Kryptomarkt im Rückgang: Zwangsliquidationen und Hebel

Der Kryptomarkt verlor stark, nachdem Zwangsliquidationen etwa 646 Mio. USD an gehebelten Positionen auslöschten. Analyse von Ursachen, Preiswirkung auf Bitcoin und Ethereum, Open Interest, Funding‑Rates und Risikomanagement.

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Kryptomarkt im Rückgang: Zwangsliquidationen und Hebel

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Kryptomarkt rutscht ab, Zwangsliquidationen räumen gehebelte Positionen

Der Kryptomarkt startete die Woche deutlich im Minus: Eine neue Welle von Zwangsliquidationen löschte rund 646 Millionen US-Dollar an gehebelten Trades auf mehreren großen Börsen. Diese Welle des Deleveragings verstärkte die Verluste bei Bitcoin, Ethereum und den meisten großen Altcoins und setzte damit einen scharfen Abwärtstrend fort, der bereits Ende des letzten Monats eingesetzt hatte. Die Dynamik der Liquidationen spiegelte eine Kombination aus dünner Liquidität, konzentrierten Long-Positionen und plötzlichen Verschiebungen der Funding-Rates wider. Für Marktteilnehmer bedeutet das eine erhöhte Volatilität und eine kurzfristig verschärfte Ausrichtung auf Risikomanagement, da sich Marktbewegungen in engen Zeitfenstern schnell verstärken können.

Massive Long-Liquidationen treiben den Verkaufsdruck

Daten von CoinGlass zeigen, dass etwa 90 Prozent des liquidierten Volumens aus Long-Positionen stammten. Die größte einzelne Liquidation war ein ETH‑USDC-Auftrag im Wert von 14,48 Millionen US-Dollar auf Binance. Binance, HyperLiquid und Bybit verzeichneten jeweils Liquidationen von mehr als 160 Millionen US-Dollar, was auf ein konzentriertes Abwickeln von Positionen hindeutet, die während der asiatischen Handelssitzungen aufgebaut worden waren. Solche konzentrierten Long‑Exposures entstehen häufig in Phasen, in denen Trader hohe Leverage-Raten nutzen, um auf kurzfristige Kursgewinne zu setzen. Wenn der Markt jedoch gegen diese Positionen läuft, kann die Kaskade der Zwangsschließungen die Kurse innerhalb weniger Stunden deutlich nach unten drücken, da Stop-Losses ausgelöst und Orderbücher ausgezehrt werden.

Was eine Liquidation auslöst

Eine Liquidation tritt ein, wenn eine Börse die Position eines gehebelten Traders zwangsweise schließt, nachdem die Margin-Anforderungen verletzt wurden und das eingesetzte Kapital teilweise oder vollständig aufgezehrt ist. Technisch gesehen entsteht die Notlage, wenn das Eigenkapital einer Position unter den maintenance margin fällt; die Börse greift dann ein, um Verluste einzudämmen. Kommen zu diesem Mechanismus plötzliche Umkehrungen der Funding-Rate hinzu, dünnt die Marktliquidität weiter aus. Konzentrierte Long-Exposures in Kombination mit einer negativen Hebelwirkung können so eine Kettenreaktion auslösen, bei der Stop-Loss-Orders, Liquidationspenaltys und Marktorders zusammenwirken und die Preise großer Kryptowährungen innerhalb kurzer Zeit nach unten drücken. Zusätzlich spielen Orderbuch-Dicke, Slippage und die Verfügbarkeit von Gegenparteien eine Rolle: In illiquiden Phasen verschärft jede größere Market-Order den Preisrutsch noch weiter.

Preiswirkung: Bitcoin und Ethereum führen den Rückgang an

Während des Verkaufs habe Bitcoin mehr als 5 Prozent verloren und sich in Richtung des Bereichs um 86.000 US-Dollar bewegt. Ethereum fiel über 6 Prozent und wurde nahe 2.815 US-Dollar gehandelt. Beide Assets, die Ende letzter Woche noch Erholungsversuche unternommen hatten, zogen sich wieder auf die unteren Ränder der Spreads vom November zurück. Neben Bitcoin und Ethereum fielen weitere Large‑Cap‑Tokens wie Solana, XRP, Binance Coin und Dogecoin um 4 bis 7 Prozent; Cardano und Lido Staked Ether verzeichneten sogar noch größere Rückgänge. Solche Bewegungen sind typisch für Episoden mit hoher Volatilität: Schlüsselniveaus werden getestet, Liquiditätspools in Limit-Orderbüchern werden ausgelöscht und kurzfristige Anleger (Retail- und institutionelle Trader) werden häufig gezwungen, Positionen zu reduzieren. Gleichzeitig beobachten Marktbeobachter, dass sich Korrelationen zwischen großen Kryptowährungen in solchen Stressphasen verstärken, sodass ein Einbruch bei Bitcoin oft rasch zu Verlusten in anderen Token führt.

