Bong Joon-ho wechselt ins Animationskino: Neuer Film 2027

Bong Joon-ho, Oscar-Preisträger von Parasite, wechselt ins Animationskino: Ein unbetitelter Animationsfilm über Menschen und kleine Meereskreaturen ist für 2027 geplant. Hintergründe zur Produktion, Technik und Branche.

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Bong Joon-ho wechselt ins Animationskino: Neuer Film 2027

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Vom Vorsitz im Marrakesch-Jury zum Animationsregisseur

Bong Joon-ho — der Oscar-prämierte Regisseur von Parasite — hat sich still und leise einer neuen, mutigen Herausforderung gestellt: Er übernimmt die Regie eines noch unbetitelten Animationsfilms, der für 2027 geplant ist. Während seiner Amtszeit als Jurypräsident beim Marrakech International Film Festival enthüllte er, dass seine Vormittage jetzt der Animationsproduktion gehören. Frühmorgens, lange bevor die Festivalaktivitäten beginnen, steht Bong in seinem Hotelzimmer auf, um an Animationsentwürfen zu arbeiten. Dieses Gleichgewicht zwischen offiziellen Festivalpflichten und der detailreichen, zeitintensiven Arbeit der Animation beschrieb er selbst als „wild und zermürbend“.

Die Nachricht markiert eine bemerkenswerte Verschiebung in der Karriere eines etablierten Auteur-Filmemachers. Bong, dessen Filme wie The Host, Snowpiercer und Parasite ein Spektrum von Genre, Sozialkritik und emotionaler Schärfe zeigen, wagt damit den Schritt in ein Medium, das technisch und prozessual erhebliche Unterschiede zum Live-Action-Film aufweist. Für Kritiker und Fans gleichermaßen ist dies ein spannendes Signal: Ein Regisseur mit hoher Reputation erkundet die Möglichkeiten von Animationsfilm und erweitert damit sein kreatives Repertoire.

Sein Alltag während des Festivals offenbart auch etwas über moderne Produktionsrealitäten: Regisseure müssen heute oft mehrere Hüte tragen — Juryarbeit, Presseauftritte, Meetings mit Produzenten — und parallel dazu kreative Produktionsphasen managen. Bongs Bereitschaft, morgens vor dem offiziellen Programm an Animationssequenzen zu feilen, unterstreicht seinen hands-on-Ansatz und zeigt, wie sehr ihm die künstlerische Kontrolle am Herzen liegt. Gleichzeitig erinnert es daran, dass Animationsfilme, obwohl sie „gezeichnet“ oder computergeneriert erscheinen, oft genauso — oder noch stärker — regiefokussiert sind wie konventionelle Kinoproduktionen.

Was wir über das Projekt wissen

Obwohl Bong weitgehend zurückhaltend bleibt und wenige konkrete Details preisgibt, bestätigte er einen interessanten erzählerischen Kern: Der Film wird eine ungewöhnliche, verspielte Beziehung zwischen Menschen und winzigen, mysteriösen Kreaturen thematisieren, die in den Tiefen des Ozeans leben. Diese Prämisse weckt sofort filmhistorische Assoziationen — von den poetischen Meereswelten eines Finding Nemo bis zur aquatischen Liebesgeschichte in Guillermo del Toros The Shape of Water — doch Bongs erzählerische Handschrift verspricht etwas Fremderes und Dunkleres, dabei aber emotional präzise und sozial reflektiert.

Wichtig für die Einschätzung des Projekts sind mehrere Aspekte: Zum einen die thematische Ausrichtung. Bongs frühere Arbeiten zeigen ein starkes Interesse an sozialen Hierarchien, Umweltfragen und moralischer Ambivalenz; es ist plausibel, dass der neue Animationsfilm diese Motive neu verhandelt — diesmal mit der Metapher des Meeres und den Beziehungen zwischen Mensch und Nicht-Mensch. Zum anderen die gestalterische Frage: Welche Animationsästhetik wird Bong wählen? Möglich sind verschiedene Herangehensweisen — fotorealistische CGI, stilisierte 2D-Animation, Puppen- oder Stop‑Motion-Technik oder eine hybride Form — und jede Wahl würde die Erzählung auf unterschiedliche Weise prägen.

