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Santiment: Niedrige Stablecoin-Renditen deuten auf Aufwärtspotenzial für Ether
Das Krypto-Analyseunternehmen Santiment stellt fest, dass gedämpfte Renditen auf Stablecoins darauf hindeuten, dass sich der Markt noch nicht in einem überhitzten Top befindet. In diesem Umfeld könnte Ether (ETH) kurzfristig den Widerstand bei $3.200 erneut testen. Laut der Analyse der Plattform sind die Kreditvergütungen auf wichtigen Protokollen momentan niedrig, was spekulativen Hebel begrenzt und somit Raum für Kurssteigerungen für Ethereum und den breiteren Kryptomarkt lässt.
Warum Stablecoin-Renditen für Krypto-Preise wichtig sind
Santiment erklärt, dass die Renditen von Stablecoins in Kreditprotokollen als Indikator für die Marktgesundheit dienen. Höhere Renditen signalisieren häufig verstärkte Kreditaufnahme und mehr spekulativen Hebel — ein Szenario, das oft einem bedeutenden Markthoch vorausgeht. Aktuell liegen die durchschnittlichen Renditen auf wichtigen Plattformen nach Angaben von Santiment ungefähr im Bereich von 3,9 % bis 4,5 %, was im Vergleich zu Phasen intensiver bullischer Spekulation als niedrig bewertet wird.
Technisch betrachtet spiegeln diese Renditen das Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach ausgeliehenen Stablecoins wider. Wenn Trader hohe Renditen erhalten, steigt die Attraktivität, Kapital via Kreditplattformen zu leihen und in riskantere Positionen wie Long-ETH- bzw. Long-BTC-Hebelpositionen zu investieren. Solche Hebel können kurzfristig starke Kursbewegungen nach oben erzeugen, erhöhen aber gleichzeitig die Verwundbarkeit des Marktes gegenüber Korrekturen und Liquidationen, wenn die Stimmung kippt.
Im Gegensatz dazu deuten niedrige Stablecoin-Renditen auf eine geringe Bereitschaft hin, kurzfristig große Hebelpositionen aufzubauen. Das heißt nicht notwendigerweise, dass kein Interesse an Risikopositionen besteht, aber es weist darauf hin, dass die spekulative „Hitze“ des Marktes reduziert ist. Ein Markt mit geringerer Hebelwirkung ist tendenziell stabiler und weniger anfällig für scharfe, selbstverstärkende Ausverkäufe.
Aus Sicht der Makrodynamik lässt sich daraus auch ableiten, dass Kapitalflüsse eher in konservative Positionen oder in Spot-ETFs gesteckt werden, anstatt via Kreditprotokolle gehebelte Trades zu finanzieren. Für Investoren und Marktteilnehmer sind diese On-Chain-Kennzahlen (Stablecoin-Lending-Raten, Margin-Level, offene Zinspositionen) deshalb nützliche Ergänzungen zu traditionellen Indikatoren wie Volatilität oder Handelsvolumen.
Preisprognose: ETH $3.009 und der Widerstand bei $3.200
Der Bericht führt an, dass Ether rund um ETH $3.009 gehandelt wurde und kurzfristig eine Rückkehr zum Widerstand bei $3.200 möglich sei. Dieses Ziel würde, basierend auf dem zu Zeitpunkt der Datenerhebung bei CoinMarketCap notierten Kurs von etwa $2.991, ein Upside-Potenzial von rund 6,7 % implizieren. Zugleich weist Santiment darauf hin, dass Ether in den letzten 30 Tagen einen deutlichen Rückgang verzeichnete — Ether liegt laut CoinMarketCap im betrachteten Zeitraum etwa 21,85 % im Minus.
Trotz dieses Rückgangs sehen die Autoren das gedämpfte Renditeumfeld als Indiz dafür, dass die Abwärtsbewegung nicht notwendigerweise das Resultat einer übermäßigen, am Markt aufgebauten Spekulation ist. Vielmehr könnte die Korrektur von Flussfaktoren, kurzfristiger Profitnahme oder externen makroökonomischen Impulsen ausgelöst worden sein, ohne dass die Basisstruktur des Marktes an Risikobereitschaft verloren hat.
Für technische Trader sind mehrere Aspekte relevant: die Reaktion des Preises an markanten gleitenden Durchschnitten (z. B. 50-Tage und 200-Tage), das Volumenprofil bei Bewegungen in Richtung $3.200 und das Verhalten von Orderbüchern an zentralen Börsen. Ein signifikantes Anziehen des Spot-Volumens oder institutionelle Kaufaufträge über Spot-ETFs sind typische Treiber, die einen Test des Widerstandsniveaus wahrscheinlicher machen.
