringt es auf den Punkt: „Lindholm kann moralische Komplexität ohne Melodramatisierung darstellen. 9/12 könnte das Fernsehen bereichern, wenn es nationalen Schmerz mit Genauigkeit, Empathie und strengem Blick behandelt.“
Kritische Perspektiven und mögliche Fallstricke
Die Darstellung von 9/11-nahen Themen bleibt brisant. Zuschauer, Kritiker und Betroffene werden Genauigkeit, Taktgefühl und Respekt intensiv prüfen. Wie dramatisch darf eine fiktionalisierte Darstellung sein, ohne das tatsächliche Leid zu trivialisieren? Die Wahl, die Hauptfigur als Komposit zu entwerfen, hilft zwar der Narration, verlangt aber auch Transparenz darüber, wie weit dramaturgische Freiheiten gehen.
Außerdem ist das Feld des Rechtsdramas stark umkämpft. Um aus der Masse herauszustechen, braucht 9/12 mehr als einen Star: tonal klare Führung, stringente Narration und eine Ästhetik, die moralische Ambivalenz nicht als Stilmittel missbraucht, sondern als Grundgedanken des Erzählens. Lindholm bringt dafür gute Voraussetzungen mit — seine Filme und Serien tendieren zu klaren, ruhigen Bildern und einer Erzählweise, die Details wirken lässt statt Effekte zu zelebrieren.
Trivia, die Fans und Kritiker interessieren wird
- Der ursprüngliche Arbeitstitel lautete The Best Of Us (2021) — der Name ist in frühen Promotexten weiterhin erkennbar.
- Paramount zitiert in Presseangaben die symbolische "erste Reaktionszeit" der First Responder am 11. September als Hinweis auf unmittelbaren Mut — Formulierungen, die Teil der öffentlichen Kommunikation über die Serie wurden.
- Jason Smith ist bewusst als Komposit angelegt: Er repräsentiert mehrere reale Akteure und ermöglicht so eine narrative Verdichtung.
- Die Serie wird als Ensembleprojekt verstanden: Erwartet werden neben Strong weitere namhafte Schauspieler, deren Verpflichtungen jedoch noch finalisiert werden müssen.
Was 9/12 für Paramount+ und das Prestige-TV bedeutet
Für Paramount+ signalisiert 9/12 eine strategische Ausrichtung: Die Plattform will begrenzte, hochkarätige Serien mit realweltlicher Relevanz, die sowohl kulturelles Gewicht zeigen als auch Auszeichnungen anstreben. In einer Phase, in der Streamingdienste ihre Identität schärfen und neue Aushängeschilder benötigen, kann ein ernsthaftes Rechtsdrama mit starkem Cast und namhaften Kreativen als Prestigeprojekt dienen.
Ob 9/12 zu einem kulturellen Meilenstein wird, hängt von mehreren Faktoren ab: der stringenten Regieführung Lindholms, Strongs darstellerischer Durchschlagskraft und der Sensibilität, mit der das Drehbuch komplexe, oftmals schmerzhafte Realitäten behandelt. Gelingt diese Kombination, könnte die Serie sowohl juristisches Drama als auch nachdenkliches Porträt jener werden, die für andere ins Risiko gingen.
Insgesamt sieht 9/12 nach einem der ernsthaftesten und potenziell folgenreichsten Limited Series-Projekte im Streamingkalender 2027 aus — ein Rechtsdrama mit tiefen moralischen Fragen und ein Signal dafür, welche Geschichten Paramount+ künftig erzählen möchte.
Quelle: deadline
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