Auch das Figuren- und Creature-Design wird zentral sein. Kleine, rätselhafte Meeresbewohner bieten naturnahe wie phantastische Referenzen: Biolumineszenz, ungewöhnliche Morphologien und Bewegungsmuster des Meereslebens könnten visuell faszinierende Ausgangspunkte liefern. Zugleich eröffnet die Entscheidung für winzige Kreaturen narrative Möglichkeiten, um Machtverhältnisse, Kommunikation über Speziesgrenzen hinweg und Empathie zu thematisieren. In Verbindung mit Bongs Neigung zu sozialer Satire und emotionaler Tiefe könnte daraus ein Animationsfilm werden, der sowohl visuell eigenständig als auch thematisch vielschichtig ist.

Was die Produktionspartner angeht, nennt Bong bislang keine Studios oder technischen Teams, doch die Komplexität eines internationalen Animationsfilms deutet auf eine Zusammenarbeit mit erfahrenen Animationshäusern, Visual-Effects-Schmieden und etablierten Produzenten hin. Solche Kooperationen sind heute oft grenzüberschreitend: Kreative Teams, Render-Farmen und Sounddesigner können sich über mehrere Länder erstrecken, insbesondere wenn der Film für ein weltweites Publikum vorgesehen ist. Angesichts Bongs Reputation dürfte der Produktionszeitraum ausgedehnt, die technische Ausstattung hochklassig und die Förderung durch internationale Fördergeber oder Streaming-Plattformen wahrscheinlich sein.

Hinter den Kulissen: die schwere Arbeit der Animation

Animation ist ein anderes Tier als Live-Action-Produktionen. Sie verlangt lange Vorlaufzeiten, Frame-für-Frame-Entscheidungen und eine enge, iterative Zusammenarbeit zwischen Drehbuchautor:innen, Konzeptkünstler:innen, Layout-Teams, Animatoren, Rigging‑Spezialist:innen, Beleuchtern und Sound-Designern. Während ein konventioneller Spielfilm viele Entscheidungen am Set und in der Postproduktion trifft, verlagert die Animation diese Entscheidungen oft in die Planungs- und Visualisierungsphase: Storyboards und Animatics geben das Timing vor, jede Bewegung wird in Keyframes und Inbetweens übersetzt, und visuelle Feinheiten wie Lichtführung oder Materialeigenschaften müssen früh definiert werden.

Bongs Bemerkung, dass er aus seinem Hotelzimmer gearbeitet habe, ist kein bloßes Anekdötchen — sie zeigt, wie stark Regiearbeit in der Animation in Detailgestaltung und kontinuierliche Überprüfung eingebunden ist. Regisseur:innen müssen Modelle überprüfen, Bewegungsabläufe absegnen, Dialogtakes mit Animation abgleichen und Sound- beziehungsweise Musikideen früh integrieren. In vielen Fällen entstehen mehrere Iterationsschleifen für gleiche Szenen, bis Timing, Emotionalität und inhaltliche Wirkung zusammenpassen.

Technisch betrachtet beinhaltet die Pipeline eines modernen Animationsfilms mehrere zentrale Stationen: Konzept- und Figurenentwicklung, Storyboard, Animatic (zeitlich abgestimmte Rohversionen), 3D-Modellierung oder Zeichnungs-Assets, Rigging (Skelett- und Steuerungssysteme für Figuren), Animation (Keyframes und Interpolation), Shading und Texturierung, Beleuchtung, Rendering und schließlich Compositing. Parallel laufen die Arbeiten am Sound: Sprachaufnahmen, Foley, Sounddesign und Filmmusik. Jede Phase kann Monate beanspruchen; Rendering wiederum ist rechenintensiv und erfordert leistungsfähige Infrastruktur.

Darüber hinaus sorgt die enge Verzahnung von künstlerischen und technischen Teams für organisatorische Herausforderungen. Producer müssen Budgets, Zeitpläne und Qualitätsansprüche ausbalancieren, während Regisseur:innen kreative Visionen durchsetzen. Studios und Produzenten erwarten klare Meilensteine, insbesondere wenn große Fördermittel oder internationale Partner beteiligt sind. Für Bong heißt das, dass er nicht nur künstlerische Entscheidungen trifft, sondern auch Produktionsabläufe managen und mit technischen Leiter:innen, VFX-Supervisor:innen und Finanzverantwortlichen verhandeln muss.

