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Krypto-Markt rutscht ab, da Makro- und Derivate-Risiken zusammenlaufen
Der globale Krypto-Markt verlor am 26. September an Schwung: Die Gesamtkapitalisierung fiel binnen 24 Stunden um mehr als 2 % auf rund 3,85 Billionen US-Dollar. Bitcoin sank unter die Marke von 109.000 US-Dollar, als sich gestaffelte Liquidationen und erneute makroökonomische Unsicherheit häuften und Anleger verstärkt in sichere Anlagen flüchteten. In den Berichten wurden Liquidationen von über 1,2 Milliarden US-Dollar in den vergangenen 24 Stunden ausgewiesen, wobei gehebelte Long-Positionen am stärksten betroffen waren. Diese Zwangsverkäufe verstärkten den Kursrückgang bei vielen wichtigen Token und erhöhten kurzfristig die Volatilität auf allen Marktsegmenten.
Tagesbewegungen: Bitcoin und wichtige Altcoins
Nach Daten von CoinGecko notierten nur etwa zehn der Top‑100-Token nach Marktkapitalisierung am Tag im Plus. Benchmark-Altcoins wie BNB und Solana verloren intraday mehr als 4 %, während Bitcoin und Ethereum ebenfalls zweistellige Basispunkte bis zu mehreren Prozentpunkten einbüßten. Auf Sieben-Tage‑Sicht lag Bitcoin mehr als 6,5 % im Minus, während andere Large‑Cap‑Coins — darunter ETH, XRP und Dogecoin — in bestimmten Fällen sogar zweistellige Wochenverluste verzeichneten. Dieses Verkaufsvolumen verschlechterte bereits fragile Marktstimmungen zusätzlich und reduzierte die Liquidität vor allem in den Derivatemärkten, wo enge Spreads und geringere Tiefe Preisbewegungen stärker verstärken.
Was trieb den Markt nach unten?
Mehrere zusammenfallende negative Faktoren lösten den heutigen Ausverkauf aus, die sich gegenseitig verstärkten und Marktteilnehmer zu Risikoaversion veranlassten:
- Neue Zollerklärungen: Der US‑Präsident kündigte neue Zölle an, die Branchen wie Pharma, schwere Lkw, Renovierungszubehör und Möbel betreffen. Solche Maßnahmen führen oft zu erhöhten Unsicherheiten in den globalen Lieferketten und schüren Befürchtungen über eine Eskalation protektionistischer Schritte. Händler interpretierten die Ankündigung schnell als möglichen Auslöser für ein breiteres wirtschaftliches Abkühlen, was zu Risiko‑Off‑Positionierungen in Aktien, Rohstoffen und auch in risikoreichen Krypto‑Assets führte.
- Falkenhafte Fed‑Äußerungen: Fed‑Chef Jerome Powell signalisierte Zurückhaltung bei Zinssenkungen, und weitere Vertreter der Notenbank — darunter Beth Hammack und Austan Goolsbee — betonten ebenfalls Vorsicht bei Anpassungen der Geldpolitik. Diese restriktive Rhetorik senkte die Wahrscheinlichkeit kurzfristiger Zinssenkungen und reduzierte damit die Attraktivität renditesuchender und hochriskanter Anlagen wie Kryptowährungen, deren Kursdynamik oft sensitiv auf realzins‑ und geldpolitische Signale reagiert.
- Volumen an Derivateverfällen: Rund 22,3 Milliarden US‑Dollar an Krypto‑Optionen sollten zum Quartalsende verfallen, davon etwa 17,06 Milliarden US‑Dollar in Bitcoin‑Kontrakten auf Deribit. Große Verfallsereignisse bündeln häufig die Preisbewegung um sogenannte "Max‑Pain"‑Niveaus — in diesem Zyklus wurde der Strike von 110.000 US‑Dollar als zentraler Bezugspunkt genannt. Solche Konstellationen können zu zielgerichteter Marktbewegung führen, wenn Marktteilnehmer und Händler ihre Positionen vor dem Verfall anpassen.
Optionsverfall und Max Pain: Warum das jetzt wichtig ist
Der Optionsverfall kann kurzfristig starke Schwankungen auslösen. Mit zunehmender Nähe zum Verfallszeitpunkt tendiert der Markt dazu, den Basiswert in Richtung jenes Strike‑Preises zu bewegen, bei dem die größte Zahl an Optionen wertlos ausläuft — das sogenannte "Max Pain"‑Level. Für diesen Verfall konzentrierte sich die bärische Exposure zwischen 95.000 und 110.000 US‑Dollar. Sollte Bitcoin den Bereich um 110.000 US‑Dollar bis zum Verfallszeitstempel von 08:00 UTC nicht zurückerobern, würden Put‑Inhaber anteilig stärker profitieren. Marktbeobachter schätzten, dass dies potenziell rund 1 Milliarde US‑Dollar an Abwärtsdruck auf den Kurs ausüben könnte, da Absicherungen und Schließungen von Positionen zusätzliche Verkaufsvolumina freisetzen würden.

