Wintermute bestreitet Klagegerüchte nach Crash auf Binance

Evgeny Gaevoy von Wintermute weist Gerüchte über eine Klage gegen Binance nach dem Crash am 11. Oktober zurück. Der Artikel analysiert Verluste, mögliche Mechaniken des Crashs, Binances Reaktionen und Lehren für Händler und Institutionen.

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Wintermute bestreitet Klagegerüchte nach Crash auf Binance

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Wintermute-Gründer weist Klagegerüchte nach Crash am 11. Oktober zurück

Der Gründer und CEO von Wintermute, Evgeny Gaevoy, hat Online-Behauptungen zurückgewiesen, wonach der Marktmacher Binance nach Verlusten infolge des massiven Krypto-Marktabsturzes am 11. Oktober verklagen wolle. In einem Beitrag vom 4. November bekräftigte Gaevoy, dass Wintermute normal operiere und aktuell keine Pläne bestehen, rechtliche Schritte gegen Binance einzuleiten. Seine Reaktion richtete sich ausdrücklich gegen Gerüchte, Falschinformationen und Spekulationen, die in sozialen Netzwerken kursieren und sowohl Gegenparteien als auch Kunden verunsichern können.

Was die Gerüchte auslöste

Die Spekulationen begannen, als ein Kommentar-Account mit dem Namen WhalePump Reborn, der rund 14.000 Follower hat, einen Thread veröffentlichte und behauptete, Wintermute wolle Binance wegen angeblich «hunderten Millionen» Verlusten aus dem 19-Milliarden-Dollar-Marktverkauf verklagen. Der Thread warnte davor, dass die Situation eskalieren könnte, falls Binance-Gründer Changpeng Zhao Marktteilnehmer, die durch den Crash geschädigt wurden, nicht entschädige, und zog Vergleiche zur FTX-Krise. Solche Vergleiche verstärken die mediale Resonanz und führen zu intensiver Untersuchung durch Marktteilnehmer, Analysten und Regulierer.

Gaevoy reagierte direkt auf den Thread und bezeichnete die Anschuldigungen als «LARP» (Live Action Role Play) — ein gängiger Ausdruck in der Kryptoszene, der auf inszenierte oder spekulative Behauptungen hinweist. Er wies klar darauf hin, dass Wintermute keine Absicht habe, Binance zu verklagen, und zitierte einen früheren Beitrag aus der unmittelbaren Nachphase des Crashs, in dem er erklärte, das Unternehmen sei «völlig in Ordnung, Business as usual». Diese öffentlich geäußerte Beruhigung diente offenbar dazu, Vertrauen bei Liquiditätsabnehmern und Gegenparteien zu stabilisieren.

Vorwürfe von NDA-Vereinbarungen und koordinierter Klage

Später behauptete WhalePump Reborn, Gaevoy könnte eine Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA) mit Binance unterzeichnet haben, falls Entschädigungsforderungen gestellt worden wären, und unterstellte, Wintermute arbeite mit anderen Market Makern zusammen, um eine Sammelklage zu koordinieren. Gaevoy wies diese Vorwürfe zurück und bestritt sowohl den Abschluss einer NDA als auch koordinierte rechtliche Maßnahmen mit anderen Marktteilnehmern. Solche Anschuldigungen werfen Fragen zu Geheimhaltungspraktiken und Gegenparteienunterstützung auf, sind aber ohne belastbare Beweise spekulativ.

Was wir über die Verluste von Wintermute wissen

Gaevoy räumte ein, dass Wintermute während des Crashs am 11. Oktober ungewöhnliche Liquidationen erlebte. In einem Podcast von The Block berichtete er, dass einige Positionen zu «vollkommen absurden» Preisen liquidiert worden seien. Eine genaue Summe der Verluste nannte er jedoch nicht; die Höhe der Belastung der Bilanz bleibt damit unklar. Diese Zurückhaltung bei der Offenlegung ist in der Branche nicht ungewöhnlich, da Marktteilnehmer sensible Informationen bezüglich Bilanzstruktur und Handelspositionen oft nur zurückhaltend kommunizieren.

