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BMWs Neue Vision: Ein CGI-Grandtourer mit Retro‑Future-Charme
Die Designsprache von BMW befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und Zukunft. Während Hersteller wie Audi und Mercedes-Benz verstärkt auf historische Referenzen zurückgreifen, treiben digitale Künstler, Concept-Studios und unabhängige Designer mit aufsehenerregenden CGI-Entwürfen die Debatte darüber voran, wie ein modernes BMW-Fahrzeug aussehen könnte. Das jüngste Designkonzept, das online Aufmerksamkeit erregt, heißt BMW Neue Vision: ein niedrig gebauter, zweitüriger Grandtourer, den der italienische Designer Alberto Buggiotti entworfen hat und der von der Plattform car.design.trends geteilt wurde. Dieses CGI-Konzept verbindet bewusst nostalgische Proportionen mit futuristischen Details und bietet einen Blick darauf, wie Heritage-Ästhetik und Elektromobilität zu einem neuen Gestaltungsansatz verschmelzen können.
Context: retro cues meet electrification
Im Premiumsegment der deutschen Hersteller ist derzeit eine starke Tendenz zu beobachten: Die sogenannte Retro‑Future-Ästhetik – also die Kombination aus klassischen Designzitaten und modernen, oft digitalen Elementen – gewinnt an Bedeutung. Beispiele sind Audis Concept C oder Modelle und Studien von Mercedes wie die Vision Iconic-Studien und elektrische Interpretationen des GLC, die historische Anleihen mit klaren Hinweisen auf Hightech verbinden. BMW verfolgt parallel die reale Produktstrategie der "Neuen Klasse", die bereits deutlich Einfluss auf Gestaltungsmerkmale wie Proportionen und Nierengestaltung nimmt; diese Entwicklung führt zu schmaleren, vertikaleren Nieren, die Erinnerungen an Modelle wie die 02er-Serie wecken. Die Neue Vision positioniert sich genau in diesem kulturellen Moment, in dem Erbe, CGI‑Ästhetik und Elektromobilität aufeinandertreffen und neue Fragen an Markenidentität, Proportionen und funktionale Gestaltung stellen.

Als inoffizielles CGI‑Projekt ist die Neue Vision kein fabrikseitiger Vorschlag, sondern eher ein visuelles Experiment, das zeigt, wie Designer und Online-Communities Erwartungen an zukünftige Fahrzeuge beeinflussen können. Solche digitalen Studien sind weniger Produktprojektionen als Bildsprachen: Sie erkunden, wie klassische Supercar- und GT-Proportionen mit moderner Aerodynamik, digitaler Detailästhetik und einer skulpturalen Herangehensweise an Karosseriedesign kombiniert werden können. Indem sie Form- und Funktionsfragen in einer rein visuellen Ebene diskutieren, bieten CGI‑Konzepte wie dieses wichtige Impulse für kreative Freiräume in der realen Automobilentwicklung.
Design highlights
- Niedrige, breite Haltung mit lang gestrecktem Radstand und kompakteren Überhängen, die klassische GT-Proportionen neu interpretieren und eine lange Motorhaube betonen
- Vereinfachte, breite Niereneinheiten, die eher als skulpturale Lufteinlässe denn als traditionelle verchromte Rahmen wirken und so eine moderne, funktionale Optik erzeugen
- Kleine, punktförmige LED-Scheinwerfer, die dem Fahrzeug eine fokussierte, zeitgemäße Frontpartie verleihen und gleichzeitig feine Lichtgrafiken ermöglichen
- Durchgehende Lichtleiste am Heck kombiniert mit einem aggressiv geformten Diffusor und aerodynamischen Abschlüssen, um eine klare Signature-Optik zu schaffen
- Track‑orientierte Aerodynamikdetails: ausgeprägte Seitenschweller oder -blades, ein dezenter Heckspoiler und integrierte Luftkanäle, die optisch und funktional den Abtrieb und die Kühlluftführung unterstützen

