Amazon-Proteste am Black Friday: Globale Arbeitskämpfe

Am Black Friday kam es in über 30 Ländern zu koordinierten Streiks gegen Amazon. Der Bericht analysiert Forderungen zu Arbeitsbedingungen, Hitzeschutz, KI-Governance und die internationale Mobilisierung von Gewerkschaften.

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Amazon-Proteste am Black Friday: Globale Arbeitskämpfe

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Amazon sah sich am Black Friday mit koordinierten Streiks von Beschäftigten in mehr als 30 Ländern konfrontiert, eine Aktion, die Organisatoren als die bislang größte Welle der jährlichen Kampagne 'Make Amazon Pay' bezeichneten. Die Proteste richteten sich gegen Lagerhäuser, Rechenzentren, Verwaltungsstandorte und öffentliche Plätze und wurden von Gewerkschaften und lokalen Aktivistengruppen geplant; sie sollten sich laut Aufrufen bis zum 1. Dezember erstrecken. Diese breit angelegte Mobilisierung verband direkte Arbeitskämpfe mit Forderungen nach stärkerer Regulierung von Technologie, besseren Arbeitsbedingungen und einem verantwortungsbewussteren Geschäftsgebaren von Amazon, dem weltgrößten Onlinehändler.

Warum sich die Proteste weltweit ausgebreitet haben

Netzwerke von Gewerkschaften, angeführt von UNI Global Union und Progressive International, argumentieren, die Arbeitsniederlegungen spiegelten eine wachsende Frustration über mangelnde Arbeitssicherheit, hohe und oft als unrealistisch empfundene Produktionsziele, die rasche Ausweitung von KI- und Cloud-Operationen sowie umstrittene Kooperationen mit Einwanderungs- und Vollzugsbehörden wider. Die Organisatoren beschrieben die diesjährigen Aktionen als die größte Mobilisierung der Bewegung bislang, wobei die Koordination über Ländergrenzen hinweg ein neues Ausmaß erreicht habe. Diese transnationalen Gewerkschaftsnetzwerke nutzen gemeinsame Taktiken wie koordinierte Aktionstage, Social-Media-Kampagnen und gemeinsame Forderungskataloge, um Druck auf das Management auszuüben und eine globale Öffentlichkeit zu mobilisieren.

Beschäftigte und lokale Aktivistinnen und Aktivisten organisierten Kundgebungen und Ausstandsaktionen von Indien über Kanada und die USA bis nach Australien sowie in zahlreichen Ländern Lateinamerikas und Europas. Die Reichweite der Kampagne verweist auf gemeinsam wachsende Missstände: hitzebedingte Verletzungen in Lagern, unzureichende Schutzmaßnahmen gegen extreme Temperaturen, Forderungen nach existenzsichernden Löhnen, stabileren Beschäftigungsverhältnissen und besseren Sicherheitsstandards. Hinzu kommen Sorgen über die zunehmende Automatisierung, den Einsatz von algorithmischer Leistungskontrolle und die Frage, wie künstliche Intelligenz (KI) die Arbeit in Logistikzentren verändern wird. Solche gemeinsamen Anliegen verstärken die internationale Solidarität und erklären, warum lokale Vorfälle schnell in eine globale Debatte über Unternehmensverantwortung, Arbeitsrecht und digitale Ethik übergehen.

Forderungen und Amazons Reaktion

In Indien beispielsweise demonstrierten tausende Beschäftigte für gerechte Bezahlung und sichere Arbeitsbedingungen, nachdem eine von UNI durchgeführte Umfrage unter 474 Amazon-Lagerbeschäftigten ergeben hatte, dass drei Viertel medizinische Versorgung wegen hitzebedingter Probleme benötigten. Mehr als die Hälfte beschrieben ihre Arbeitsumgebungen als 'sehr heiß und unsicher' beziehungsweise 'unerträglich'. Die Generalsekretärin von UNI, Christy Hoffman, betonte, dass Hitzeschutzmaßnahmen verpflichtend und von Beschäftigten mitgestaltet sein müssten, etwa durch betriebliche Schutzkomitees, regelmäßige Pausen in klimatisierten Räumen und verbindliche Temperaturgrenzen. Diese Forderungen zielen darauf ab, betriebliche Gesundheitsrisiken zu verringern und Arbeitsschutzstandards an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Ein Sprecher von Amazon wies die Vorwürfe zurück und verwies darauf, dass das Unternehmen direkt über 1,5 Millionen Menschen weltweit beschäftigt und wettbewerbsfähige Löhne, Sozialleistungen sowie moderne, sichere Arbeitsplätze anbiete. Gleichzeitig haben jedoch auch tausende Angestellte in Verwaltungs- und Technikbereichen Bedenken geäußert: Mehr als 1.000 Mitarbeiter unterzeichneten einen offenen Brief, in dem sie vor den möglichen Folgen eines beschleunigten Ausbaus der KI-Infrastruktur warnten. Investitionen in Rechenzentren, die in Berichten mit etwa 150 Milliarden US-Dollar in Verbindung gebracht wurden, würden nach Ansicht dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Klimaziele des Unternehmens unterminieren, sofern die Energiequellen nicht sauberer und die Betriebsabläufe nicht transparenter gestaltet würden.

