24/7-Preisfindung: Perpetuals verändern Aktienderivate

Arthur Hayes prognostiziert, dass Perpetual Swaps die Preisfindung für Aktienderivate 24/7 übernehmen könnten. Der Artikel analysiert technische, regulatorische und marktmikrostrukturelle Faktoren.

Kommentare
24/7-Preisfindung: Perpetuals verändern Aktienderivate

7 Minuten

Arthur Hayes prognostiziert eine Verlagerung zu 24/7-Krypto-Perpetual-Märkten

Der ehemalige BitMEX-Mitgründer Arthur Hayes hat eine mutige Prognose formuliert: Die Preisfindung bei Aktien werde sich von traditionellen Börsen hin zu Krypto-nativen Perpetual-Märkten verlagern, die rund um die Uhr handeln. Hayes argumentiert, dass Perpetual Swaps — die in Krypto-Märkten populären, futures-ähnlichen Instrumente — Liquidität konzentrieren und Privatanlegern tiefen Marktzugang sowie hohen Hebel bieten. Mit einer Lockerung regulatorischer Hürden und der Reifung permissionless Protokolle erwartet er, dass Perpetuals sowohl an zentralisierten als auch dezentralen Handelsplätzen die etablierten Derivateprodukte, wie sie etwa an der CME gelistet sind, herausfordern werden.

Warum Perpetual Swaps traditionelle Futures übertreffen könnten

Konzentration der Liquidität und kontinuierlicher Handel

Hayes hebt die charakteristischen Merkmale von Perpetual Swaps hervor: kein Verfallsdatum, Funding-Mechanismen, die den Kassapreis nachbilden, sowie ein einheitlicher Kontrakt, der Liquidität bündelt. Im Gegensatz zu klassischen Terminkontrakten, die Liquidität über verschiedene Laufzeiten und Handelssitzungen fragmentieren, erlauben Perpetuals eine ununterbrochene Preisfindung rund um die Uhr. Dieser kontinuierliche Handel bildet globale Kapitalflüsse und Nachrichtenlagen besser ab — insbesondere, weil wichtige Ereignisse heute zunehmend außerhalb der traditionellen Handelszeiten stattfinden.

Hebelwirkung, sozialisierte Verlustmechanismen und reduziertes Gegenparteirisiko

Perpetual-Märkte haben robuste Risikomanagement-Primitive entwickelt, darunter Versicherungsfonds (insurance funds) und Mechanismen zur Sozialisierung von Verlusten, die die direkte rechtliche Exponierung von Margin-Einlagen begrenzen. Laut Hayes ermöglichen diese Konstrukte Privatanlegern erhebliche Marktteilnahme ohne die Notwendigkeit, enorme Sicherheiten bei einer Clearingstelle zu hinterlegen. Dieses Kapital- und Collateral-Effizienz-Argument könnte Aktivität weg von Legacy-Venues treiben, die durch konservative Hebellimits für Retailkunden und traditionelle Clearing-Modelle eingeschränkt sind.

Technische und mikrostrukturelle Gründe für den Vorteil von Perpetuals

Finanzierungsraten und Basiskosten

Ein zentraler technischer Unterschied sind die periodischen Funding-Zahlungen, die Long- und Short-Positionen ausgleichen und so den Perpetual-Preis nahe am Kassapreis halten. Diese Funding-Raten sind ein unmittelbares Markt-Signal über die Angebots- und Nachfragedynamik und erlauben eine effizientere Übertragung von Kosten als klassische Roll-Mechaniken bei termingebundenen Futures. Auf Märkten mit fragmentierter Liquidität können Basis- und Rollkosten traditioneller Futures die kurzfristige Preisfindung verzerren; Perpetuals reduzieren diese Verzerrungen durch kontinuierlichen Ausgleich.

Markttiefe, Slippage und Orderbuch-Konsolidierung

Ein einheitlicher Perpetual-Kontrakt bündelt Orders über die Zeit und reduziert damit die Slippage für größere Aufträge. Für institutionelle Market Maker und algorithmische Strategien können konsolidierte Orderbücher Handelskosten senken und Market-Impact minimieren. Wenn Liquiditätshubs entstehen, schafft dies Netzwerkeffekte: Mehr Volumen zieht mehr Liquidität an, was wiederum engere Spreads und bessere Ausführungsqualität begünstigt.