Auf Basis öffentlich einsehbarer On-Chain-Analysen lässt sich nachvollziehen, dass Wintermute vor dem Crash etwa 700 Millionen US-Dollar auf Binance transferierte. Der Marktmacher gilt als einer der größten Liquiditätsanbieter auf der Börse, was ihn zu einem zentralen Akteur im Handel mit Derivaten, Spot- und Margin-Produkten macht. Diese Positionierung hat die Aufmerksamkeit auf die Mechanik des Crashs und die zugrunde liegenden Liquidationsprozesse gelenkt, weil Ausfälle oder Stress bei einem großen Liquidity Provider systemische Folgen nach sich ziehen können.

Mutmaßliche Mechaniken hinter dem Crash am 11. Oktober

Mehrere Branchenbeobachter, darunter der Analystenkanal Wu Blockchain, haben vorgeschlagen, dass der Crash durch einen Exploit oder eine koordinierte Aktion ausgelöst worden sein könnte, die eine Schwachstelle im Margin-System des Binance Unified Account ausnutzte. Der Vorfall fiel zeitlich in das Fenster, in dem die Börse Orakelpreise anpasst. Kritiker argumentieren, dass diese Preisaktualisierung auf On-Chain-Daten ein kurzfristiges Manipulationsfenster eröffnen könnte, das Akteure ausnutzten, um On-Chain-Preise zu verändern und dadurch Kaskaden von Liquidationen in Gang zu setzen. Solche Szenarien betreffen Aspekte wie Orakel-Resilienz, Zeitstempel für Preisfeeds und die Interaktion zwischen Spot-, Perpetual- und Margin-Positionen.

Die Diskussion dreht sich auch um die Struktur von Unified Accounts: Wenn mehrere Positionen und Produkte eines Nutzers in einem zusammengefassten Risikoprofil geführt werden, kann eine starke Preisbewegung in einem Produkt schnell zu Mobilisierung von Sicherheiten und Liquidationen in anderen Bereichen führen. Kritiker fordern daher eine Überprüfung von Risikomodellen, Liquiditätsparametern und Schutzmechanismen wie Circuit Breakern oder gestaffelten Margin-Erhöhungen, um ähnliche Ereignisse künftig zu dämpfen.

Binances Reaktion und branchenweite Auszahlungen

Binance berichtete, nach starken Depeggings Entschädigungen in Höhe von 283 Millionen US-Dollar an Händler ausgezahlt zu haben. Betroffen waren Assets wie Ethena USDe, wBETH und BnSOL, die zeitweise erhebliche Abweichungen vom jeweiligen Referenzwert zeigten. Insgesamt werden die realisierten Verluste aus dem 24-Stunden-Handelsvolumen in den betroffenen Märkten auf zwischen 500 Millionen und 1 Milliarde US-Dollar geschätzt. Zusätzlich kündigte Binance ein breiteres Kompensationsprogramm in Höhe von 400 Millionen US-Dollar an, das unter anderem eine 100-Millionen-US-Dollar-Kreditfazilität zu günstigen Konditionen für institutionelle Nutzer umfasst, um ihnen die Wiederaufnahme des Handels zu erleichtern.

Obwohl Binance in der Öffentlichkeit verschiedene Unterstützungsmaßnahmen und Erstattungen kommunizierte, ist bislang nicht bestätigt, ob die Börse Wintermute direkt entschädigte. Da Wintermute als wichtiger Liquiditätsanbieter gilt, bleibt diese Frage in der Debatte über Gegenparteirisiken, Exposure von Market Makern und die Rolle von Börsen als Stabilitätsanker bei extremer Volatilität besonders relevant. Die Antwort auf diese Frage würde zusätzliches Licht auf die Abwicklungspraktiken und die Bereitschaft zum Ausgleich systemischer Verluste werfen.