Die Beschäftigten formulierten mehrere zentrale Forderungen: Alle Rechenzentren sollen mit erneuerbarer Energie betrieben werden; es sollen unabhängige Arbeiterkomitees eingerichtet werden, die Entscheidungen über den Einsatz von KI prüfen und mitbestimmen können; und das Unternehmen müsse Garantien geben, dass seine Technologie nicht für Überwachung, Gewalt oder Massenentlassungen zur Verfügung gestellt wird. Außerhalb von Konzernstandorten in den USA richteten sich Proteste auch gegen bestehende Verträge zwischen Amazon und der US-Immigrations- und Zollbehörde (ICE); Aktivistinnen und Aktivisten forderten, Amazon solle Systeme einstellen, die Abschiebungen erleichtern könnten. Diese Forderungen berühren zentrale Diskurse zu Ethik in der Technologie, Datenschutz, Menschenrechten und unternehmerischer Verantwortung.

Weltweit entwickelten sich Demonstrationen auch in Kanada, wo Gewerkschaften zu Boykotten aufriefen, nachdem Schließungen von Distributionszentren in Québec tausende Arbeitsplätze vernichtet hatten. Weitere gemeldete Brennpunkte waren Australien, Indonesien, Taiwan, Nepal, Brasilien, Bangladesch, Kolumbien, Dänemark, das Vereinigte Königreich und Südafrika. Die Proteste variierten je nach nationalem Kontext: in einigen Ländern standen arbeitsrechtliche Fragen und Löhne im Vordergrund, in anderen die digitale Kontrolle, KI-Einsatz oder politischen Allianzen des Konzerns. Lokale Akteure kombinierten oft ökonomische Forderungen mit Forderungen nach mehr Transparenz bei Klima- und Technologiepolitik, was die Proteste zu einem Knotenpunkt für unterschiedliche Interessengruppen machte.

Ob diese Proteste Amazon tatsächlich dazu bewegen werden, seine Politik zu Themen wie Hitzeschutz, KI-Governance und Geschäftsbeziehungen zu ändern, bleibt abzuwarten. Einige der möglichen Wirkungen sind jedoch absehbar: kurzfristige Reputationsschäden, verstärkte Medienaufmerksamkeit, verstärkte regulatorische Prüfung und Sanktionen durch Behörden, sowie verstärkte Diskussionen in der Politik über Arbeits- und Technologiestandards. Unternehmen stehen vor dem Risiko, dass anhaltende Proteste Investoren verunsichern, Lieferketten stören und das Vertrauen von Kundinnen und Kunden reduzieren. Gleichzeitig könnten konstruktive Verhandlungen zu konkreten Verbesserungen führen, etwa verbindliche Standards für Arbeitsschutz, Energiequellen und die Einbindung von Beschäftigten in Entscheidungsprozesse zur KI-Nutzung.

Der Black Friday hat deutlich gemacht, dass Amazon einer koordinierten, grenzüberschreitenden Druckwelle ausgesetzt ist, die über traditionelle betriebliche Auseinandersetzungen hinausgeht und Themen wie Arbeitsrechte, Umweltpolitik, digitale Ethik und globale Governance verbindet. Die langfristigen Auswirkungen hängen davon ab, ob Gewerkschaften und Aktivistengruppen ihre internationale Koordination beibehalten, ob Regierungen und Regulierungsbehörden konkrete Anforderungen an große Technologie- und Logistikkonzerne formulieren und wie schnell Unternehmen reagieren, um legitime Sicherheits- und Klimafragen anzusprechen. Für Beobachterinnen und Beobachter ist dies ein Musterbeispiel dafür, wie Arbeitskämpfe im digitalen Zeitalter nicht nur lokal, sondern zugleich global geführt werden können, verbunden mit Forderungen nach nachhaltiger und demokratisch kontrollierter Unternehmensführung.

Quelle: smarti

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