Makrofaktoren und Liquiditätsbedenken

Trader und Analysten führen die schnelle Abwärtsbewegung vor allem auf niedrige Marktliquidität und makroökonomische Unsicherheit zurück. Der Markt hat Schwierigkeiten, sich nach einer starken Korrektur Ende November zu stabilisieren, die durch makroökonomische Signale, Abflüsse aus Bitcoin‑ETFs und dünne Volumina am Wochenende verstärkt wurde. Der Crash am Montag folgte dem in den letzten Monaten beobachteten Muster: konzentrierte Long‑Exposures, Veränderungen der Funding-Rate und erzwungene Verkäufe, die innerhalb kurzer Zeiträume große Marktanteile aus dem Markt drücken. Hinzu kommen makroökonomische Indikatoren wie Zinsentscheidungen, Inflationsdaten und institutionelle Kapitalflüsse: Jede negative Überraschung auf diesem Gebiet kann risikoreiche Anlagen belasten und Liquidity‑Provider dazu veranlassen, ihre Spreads zu erweitern oder Positionen zu verringern. Das Zusammenspiel zwischen traditionellen Finanzmärkten, ETF‑Flows und dem Krypto‑Orderbuch macht den Markt anfällig für schnelle Stimmungskipppunkte.

Open Interest und das Säubern von Hebelpositionen

Das Open Interest in den Perpetual‑Kontrakten von Bitcoin und Ethereum ist weiter gesunken, was darauf hindeutet, dass Teile des während der Rallye im Oktober aufgebauten Hebels abgebaut werden. Ein sinkendes Open Interest signalisiert typischerweise, dass Positionen geschlossen oder liquidiert werden und somit ein Teil der zuvor eingegangenen Risiken bereinigt wird. Trader berichten, dass die Positionen nach diesen Liquidationswellen transparenter geworden sind, doch weisen sie darauf hin, dass die intraday‑Volatilität erhöht bleiben wird, solange die Liquidität in der US‑Handelssitzung nicht deutlich zunimmt. Solange große Marktteilnehmer und Market‑Maker in bestimmten Sessions weniger aktiv sind, können Spreads größer und Slippage höher ausfallen. Dieser Prozess des "Leverage Cleaning" ist einerseits gesund, weil er übermäßige Spekulation reduziert; andererseits kann er kurzfristig zu verstärkten Preisschwankungen führen, bis sich ein neues Gleichgewicht einstellt.

Wie Händler reagieren können

Risikomanager empfehlen, die Hebelwirkung zu reduzieren, strengere Risikokontrollen zu verwenden und Funding‑Rates sowie Open Interest genau zu beobachten, um große Zwangsliquidationen zu vermeiden. Disziplinierte Positionsgrößen, Stop‑Loss‑Regeln und Hedging‑Strategien (z. B. gegenläufige Futures‑Positionen oder Optionen) bleiben zentral für jeden, der Krypto‑Derivate handelt. In Phasen ungleichmäßiger Liquidität und makroökonomischer Unsicherheit hilft eine Kombination aus niedrigem Leverage, ausreichender Margin‑Reserve und aktivem Monitoring, das Risiko zu begrenzen. Für professionelle Anleger ist zudem die Diversifikation der Plattformen (Aufteilung des Kapitals auf mehrere Börsen) und die Nutzung von Limit‑Orders statt Market‑Orders ein Mittel, um Slippage zu reduzieren. Außerdem können algorithmische Orderausführungen, die Aufträge in Phasen höherer Liquidität aufteilen, helfen, den Einfluss auf den Marktpreis zu minimieren.

Schlüsselbörsen, die an den Liquidationen beteiligt waren, umfassen Binance, HyperLiquid und Bybit. Marktteilnehmer werden ETF‑Flows, Funding‑Rates und die Liquidität während der US‑Handelssitzung genau beobachten, um Hinweise darauf zu erhalten, ob der Verkaufsdruck nachlässt oder sich weiter fortsetzt. Darüber hinaus behalten institutionelle Investoren und Arbitrage‑Händler Orderbuchdaten, Open Interest und die Konzentration großer Positionen im Blick, da diese Indikatoren oft frühzeitige Signale für potenzielle Stressphasen liefern. Langfristig beeinflussen solche Episoden die Marktstruktur: Sie können dazu führen, dass einige Trader ihre Risikoansätze überdenken, die Rolle von Margin‑Regeln überdacht wird und Börsen ihre Liquidationsmechaniken anpassen, um Systemrisiken zu verringern.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die jüngste Runde von Zwangsliquidationen hat kurzfristig deutliche Abwärtsbewegungen im Kryptomarkt verursacht. Wer in dieser Umgebung aktiv ist — sei es als Retail‑Trader, institutioneller Anleger oder Market‑Maker — sollte Funding‑Rates, Open Interest, die Tiefe des Orderbuchs sowie makroökonomische Nachrichten eng verfolgen. Besonders in Phasen mit niedriger Liquidität können kleine Störungen zu großen Marktbewegungen führen, weshalb ein vorsichtiger Umgang mit Hebelwirkung und ein diszipliniertes Risikomanagement unabdingbar sind.

Quelle: smarti

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