Optisch wirkt das Modell gleichzeitig muskulös und reduziert. Buggiottis Entwurfsansatz setzt auf klare Flächen, die durch scharfe Kanten und geführte Linien geformt werden; dadurch entsteht eine Bewegungsgeste, selbst wenn das Fahrzeug stillsteht. Die Silhouette nimmt klassische GT-Konventionen auf – lange Haube, sich verjüngende Fahrgastzelle und kurzes Heck – und verbindet sie mit einem futuristischen, beinahe digital wirkenden Präzisionslook. Solche Gestaltungsmittel unterstützen die Markenwiedererkennung, ohne sich strikt an historische Nachbildungen zu orientieren: Vielmehr handelt es sich um eine Neuinterpretation, die Materialität, Lichtführung und Oberflächenbehandlung als kompositorische Werkzeuge nutzt.
Performance and packaging (hypothetical)
Da die Neue Vision ein spekulatives CGI‑Konzept ist, existieren keine verifizierten technischen Daten, Antriebsstrang-Spezifikationen oder Innenraumfotos. Die proportionale Gestaltung deutet jedoch auf eine Konzeption für Langstreckenkomfort und dynamische Reiseleistung hin, also auf typische Grandtourer-Qualitäten statt auf reine Rundstrecken‑Optimierung. Überführte Designelemente und Packaging-Entscheidungen lassen sich hypothetisch so interpretieren, dass sie eine Balance aus Reichweite, Komfort und sportlicher Performance anstreben. Betrachtet man aktuelle Trends in der Elektromobilität, sind einige technische Richtungen plausibel:
- Ein großer Batteriepack mit hoher Kapazität (etwa im Bereich von 90–120 kWh) kombiniert mit einer Dual- oder Tri‑Motor‑Konfiguration, um sowohl hohe Effizienz als auch starke Beschleunigungswerte und Allrad-Antriebsoptionen zu ermöglichen
- Einsatz von Leichtbaumaterialien (Aluminium, hochfester Stahl, Carbon‑Verbundwerkstoffe) und eine aerodynamisch optimierte Karosserie, um Verbrauch, Reichweite und Handling positiv zu beeinflussen
- Packaging‑Entscheidungen, die Platz für Komfortmerkmale bieten: großzügige Batterieanordnung im Skateboard-Layout, tiefer Schwerpunkt für bessere Fahrdynamik und ein Innenraum, der analoge Fahrfokusselemente mit hochauflösenden digitalen Interfaces kombiniert

Technisch denkbar wären auch adaptive Fahrwerkssysteme (z. B. Mehrkammer‑Luftfederung oder aktive Dämpfersysteme) und eine Integration von Software‑gestützter Effizienzoptimierung, die Reichweite und Komfort dynamisch ausbalanciert. Moderne Ladearchitekturen mit 800‑V‑Technik oder optimierter 400‑V‑Plattform könnten schnelles DC‑Laden unterstützen und so die Alltagstauglichkeit eines elektrischen Grandtourers erhöhen. Gleichzeitig würde ein starkes Thermomanagement der Batterie – wichtig bei langen Strecken und sportlicher Nutzung – die Leistungsfähigkeit über große Temperaturbereiche sichern. All diese Elemente sind zwar spekulativ, aber sie spiegeln realistische Wege wider, wie ein Fahrzeug mit den gezeigten Proportionen technisch umgesetzt werden könnte.
Market fit and risks
Retro‑moderne Neuinterpretationen polarisieren häufig: Für Enthusiasten sind Reminiszenzen an klassische Modelle und ikonische Proportionen meist attraktive Gestaltungsmerkmale, doch besteht die Gefahr, die Markenidentität zu verwässern, wenn zu viele Modelle dieselben nostalgischen Codes wiederholen. Hersteller müssen daher zwischen übergreifenden Markenmerkmalen und markenspezifischer Differenzierung auf Modell‑Ebene balancieren. Sonst droht ein zu homogenes Portfolio, in dem die einzelnen Modelle weniger unterscheidbar werden.
Gleichzeitig erfüllen CGI‑Konzepte wie die Neue Vision eine wichtige Funktion im Produktentwicklungsprozess, auch wenn sie nicht aus Produktionsabteilungen stammen. Sie messen die öffentliche Reaktion, schaffen Gesprächsanlässe und dienen oft als Ideenschmiede: Manche Details oder gestalterischen Prinzipien dieser digitalen Studien finden später – in abgeschwächter oder adaptierter Form – ihren Weg in Serienfahrzeuge. Vor diesem Hintergrund sind solche Entwürfe sowohl Inspirationsquelle als auch Gradmesser für Marktinteresse und Designansprache.
„Design‑Erkundungen aus dem digitalen Raum prägen zunehmend die Erwartungen an künftige Modelle“, bemerkte kürzlich ein Designkritiker. „Sie zwingen Hersteller dazu, mutiger über Proportionen und visuelles Storytelling nachzudenken.“ Diese Beobachtung unterstreicht, dass visuelle Konzepte längst nicht mehr nur akademische Übungen sind, sondern Teil eines Dialogs zwischen Designern, Marken und Konsumenten.
Ob BMW jemals einen dem CGI‑Entwurf der Neue Vision ähnlichen Grandtourer in Serie bringen wird, bleibt offen. Der Trend zur Elektrifizierung verändert jedoch die Grundlagen, auf denen Automobildesign operiert: Angetrieben von Batterien und Elektromotoren, die neue Packaging-Spielräume eröffnen, werden Designer – ob in traditionellen Studios oder in der digitalen Community – weiterhin ausprobieren, wie ein moderner BMW aussehen kann. Das Ergebnis könnte eine Mischung aus historischer Referenz, skulpturaler Formgebung und praktikabler Performance werden, die sowohl Ästhetik als auch Technik in Einklang bringt.
Quelle: autoevolution
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