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Huawei berichtet, dass sein eigenentwickeltes Betriebssystem HarmonyOS eine wichtige Schwelle überschritten hat: mehr als 27 Millionen aktive Geräte, die HarmonyOS 5 und HarmonyOS 6 zusammen ausführen. Das Unternehmen bezeichnet diese Zahl als seine „Überlebenslinie“ — die minimale Größenordnung, die es nach eigener Einschätzung braucht, um Entwickler bei der Stange zu halten und das Ökosystem weiter wachsen zu lassen.
Warum die 27‑Millionen‑Marke wichtig ist
Auf den ersten Blick wirkt die Zahl wie eine einfache Nutzerstatistik. Bei näherer Betrachtung wird sie jedoch zum strategischen Indikator. HarmonyOS entstand aus der Notwendigkeit heraus, nachdem US‑Sanktionen Huaweis Zugang zu Google‑Diensten eingeschränkt hatten. Seitdem migriert das Unternehmen schrittweise seine Hardware auf eine eigene Softwareplattform — ein Prozess, der inzwischen weniger wie ein Experiment und mehr wie eine strukturelle Neuausrichtung anmutet.
Huawei betont mehrere Anzeichen für Dynamik: eine große und wachsende Entwicklerbasis, stabile tägliche Geräteaktivierungen und ein hohes Maß an App‑Aktivität. Diese Indikatoren begründen, warum Huawei die 27 Millionen nicht nur als Meilenstein wertet, sondern als eine Art Mindestbasis für langfristige Tragfähigkeit des Ökosystems.
Zur Einordnung nennt das Unternehmen konkrete Kennzahlen, die das Wachstum und die Attraktivität der Plattform untermauern. Diese Kennzahlen liefern wichtige Hinweise darauf, wie schnell ein alternatives Betriebssystem zu einem funktionalen Ökosystem mit Drittanbieter‑Apps und dauerhaftem Nutzerinteresse reifen kann.
- Registrierte Entwickler: über 10 Millionen
- Tägliche Geräteaktivierungen: mehr als 100.000 neue Geräte
- Tägliche App‑Downloads und Updates: etwa 88 Millionen
Solche Größenordnungen sind deshalb relevant, weil der Wert eines Betriebssystems stark von den darauf laufenden Apps und Diensten abhängt. Je mehr Entwickler und Nutzer beteiligt sind, desto leichter lassen sich Drittanbieter‑Apps gewinnen und ein vollwertiges Ökosystem aufbauen, das Nutzern echten Mehrwert bietet — von Gerätekopplung über plattformübergreifende Dienste bis hin zu speziell optimierten Anwendungen für Huawei‑Hardware.
Aus Entwicklersicht bedeutet eine kritische Masse an Geräten eine höhere Aussicht auf Monetarisierung und Reichweite. Für Endnutzer wiederum wächst die Attraktivität einer Plattform, wenn sie eine breite Auswahl an Anwendungen, regelmäßige Updates und verlässlichen Support bietet. Diese Rückkopplungsschleife — mehr Nutzer ziehen mehr Entwickler an, und mehr Entwickler ziehen mehr Nutzer an — ist für die langfristige Gesundheit eines Betriebssystems zentral.
Hinzu kommen infrastrukturelle Faktoren: Ein eigenständiges Betriebssystem ermöglicht Huawei, enger integrierte Dienste zu entwickeln, die über Geräteklassen hinweg funktionieren — Smartphones, Foldables, Laptops, Wearables und Smart‑Home‑Geräte. Eine kohärente Software‑Strategie kann außerdem die Abhängigkeit von externen Plattformanbietern senken, wodurch Huawei mehr Kontrolle über Update‑Zyklen, Datenschutzrichtlinien und gerätespezifische Optimierungen erhält.
HarmonyOS 6 und Produktdynamik
HarmonyOS 6 wurde Entwicklern im Juni 2025 bereitgestellt und begann im Oktober desselben Jahres schrittweise in China an Verbraucher verteilt zu werden. Das Update brachte zahlreiche Verbesserungen, die vor allem auf die tägliche Geräteinteraktion abzielten — etwa ein Dateiübertragungswerkzeug, das häufig mit Apples AirDrop verglichen wird. Solche Alltagsdienste wirken als Klebstoff, der Nutzer in ein geschlossenes, plattformübergreifendes Erlebnis auf Huawei‑Geräten integriert.
Die Funktionspalette von HarmonyOS 6 umfasst neben vereinfachten Dateifreigaben auch Optimierungen bei Multitasking, Energiemanagement, Gerätesynchronisation und Nutzeroberfläche. Durch die Fokussierung auf eine nahtlose Interaktion zwischen verschiedenen Gerätetypen verfolgt Huawei das Ziel, ein konsistentes Nutzererlebnis zu schaffen, das sich über Smartphones, Foldables, Laptops und IoT‑Produkte erstreckt. Technisch setzt Huawei dabei laut eigenen Angaben auf Konzepte wie verteilte Softwarearchitektur, effizientes Ressourcenmanagement und APIs für nahtlose Interoperabilität — Ansätze, die Entwicklern helfen sollen, Apps für mehrere Gerätetypen mit geringem Mehraufwand bereitzustellen.
Marktforschung liefert handfeste Hinweise auf diese spürbare Dynamik: Counterpoint Research berichtete, dass HarmonyOS im zweiten Quartal 2025 in China etwa 17 % des Smartphone‑Betriebssystemmarktes hielt, damit leicht vor iOS mit 16 % und hinter Android mit rund 66 %. Solche Marktanteile signalisieren, dass HarmonyOS im chinesischen Markt bereits eine relevante Größe erreicht hat, die das Interesse von OEMs, Entwicklern und Handelspartnern verstärkt.