Aus on-chain-technischer Sicht lohnt sich ein Blick auf Kennzahlen wie die Netflow-Daten von Exchange- und DeFi-Adressen, die Anzahl neuer Adressen, die Ether akkumulieren, sowie Open Interest in Derivaten. Ein Anstieg der Nettokäufe oder sinkende Mittelzuflüsse an Exchanges kann die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs über $3.200 erhöhen. Umgekehrt würden steigende Stablecoin-Renditen und ein Anstieg der Kreditaufnahme auf DeFi-Protokollen die Gefahr eines erneuten Drawdowns erhöhen.

Flows, ETFs und technische Signale
Spot-Ether-ETFs kehrten diese Woche die Richtung um und verzeichneten nach drei Wochen mit starken Abflüssen wieder netto wöchentliche Zuflüsse in Höhe von $312,6 Millionen. Diese Umkehr bei den Flows, kombiniert mit aufkommenden technischen Indikatoren, trägt zu einer vorsichtigen Erholung am Markt bei. Zuflüsse in Spot-ETFs fungieren häufig als strukturelle Nachfragetreiber: sie erhöhen die Spot-Nachfrage, schaffen Arbitrage-Möglichkeiten gegenüber Derivaten und können institutionelles Kapital ins Ökosystem ziehen.
Der Einfluss von ETFs auf den Spotmarkt hängt jedoch vom Kontext ab: Wenn ETFs vermehrt in Phasen allgemeiner Marktstabilität Zuflüsse erhalten, kann das die Basis für einen nachhaltigen Aufwärtstrend schaffen. In volatilen Perioden können Zuflüsse volatil sein und kurzfristig durch Panikverkäufe wieder aufgehoben werden. Außerdem ist die Art der Investorengruppe (Retail vs. Institutionell) relevant, da institutionelle Zukäufe tendenziell langfristiger und stabilisierender wirken.
Krypto-Analyst Matthew Hyland wies auf ein mögliches bullisches 'Ribbon Flip' im ETH-BTC Wochenchart hin — ein technisches Ereignis, das laut seiner Beobachtung zuletzt im Juli 2020 auftrat. Ein solcher Ribbon-Flip (bei dem kürzere gleitende Durchschnitte längerfristige überschreiten) könnte ETH relativ zu Bitcoin begünstigen, indem es die relative Stärke von Ether signalisiert. Relativstärke-Indikatoren (RSI, MACD Crosses auf Relativcharts) sind hier nützlich, um zu erkennen, ob Ether Momentum gegenüber BTC entwickelt.
Zusätzlich zu gleitenden Durchschnitten und Ribbon-Signalen sind Volumen, Market Depth und Open Interest in Futures-Kontrakten wichtige technische Indikatoren. Ein divergierender Anstieg des Spot-Volumens ohne gleichzeitigen Anstieg des Open Interest in Derivaten deutet eher auf echte Spot-Nachfrage hin als auf synthetischen Hebel. Umgekehrt signalisiert stark wachsender Open Interest bei stagnierendem Spotvolumen, dass der Markt mehr Leverage aufbaut — ein Warnsignal für mögliche Volatilität.
Sentiment und Saisonalität
Das Marktsentiment stabilisiert sich allmählich. Der Crypto Fear & Greed Index verharrte weite Teile des Novembers im Bereich 'extreme Angst' und entspannte sich jüngst auf ein Niveau, das als 'Angst' klassifiziert wird. Diese Verschiebung deutet auf eine reduzierte Panik und eine ausgewogenere Risikobereitschaft der Marktteilnehmer hin. Messgrößen wie der Fear & Greed Index sind nützlich, um Kontraindikatoren zu identifizieren: Extreme Angst kann kurzfristig Kaufsignale liefern, während extreme Gier vor Tops warnen kann.
Saisonalität spielt ebenfalls eine Rolle in der Erwartungsbildung. Historisch gesehen war der Dezember für Ether häufig ein günstiger Monat: CoinGlass weist seit 2013 eine durchschnittliche Dezember-Rendite von etwa 6,85 % aus. Solche saisonalen Muster sind jedoch kein verlässlicher Indikator für die Zukunft, insbesondere nach untypischen Marktverläufen in den Vormonaten. Die Abweichungen in Oktober und November dieses Jahres haben gezeigt, dass saisonale Statistiken durch strukturelle Änderungen im Marktumfeld oder durch makroökonomische Schocks überlagert werden können.
