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Hinweis der Redaktion: Spoiler zur Finalfolge von The Buccaneers Staffel 2
Einleitung — Ein unerwarteter Umschwung, der alles veränderte
Die letzten Szenen der zweiten Staffel von The Buccaneers sorgten für einen Paukenschlag, den nur wenige ahnten: Paloma (Grace Ambrose) ist im Besitz jener Annulierungspapiere, die Guy aus seiner ungewollten Ehe befreien könnten. Anstatt sie auszuhändigen, verbirgt sie die Dokumente – was ihn gefangen hält und die sich entwickelnde Beziehung zwischen Guy und Nan abrupt zum Stillstand bringt. Da Paloma ursprünglich als warmherzige Kontrastfigur zu den eher traditionellen Heldinnen der Serie eingeführt wurde, kam ihr plötzlicher Wandel zur Gegenspielerin besonders überraschend. In einer Serie, die von Klassenfragen, Liebe und gesellschaftlicher Dynamik im Mantel einer historischen Romanze handelt, wirft dieser Bruch Fragen zu Charaktertreue, Repräsentation und erzählerischer Fairness auf.
Inhaltszusammenfassung — Wie es zur Enthüllung kam
Von der freundlichen Vermieterin zur engen Vertrauten
Paloma tritt zunächst als gutmütige italienische Vermieterin von Jinny (Imogen Waterhouse) und Guy auf. Rasch wird sie zu einem festen Bestandteil ihres Alltags, bietet Hilfe an und hat stets ein offenes Ohr. Als Jinnys Vergangenheit – ihre Flucht aus einer missbräuchlichen Ehe – bekannt wird, zeigt Paloma sich überaus empathisch. Sie bewahrt Geheimnisse, spendet Guy Trost und verkörpert scheinbar eine freigeistigere Sicht auf Liebe im Vergleich zu den anderen Frauen der Serie.

Der Drink, der Ring und das Überschreiten von Grenzen
In Folge 5 der zweiten Staffel kommt es bei einer durchzechten Nacht zu einem intimen Moment zwischen Guy und Paloma. Die Szene wirkte wie ein frischer Windzug: Guy kann dem endlosen Kreislauf aus Sehnsucht und Ablehnung zumindest kurz entkommen. Paloma betont, nichts Festes zu suchen, doch als am Ende der Folge ein Ehering an ihrer Hand entdeckt wird, wird deutlich, dass ihre Gefühle möglicherweise tiefer reichen.
Die finale Enthüllung
Auch bei ihrer Ankunft in England an Guys Seite gibt Paloma sich weiterhin locker und wohlwollend gegenüber Nan. Doch das Finale bringt eine dramatische Wende: Paloma ist im Besitz der Annulierungspapiere, behält sie jedoch zurück. Diese Enthüllung wirft ein neues Licht auf frühere Szenen und zwingt das Publikum, Palomas Beweggründe und die Darstellung von Begehren und Selbstbestimmung im Serienkontext neu zu bewerten.
Cast & Team – Leistungen, die die Serie tragen
Viel von der emotionalen Dichte der Serie verdankt The Buccaneers seinem engagierten Ensemble. Grace Ambrose verleiht Paloma bis kurz vor dem Finale eine charismatische, nuancierte Präsenz; Imogen Waterhouse als Jinny und weitere Darstellerinnen tragen facettenreich zur dichten Atmosphäre der Historiendramaserie bei. Die aufwendige Kostümgestaltung, die eindrucksvolle Bildsprache und das detailverliebte Produktionsdesign erschaffen eine überzeugende Zeitreise und lassen die Konflikte besonders greifbar wirken.
Obwohl Autor:innen und Kreative die Beziehungen sorgfältig ausarbeiteten, stößt Palomas plötzliche Wandlung zur Intrigantin bei Kritiker:innen wie Fans auf geteilte Meinungen. Besonders prägnant ist, dass diese Entwicklung auch den Rückblick auf frühere Szenen verändert: Was zuvor spontan und unbeschwert wirkte, erscheint nun berechnend.

Hinter den Kulissen — Historienromantik mit Augenmaß umgesetzt
The Buccaneers präsentiert sich als visuell opulente Apple TV+-Produktion, die klassische Elemente des Genres aufgreift: akribische Kostüme, prachtvolle Interieurs und eine Musikuntermalung, die Sehnsucht und gesellschaftliche Spannungen greifbar macht. Die Serie vereint intime Charaktermomente mit gesellschaftskritischen Einblicken in Klassen- und Rollenbilder des späten 19. Jahrhunderts in Europa. Die kreativen Teams aus Ausstattung und Kostüm erschaffen eine glaubhafte, fast fühlbare Welt – was besonders die Fallhöhe bei Vertrauensbrüchen erhöht und das Publikum noch tiefer berührt.
Rezeption — Lob, Kritikpunkte und kulturpolitische Diskussionen
Die Reaktionen auf die zweite Staffel sind gemischt ausgefallen. Gelobt wurden die schauspielerischen Leistungen, die eindrucksvolle Produktion und die Analyse gesellschaftlicher Themen wie Klasse und Begehren. Die finale Wendung jedoch sorgte für Polarisierung. Viele Zuschauer:innen empfanden Palomas Wandel von der verständnisvollen Unterstützerin zur intriganten Geheimnisträgerin als zu abrupt und nicht ausreichend erklärt. Manche Kritiker:innen merkten an, dass die Entwicklung stereotypes Gedankengut bediene – etwa das Klischee der leidenschaftlichen, aber undurchsichtigen „Latina“ – und damit ein alternatives Bild weiblicher Selbstbestimmung verwische, das Paloma zunächst verkörpert hatte.
Dass eine Figur, die für eine andere Form weiblicher Identität stand, auf eine bloße Plot-Mechanik reduziert wird, löste zudem eine Debatte über Repräsentation im Genre aus: Historienserien begrenzen ihre Figurenvielfalt, wenn sie ungewöhnliche Frauen plötzlich zur Gegenspielerin stilisieren oder ihren Handlungsspielraum beschränken.