Frühe Anzeichen: Hyperliquid, HIP-3 und Nasdaq-100-Perps

Permissionless-Experimente gewinnen an Fahrt

Hayes nannte Hyperliquid's HIP-3 als frühes Proof-of-Concept. Er erklärte, HIP-3 habe es einer Firma ermöglicht, einen Nasdaq-100-Perpetual zu emittieren, der inzwischen auf permissionless Infrastruktur signifikante Tagesvolumina aufweist. Dieses Beispiel sowie Pilotprodukte diverser Börsen in Asien und den USA deuten darauf hin, dass sowohl zentralisierte Exchanges als auch dezentrale Protokolle Aktien-Perpetuals listen und substantiellen Orderflow anziehen können.

Pilotprojekte, Marktakzeptanz und technische Infrastruktur

Die Akzeptanz solcher Pilotprodukte hängt von mehreren Faktoren ab: zuverlässige Oracles für Indexpreise, schnelle und kosteneffiziente On-Chain-Abwicklung, sowie Liquiditätsanreize für Maker und Taker. Hyperliquid und ähnliche Projekte demonstrieren, dass technische Hindernisse lösbar sind und dass Protokolle mit angemessenen Anreizstrukturen in kurzer Zeit brauchbare Liquidität generieren können. Wichtig sind zudem Interoperabilität zwischen L1/L2-Netzen und Settlement-Mechanismen, die institutionelle Anforderungen adressieren.

Regulatorische Rückenwinde und Timing des Marktes

Verschiebungen in der US-Politik und globale Nachahmung

Ein Teil von Hayes' These beruht auf einer freundlicheren regulatorischen Haltung. Er wies darauf hin, dass das US-Umfeld nach 2025 unter der aktuellen Administration sandboxartige Derivat-Experimente und klarere Leitlinien zugelassen habe, was andere Jurisdiktionen ermutigt habe, ähnliche Regulierungsrahmen zu prüfen. Nach Jahren intensiver Durchsetzungsmaßnahmen nach prominenten Zusammenbrüchen wie FTX und verstärkter Kontrolle durch die CFTC hat Hayes zufolge die veränderte Linie Plattformen das Vertrauen gegeben, Innovationen mit Aktien-Perpetuals voranzutreiben.

Regulatorische Anforderungen und Aufsichtsfragen

Trotz positiver Signale bestehen weiterhin zentrale regulatorische Fragestellungen: Zulassungsanforderungen für Derivate, Investoren- und Anlegerschutz, Marktmanipulationsprüfungen und grenzüberschreitende Aufsicht. Schwerwiegende Themen sind zudem die Durchsetzung von KYC/AML-Standards auf permissionless Plattformen, Reporting-Anforderungen für große Positionen sowie die Frage, wie Clearingpflichten und Margin-Standards adaptiert werden können. Regulatorische Klarheit wird dabei ein Schlüsselfaktor sein, ob institutionelle Gelder in nennenswertem Umfang in Perpetuals fließen.

Folgen für Börsen, Clearinghäuser und Marktteilnehmer

Anpassen oder Liquidität verlieren

Hayes stellt die Situation für etablierte Marktteilnehmer als eine Frage von Anpassung oder Relevanzverlust dar. Traditionelle Börsen, die es versäumen, Perpetual-artige Produkte zu integrieren oder ihre Clearing-Modelle zu überdenken, könnten erhebliche Liquiditätsabflüsse hin zu Krypto-Börsen und dezentralen Handelsplattformen erleben. Clearinghäuser mit begrenzten Garantiefonds, klassischen Geschäftszeiten und strikten Retail-Beschränkungen könnten Probleme bekommen, gegen die Kapital- und Nutzungs-Effizienz der Perpetual-Strukturen zu bestehen.