Parallel dazu zeigt sich Huaweis Hardware‑Erholung in China: Daten von BCI (Bureau of China Industry) deuteten darauf hin, dass Huawei Ende November und Anfang Dezember 2025 kurzzeitig wieder die Spitzenposition unter den Smartphone‑Anbietern einnahm, begünstigt durch eine starke Nachfrage nach der Mate‑80‑Serie. Dieses Zusammenspiel aus starker Hardware‑Nachfrage und systemeigener Softwarelieferung verstärkt die Position Huaweis in seinem Heimatmarkt und erhöht die Chance, Nutzer in ein geschlossenes, plattformzentriertes Ökosystem zu ziehen.
Wichtige strategische Implikationen ergeben sich daraus: Wenn neuere Geräte ausschließlich mit HarmonyOS ausgeliefert werden, verfolgt Huawei eindeutig einen Ansatz, der eine höhere Autarkie gegenüber ausländischen Plattformanbietern anstrebt. Eine solche Strategie reduziert die Abhängigkeit von externen Services und schafft gleichzeitig klarere Upgrade‑ und Bindungspfade für Nutzer, die sich für Huawei‑Geräte entscheiden. Anwender, die ihr Smartphone, Tablet, Laptop und Smart‑Home‑Zubehör innerhalb eines kompatiblen Ökosystems betreiben, profitieren von einer stärkeren Integration und oft einfacheren Nutzerprozessen.
Dennoch bleibt die Frage offen, ob HarmonyOS langfristig zu einem globalen Herausforderer von Android oder iOS werden kann. Bislang konzentriert sich die Entwicklung und das Wachstum stark auf China, wo Huaweis Marke, Vertriebskanäle und privater Kundenzugang dem Unternehmen die besten Voraussetzungen bieten, um schnell zu skalieren. Die 27‑Millionen‑Marke garantiert keinen weltweiten Durchbruch, sie markiert jedoch einen Wendepunkt in Huaweis Bestreben, einen größeren Anteil seiner Software‑Strategie selbst zu kontrollieren und eine nachhaltigere Plattformunabhängigkeit aufzubauen.
Aus technischer Perspektive bleibt die Akquise von Entwicklerinteresse und qualitativ hochwertigen Apps ein kritischer Erfolgsfaktor. Huawei investiert daher weiter in Entwicklerprogramme, App‑Portierungstools und Monetarisierungsoptionen, um Drittanbieter für die Plattform zu gewinnen. Gleichzeitig ist die Nutzererfahrung ein zentraler Wettbewerbsparameter: Wenn HarmonyOS mit stabilen Updates, guter App‑Kompatibilität und innovativen geräteübergreifenden Funktionen punktet, steigt die Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften Nutzerzuwachses.
Weitere Herausforderungen sind internationaler Natur: Lizenzfragen, lokale App‑Ökosysteme, Kooperationen mit Betreibern und regulatorische Anforderungen können die Expansion in andere Regionen verlangsamen. Zudem müssen Drittentwickler in Märkten außerhalb Chinas überzeugt werden, ihre Apps zu portieren oder nativ für HarmonyOS zu entwickeln. Das ist möglich, aber es erfordert Zeit, verlässliche Anreize und technische Unterstützung seitens Huawei.
Insgesamt zeigt die Entwicklung, dass HarmonyOS in China mittlerweile eine ernstzunehmende Alternative darstellt. Die Plattform hat mit 27 Millionen aktiven Geräten eine kritische Basis erreicht, die ihr erlaubt, weiter in Erfahrung, Stabilität und App‑Vielfalt zu investieren. Wie schnell und erfolgreich diese Bemühungen international Früchte tragen, hängt von einer Kombination aus technischer Reife, Entwicklerattraktivität, Marktpartnerschaften und geopolitischen Rahmenbedingungen ab.
Für Beobachter und Marktteilnehmer ist es daher sinnvoll, sowohl die quantitativen Kennzahlen als auch qualitative Fortschritte zu berücksichtigen: Wachstum bei registrierten Entwicklern, tägliche Aktivierungsraten, App‑Download‑Zahlen und die Leistungsfähigkeit der Geräte‑Hardware sind gemeinsam aussagekräftiger als jede einzelne Kennzahl für sich.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die 27‑Millionen‑Marke mehr ist als ein PR‑Erfolg: Sie ist ein Indiz für die zunehmende Reife eines Ökosystems, das sich von einer Notlösung hin zu einer eigenständigen Plattform entwickeln will. Ob HarmonyOS dabei zum globalen Wettbewerber wird oder primär in regionalen Märkten wie China eine starke Position behauptet, wird sich in den kommenden Jahren entscheiden.

Solche Zahlen sind für Analysten, Entwickler und Endkunden gleichermaßen relevant: Sie zeigen, dass Huawei mit HarmonyOS einen ernstzunehmenden Versuch unternimmt, ein geschlossenes, plattformübergreifendes Erlebnis zu schaffen, das von Smartphones bis zu IoT‑Geräten reicht. Wer die Entwicklung weiter beobachten möchte, sollte neben Nutzerzahlen auch die Qualität der App‑Ökosysteme, die Geschwindigkeit der Updates und die strategischen Partnerschaften im Auge behalten.
Quelle: gizmochina
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