Trader, die Saisonalität in ihre Strategie einbeziehen, sollten diese Daten mit Volumen-, Flow- und On-Chain-Indikatoren kombinieren. Beispielsweise kann ein historisch starkes Dezember-Szenario durch anhaltend hohe Volatilität oder regulatorische Nachrichten neutralisiert werden. Das Zusammenspiel von Sentiment, Saisonalität und Liquiditätsflüssen liefert ein differenzierteres Bild als das isolierte Betrachten eines einzelnen Faktors.
Risiken und Marktkontext
Trotz der konstruktiven Signale durch niedrige Stablecoin-Renditen und ETF-Zuflüsse bestehen weiterhin erhebliche Risiken. Die jüngste Marktkontraktion folgte auf ein großes Liquidationsereignis in Höhe von rund $19 Milliarden am 10. Oktober, das zeitlich mit übergreifenden makroökonomischen Schlagzeilen zusammenfiel. Solche Liquidationswellen können Hebeltrader zwingen, Positionen zu schließen, was zu Kaskadeneffekten führt und Preisniveaus stark beeinflusst.
Zu den wichtigsten Risiken zählen erhöhte makroökonomische Volatilität (Zinsentscheidungen, Inflationsdaten, geopolitische Ereignisse), regulatorische Entwicklungen (z. B. Gesetzesinitiativen bezüglich Krypto-Börsen, Stablecoin-Regularien oder ETF-Zulassungen) und plötzliche Anstiege bei den Kreditkosten auf DeFi-Protokollen. Letztere können auftreten, wenn Liquidität aus Protokollen abzieht oder wenn Kreditnehmer gezwungen sind, Sicherheiten zu erhöhen, was wiederum die Renditen für Gläubiger in die Höhe treibt.
Für Investoren ist es daher wichtig, technische, Flow- und On-Chain-Indikatoren im Zusammenspiel zu betrachten. Zu den relevanten Kennzahlen gehören:
- Stablecoin-Lending-Raten: zeigen die Kosten für das Leihen von Kapital in Stablecoins.
- Open Interest in Perpetual-Futures: misst Hebelaktivität und potenzielle Liquidationsgefahr.
- Exchange Netflows: Zuflüsse vs. Abflüsse an zentralen Börsen, ein Proxy für Verkaufs- oder Akkumulationsdruck.
- Liquidations-Level: beobachtbare Schwellen, bei denen automatisierte Liquidationen initiiert werden können.
- On-Chain-Stabilitätsindikatoren: wie das Verhältnis von aktiven Adressen zu Transaktionsvolumen und Durchschnittsgrößen der Wallet-Balances.
Ein rascher Anstieg der Renditen für Stablecoins würde das Risiko signifikant erhöhen, da er auf eine verstärkte Kreditaufnahme hindeutet — ein Umstand, der bei negativen Tendenzen zu beschleunigten Verkäufen und Liquidationen führen kann. Ebenso können regulatorische Eingriffe, etwa restriktivere Regeln für Verwahrer, Margin-Konten oder Derivate, die Marktliquidität reduzieren und für höhere Spreads sorgen.
Kurzfristig sollten Trader daher auf folgende Auslöser achten, die die Marktaussichten schnell verändern können:
- Plötzliche Rotation von ETF-Zuflüssen in Abflüsse oder umgekehrt.
- Anstieg des Open Interest kombiniert mit sinkendem Spotvolumen (Hebelaufbau ohne echte Spot-Nachfrage).
- Signifikante Nachrichten zur Regulierung von Stablecoins, Krypto-Börsen oder institutionellen Produkten.
- Makroökonomische Schocks wie überraschende Zinsschritte, unerwartete Arbeitsmarktdaten oder geopolitische Ereignisse.
In der Gesamtschau deuten die niedrigeren Stablecoin-Renditen auf geringere spekulative Hebelwirkung hin und bieten damit eine mögliche Grundlage für eine Erholung von Ether in Richtung $3.200. Investoren und Trader sollten jedoch wachsam bleiben und ETF-Flows, On-Chain-Hebelindikatoren, Liquidationsstrukturen und makroökonomische Signale engmaschig überwachen — nur so lässt sich die kurzfristige Preisentwicklung angemessen einschätzen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Gedämpfte Stablecoin-Renditen sprechen gegen ein überhitztes Marktumfeld und können eine Erholung von Ether unterstützen. Ob diese Erholung nachhaltig wird, hängt von der Entwicklung institutioneller Flows, der On-Chain-Hebelstruktur und externen makro- sowie regulatorischen Faktoren ab. Ein disziplinierter Risikomanagement-Ansatz bleibt daher für Marktteilnehmer unerlässlich.
Quelle: cointelegraph
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