Praktische Implikationen für Trader und institutionelle Anleger

Für Trader könnte die Verlagerung bedeuten: einfacherer Zugang zu gehebelter Aktienexposition über Krypto-Plattformen, in manchen Fällen niedrigere erforderliche Anfangsmargen und schnellere Reaktionsfähigkeit auf globale Ereignisse. Für institutionelle Teilnehmer und Aufsichtsbehörden wirft das neue Fragen zu Verwahrung, Abwicklung, Marktüberwachung und systemischem Risiko auf, insbesondere wenn große Derivate auf Benchmarks wie S&P 500 und Nasdaq 100 primär als Perpetual Swaps gehandelt würden.

Operationalisierung auf Seiten der Börsen

Börsen müssten in risk-basierte Margin-Modelle, transparente Liquiditätsindizes, robuste Clearing-Fonds und Echtzeit-Überwachung investieren. Zusätzlich sind Schnittstellen zu traditionellen Verwahrstellen (Custodians) sowie Brücken zu fiat-onramps wichtig, um institutionelle Teilnahme zu erleichtern. Die Etablierung standardisierter Interfaces und Reporting-APIs könnte die Akzeptanz beschleunigen.

On-Chain-Aktivitäten von Hayes und jüngeres Marktverhalten

Persönliche Trades als Marktsignal

Blockchain-Analysen zeigten, dass Hayes nach einem starken Marktrückgang mehrere nennenswerte Positionen in Altcoins liquidierte, obwohl er zuvor angedeutet hatte, langfristig ETH halten zu wollen. Zudem lobte er öffentlich eine Privacy-Coin, die dreistellige Monatsgewinne verzeichnete — ein Hinweis darauf, dass seine Marktaussagen weiterhin Diskussionen in Krypto-Communities prägen. Diese öffentlichen On-Chain-Bewegungen und sozialen Kommentare verleihen Hayes' Prognosen zusätzliches Gewicht, weil sie Theorie und Echtzeit-Handelsverhalten verknüpfen.

Signalwirkung, Erwartungsbildung und Marktpsychologie

Wenn ein bekannter Marktakteur wie Hayes Positionen öffentlich macht oder kommentiert, beeinflusst das sowohl Sentiment als auch Liquiditätsbereitstellung: Market Maker passen Tightness ihrer Spreads an, Arbitrageure reagieren auf neue Preisdisparitäten und Retail-Investoren können ihre Risikoneigung neu kalibrieren. Solche Verhaltensänderungen sind Teil des dynamischen Feedback-Loops, durch den sich neue Marktstrukturen etablieren.

Herausforderungen und offene Fragen

Produktdesign, Indexierung und Oracles

Ob Perpetuals letztlich dominieren, hängt stark vom Produktdesign ab: Wie wird ein sauberer, manipulationsresistenter Index konstruiert? Welche Oracles gewährleisten Preisintegrität? Wie werden Corporate Actions, Dividenden und Index-Neugewichtung abgebildet? Antworten auf diese Fragen sind technisch anspruchsvoll und essenziell, um vertrauenswürdige, skalierbare Aktien-Perpetuals zu schaffen.

Custody, Settlement und Rechtsrahmen

Für institutionelle Adoption sind klare Lösungen für Verwahrung (on-chain vs. off-chain), endgültige Abwicklung (atomic settlement) und ein definierter Rechtsrahmen notwendig. Die Trennung von Verwahrung und Handel, Absicherung gegen Smart-Contract-Risiken sowie Versicherungs- und Rückversicherungslösungen für Custody-Dienste werden entscheidend sein.

Schlussbetrachtung: Ein plausibler Pfad zur 24/7-Preisfindung

Ob Perpetuals letztlich zum dominierenden Venue für Aktien-Derivate werden, hängt von mehreren, miteinander verknüpften Faktoren ab: sauberem Produktdesign, regulatorischer Klarheit und der Fähigkeit sowohl krypto-native als auch etablierte Exchanges, tiefe Liquidität, transparente Risikokontrollen und verlässliche Abwicklung anzubieten. Hayes' These ist provokant, aber nicht undurchführbar: Permissionless Perpetuals, gestützt durch Insurance-Fonds, kontinuierlichen Handel und effiziente Kapitalnutzung, könnten die Orte der Preisfindung für bedeutende Aktienbenchmarks in den nächsten zehn Jahren deutlich verändern.

Quelle: crypto

Kommentar hinterlassen

Kommentare