Worauf Branchenakteure achten

Marktteilnehmer, Investoren und Regulierungsbehörden beobachten die Nachwirkungen des Crashs aus mehreren Gründen sorgfältig. Erstens hat das Ereignis mögliche Schwachstellen in Margin-Strukturen und vereinheitlichten Kontomodellen offengelegt, was zu erneuter Aufmerksamkeit für die Robustheit von Orakeln und Preisfeeds führt. Zweitens hat der Vorfall die Vernetzung von Liquiditätsanbietern, Börsen und Handelsplätzen deutlich gemacht und gezeigt, wie Stress an einer Stelle Kaskaden durch das gesamte Ökosystem auslösen kann. Dies betrifft sowohl zentralisierte Börsen (CEX) als auch dezentrale Finanzprodukte (DeFi).

Für Market Maker wie Wintermute sind Reputation und operative Kontinuität von zentraler Bedeutung. Die öffentlichen Dementis von Gaevoy zielen offensichtlich darauf ab, Gegenparteien und Kunden zu beruhigen und falsche Narrative zu stoppen, die Liquiditätsgeschäfte stören könnten. Gleichzeitig führt die fehlende Transparenz in Bezug auf genaue Verlustzahlen zu offenen Fragen über mögliche Auswirkungen auf die Bilanz sowie über längerfristige Konsequenzen für die Bereitstellung von Liquidität auf zentralisierten Börsen und in DeFi-Protokollen. Analysten erwarten, dass Marktteilnehmer künftig stärker auf Diversifikation von Liquiditätsquellen, Stress-Tests und vertragliche Regelungen zur Risikoverteilung achten werden.

Fazit und Lehren für Händler und Krypto-Institutionen

Der Crash vom 11. Oktober verdeutlicht die Bedeutung eines robusten Risikomanagements, diversifizierter Liquiditätskanäle und einer genauen Prüfung von Margin-Mechanismen der Börsen. Händler sollten fortlaufend das Verhalten von Orakeln und Preisfeeds überwachen, On-Chain-Flüsse analysieren und offizielle Mitteilungen von Börsen und großen Marktmachern aufmerksam verfolgen. Transparente Offenlegungen betroffener Firmen und klar kommunizierte Abhilfemaßnahmen der Börsen sind entscheidend, um Vertrauen in volatilen Situationen wiederherzustellen.

Für institutionelle Akteure sind strukturierte Maßnahmen wie Limits für Kontrahentenexposure, abgestufte Margin-Anforderungen, regelmäßige Backtests und Szenarioanalysen wichtige Instrumente. Darüber hinaus erhöhen Notfallprozesse, Versicherungslösungen und die Zusammenarbeit mit Clearing-Partnern die Resilienz gegen plötzliche Marktverwerfungen. Die Branche steht vor der Herausforderung, technische Robustheit (z. B. Orakel-Design, Zeitfenster für Preisaktualisierungen) mit klaren Governance-Regeln und rechtlichen Vereinbarungen zwischen Börsen und großen Liquiditätsanbietern zu verbinden, um systemische Risiken zu reduzieren.

Aktuell betont der CEO von Wintermute wiederholt, dass das Unternehmen stabil sei und die Gerüchte über eine geplante Klage gegen Binance zurückweist. Während die Debatte über die Ursachen des Crashs und die Angemessenheit der Reaktionen der Börse andauert, werden Beobachter auf weitere Offenlegungen von sowohl Wintermute als auch Binance achten. Klarere Informationen könnten helfen, regulatorische Fragen zu klären, das Marktvertrauen wiederherzustellen und mögliche Änderungen in den Risikomanagement-Standards der Branche anzustoßen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Ereignis den Fokus auf folgende Kernfragen lenkt: Wie robust sind die Preisorakel und wie können Manipulationsfenster minimiert werden? Wie lassen sich Margin- und Unified-Account-Strukturen so gestalten, dass eine einzelne Preisbewegung nicht zu disproportionalen Systemeffekten führt? Und welche Rolle sollten Börsen, Market Maker und Regulatoren einnehmen, um Transparenz und Marktsolidität in Zeiten extremer Volatilität zu gewährleisten? Die Antworten darauf werden die weitere Entwicklung von Risiko- und Governance-Standards in der Kryptoindustrie maßgeblich beeinflussen.

Quelle: crypto

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