Für die internationale Präsentation des Films sind Übersetzung, Synchronisation und kulturelle Adaption relevante Punkte. Animationsfilme mit universellen Themen und starken visuellen Konzepten lassen sich in der Regel gut global vermarkten, doch subtile kulturelle Nuancen, sprachliche Witze oder gesellschaftliche Anspielungen müssen für unterschiedliche Märkte bedacht werden. Auch das ist Teil der großen logistischen Herausforderung eines Animationsprojekts.

Kontext: Ein Regisseur erfindet sich neu in Zeiten des Wandels

Bongs Schritt in die Animation fällt in eine Zeit rasanter technologischer Veränderungen in der Filmbranche. Auf der Marrakesch-Jury saß er in einem vielfältigen internationalen Gremium mit Persönlichkeiten wie Celine Song, Anya Taylor-Joy, Jenna Ortega, Karim Aïnouz, Hakim Belabbas, Julia Ducournau und Peyman Maadi. In Gesprächen mit Kolleg:innen und Journalist:innen wies er darauf hin, dass aufstrebende Regisseure heute vor neuen Herausforderungen stehen, wobei er insbesondere künstliche Intelligenz als potenziell gravierenden Umbruch nannte.

Seine Position dazu war ambivalent: Einerseits erkannte Bong die Gefahren für kreative Arbeitsprozesse, Urheberrechte und Arbeitsplätze in der Filmproduktion an; andererseits sah er in Krisen und technologischen Umbrüchen auch traditionelle Motoren künstlerischer Erneuerung. Historisch betrachtet haben ökonomische und technologische Spannungen das Kino wiederholt zu neuen Formen und Erzählweisen gezwungen. Im besten Fall könne KI dazu beitragen, bestimmte technische Hürden zu senken, neue visuelle Ästhetiken zu ermöglichen und kreative Experimente zu erleichtern — gleichzeitig erhöhe sie aber den Druck auf die Berufsbilder in der Branche und stelle Fragen zur Autorschaft.

Diese Debatten sind nicht nur abstrakt: In der Animationsproduktion tauchen KI‑Tools derzeit in Konzeptphasen, bei der Generierung von Referenzbildern, in der VFX‑Optimierung oder bei der Audio‑Bearbeitung auf. Das kann die Arbeit beschleunigen, aber auch standardisieren und damit die Rolle kreativer Handarbeit reduzieren. Bongs halb ernst gemeinter Witz, ein Team zur „Zerstörung von KI“ aufzustellen, spiegelte jene Mischung aus Frustration und trockenem Humor wider, die viele Filmschaffende angesichts der Veränderungen empfinden.

Für das filmische Werk selbst heißt diese Situation, dass ästhetische Entscheidungen stärker in einen gesellschaftlichen und technologischen Kontext eingebettet werden. Bongs Film, so zu erwarten, wird nicht nur eine Geschichte über Menschen und Meereskreaturen erzählen, sondern auch — implizit oder explizit — Fragestellungen über Produktion, Kontrolle, Beobachtung und Empathie transportieren. Die Kombination aus Creature Design, sozialer Beobachtung und moralischer Komplexität, die Bongs Werk charakterisiert, könnte sich im Medium Animation auf überraschende Weise entfalten.

Für Cineasten bedeutet das Projekt mehrere spannende Perspektiven: die Neudefinition eines etablierten Regisseurs, das Potenzial für visuelle Innovation im Animationsbereich, und die öffentliche Auseinandersetzung mit den technologischen Umwälzungen der Branche. Erwartet werden kann ein Werk, das sich handwerklich deutlich von Bongs bisherigen Filmen unterscheidet, zugleich aber in Ton, Schärfe und thematischer Tiefe seine Handschrift tragen dürfte. Ob der Film schließlich als 2D‑Poem, CGI‑Epik oder Hybrid erscheinen wird, bleibt abzuwarten — die Vorfreude besteht vor allem darin, wie Bong die erzählerischen Möglichkeiten des Meeres und seiner kleinen Bewohner nutzen wird, um zeitgenössische Fragen zu spiegeln.

Abschließend ist zu sagen: Dieses Projekt ist kein bloßer Genrewechsel, sondern Teil einer größeren Entwicklung, in der Regisseur:innen ihre künstlerischen Grenzen testen, neue Produktionsmodelle erproben und auf die Herausforderungen einer digitalisierten Filmwirtschaft reagieren. Bongs Animationsfilm für 2027 ist daher sowohl ein individuelles Experiment eines renommierten Filmemachers als auch ein Indikator für die sich wandelnde Landschaft des globalen Filmschaffens.

Quelle: smarti

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