Derivate‑Dynamiken verstärken Bewegungen
Treffen große Verfälle auf schwache makroökonomische Signale, verflüchtigt sich die Liquidität schnell und Kursausschläge können überproportional ausfallen. Market‑Maker und Options‑Seller betreiben dynamische Hedging‑Strategien: Bei schnellen Kursbewegungen sind sie gezwungen, ihre Hedges auf Spot‑ und Futures‑Märkten anzupassen. Diese Rebalancing‑Trades erzeugen zusätzliche Nachfrage oder Angebotswellen, die Verkaufsdruck verstärken und in Kombination mit gehebelten Positionen zu Liquidationsketten führen können. Solche Prozesse sind technisch erklärbar — sie basieren auf Delta‑Hedging, Margin‑Anforderungen und automatischen Risikomanagementmechanismen — und sie verstärken kurzfristig Bewegungen jenseits der fundamentalen Nachrichtenlage.
Sentiment: Angst ersetzt Gier
Die Marktstimmung verschlechterte sich deutlich: Der Crypto Fear & Greed Index fiel in den "Fear"‑Bereich und notierte bei 29, nachdem er zuvor ein monatliches Hoch nahe 73 erreicht hatte. Saisonale Muster tragen zusätzlich zur Unsicherheit bei — der September war historisch gesehen ein schwacher Monat für Bitcoin. Coinglass‑Analysen zeigen, dass die durchschnittlichen und medianen Renditen von Bitcoin im September bei etwa −3 % liegen und der Token acht der letzten zwölf September‑Monate mit einem Monatsverlust abgeschlossen hat. Solche historischen Hinweise prägen das kurzfristige Positionierungsverhalten vieler Händler und Fonds, die in Erwartung erhöhter Rückschläge defensiver agieren oder Gewinne realisieren.
Liquidationen: der unmittelbare technische Treiber
Liquidationen waren eine der unmittelbaren Ursachen für den heutigen Einbruch. CoinGlass meldete mehr als 1,2 Milliarden US‑Dollar an Gesamtliquidationen innerhalb der letzten 24 Stunden, davon entfielen rund 1,1 Milliarden US‑Dollar auf Long‑Positionen. Wenn gehebelte Longs zwangsweise glattgestellt werden, entstehen zusätzliche Verkaufsaufträge, die in ohnehin angespannten Märkten schnell zu größeren Kursrückgängen führen können. Diese Zwangsschließungen erzeugen kurzfristige Rückkopplungseffekte: sinkende Kurse führen zu weiteren Margin‑Calls, die wiederum weitere Liquidationen nach sich ziehen, bis die Volatilität sich beruhigt hat oder externe Liquidität nachfließt. Solche Kaskadeneffekte sind typisch für Regionen mit hoher Hebelwirkung in Futures‑ und Margin‑Märkten.
Worauf Händler jetzt achten sollten
Wichtige Marken und Indikatoren, die kurzfristig beobachtet werden sollten, umfassen insbesondere Bitcoins Fähigkeit, das Niveau von 110.000 US‑Dollar zurückzuerobern und dort zu halten, das Ergebnis des Optionsverfallsfensters, mögliche weitere Änderungen im Fed‑Diskurs oder in der US‑Handelspolitik sowie die Geschwindigkeit weiterer Liquidationen. Ergänzend liefern On‑Chain‑Indikatoren wie Nettozuflüsse/abflüsse in Börsen, Wallet‑Nettobewegungen zu großen Adressen, Open Interest in Futures und Funding‑Raten frühe Signale für sich wieder aufbauende Hebel‑Positionen. Ein positives Zeichen wäre etwa ein Rückgang des Open Interest kombiniert mit stabilisierenden Funding‑Raten und einer Akkumulation durch langfristige Wallets, während umgekehrte Muster auf erneuten Abwärtsdruck hinweisen können.
Für Anleger bleibt ein diszipliniertes Risikomanagement zentral: Positionsgrößen begrenzen, Stop‑Loss‑Regeln beherzigen und Korrelationen zu traditionellen Märkten im Blick behalten. Kurzfristige Trader müssen besonders auf Liquiditätsniveaus in Orderbüchern achten und beachten, dass bei starken Moves Slippage und Ausführungsrisiken zunehmen. Institutionelle Investoren sollten zusätzlich Szenarioanalysen durchführen, um die Auswirkungen von makroökonomischen Schocks, Politikänderungen oder massiven Verfallsereignissen auf bestehende Portfoliopositionen abzuschätzen und gegebenenfalls Hedge‑Strategien anzupassen.
Kurz zusammengefasst spiegelt der heutige Rückgang eine Kombination aus makroökonomischem Politik‑ und Handelsrisiko, konzentrierten Derivateverfällen und erzwungener Deleveraging‑Aktivität wider. Solange die makroökonomische Unsicherheit anhält oder große Verfallsereignisse noch nicht abgearbeitet sind, ist mit erhöhter Volatilität im Krypto‑Sektor und einer stärkeren Korrelation zu traditionellen Risikoassets zu rechnen. Anleger und Händler sollten daher sowohl makroökonomische Nachrichten als auch Derivatemetriken engmaschig verfolgen und ihre Risikoexposition entsprechend steuern.
Quelle: crypto
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