Warum Palomas Verhalten problematisch wirkt
Aus erzählerischer Sicht fühlt sich Palomas Verrat wie ein erzählerischer Umweg an: Eine sorgfältig ausgearbeitete Nebenfigur wird zum Werkzeug, um das zentrale Liebesdreieck zwischen Guy und Nan zu strecken – zulasten emotionaler Glaubwürdigkeit und Charaktertiefe. Problematisch ist dabei einerseits, dass Palomas Motivation weder psychologisch noch aus ihrer Vorgeschichte ausreichend abgeleitet wird; andererseits verfestigt der Kniff stereotype Rollenmuster statt sie zu hinterfragen.
Gerade für ein globales Publikum, das charakterzentrierte Erzählungen schätzt, brauchen solche Twists eine fundierte Herleitung. Soll Paloma als ambivalente Figur etabliert werden, müssten ihre Ängste, kulturellen Zwänge und inneren Konflikte mehr Raum erhalten. Fehlt dies, bleibt der Effekt eher strafend als erkenntnisreich.
So könnte Staffel 3 Paloma rehabilitieren
Im Fall einer Verlängerung von The Buccaneers für eine dritte Staffel, bietet sich die Chance, Palomas Werdegang wieder mehr Tiefe zu verleihen. Eine gelungene Aufarbeitung bedeutete nicht, sie zu einer makellosen Figur zu machen, sondern ihr Menschlichkeit und Nachvollziehbarkeit zurückzugeben. Folgende Wege könnten das Gleichgewicht zwischen charakterlicher Integrität und dramaturgischer Spannung bewahren:
- Psychologischer Kontext: Rückblenden oder Gespräche, die aufzeigen, warum Paloma etwa Angst vor Verlassenwerden, Skandal oder gesellschaftlicher Ächtung hat.
- Kritik an Vereinfachung: Keine vorschnelle Abwertung als „Heimzerstörerin“, sondern Einblick in kulturelle und ökonomische Beweggründe für ihre Handlungen.
- Selbstbestimmung außerhalb romantischer Rivalität: Paloma sollte eigenständige Ziele, Freundschaften oder Geschichten verfolgen, die ihre Identität abseits der Beziehungen anderer stärken.
- Konsequenzen und Weiterentwicklung: Zeigen, dass sie sich mit den Auswirkungen ihres Handelns auseinandersetzt und glaubhafte Veränderungen durchmacht – mehr als nur eine platte Entschuldigung.
Persönliche Einschätzung — Warum Zuschauer:innen mehr erwarten dürfen
Palomas einstiger Charme lag in ihrer Unangepasstheit: Sie bot eine leichte, heiratsferne Sichtweise, die einen willkommenen Kontrast zu den konventionelleren Heldinnen darstellte. Ihre Entwicklung zur Geheimnisträgerin nimmt einer seltenen und starken Frauenfigur im Historiendrama viel von ihrer Eigenständigkeit. Als Fans filmischer Erzählkunst sowie fortlaufender TV-Serien verdient das Publikum glaubhafte Charakterentwicklung. Staffel 3 könnte – und sollte – Paloma nicht nur als Hindernis, sondern als eigenständigen Menschen anerkennen.
Fazit — Plädoyer für Vielschichtigkeit und mutiges Storytelling
The Buccaneers bleibt trotz allem ein fesselndes Romantikdrama mit starken Bildern und überzeugenden Darsteller:innen. Doch die Entscheidung, Paloma im Finale in eine zwielichtige Figur umzucodieren, droht eine der interessantesten Rollen zu verkürzen. Sollte die Serie fortgesetzt werden, könnten die Autor:innen die Gelegenheit nutzen, die Geschichte komplexer, das moralische Graufeld ehrlicher auszuleuchten und Paloma eine angemessene Vielschichtigkeit zurückzugeben. Fans von Historienserien und charakterzentrierten Dramen werden gespannt verfolgen, ob die Serie ihr Versprechen tiefgründiger Figurenzeichnung doch noch einlöst – und nicht nur, wer am Ende mit wem zusammenkommt.
Wichtige Erkenntnisse
- Palomas überraschende Wendung in Staffel 2 spaltete die Fangemeinde.
- Die Figur stand zuvor für ein alternatives Modell weiblicher Eigenständigkeit im Kostümdrama.
- Eine dritte Staffel könnte Paloma durch Motivation, Wachstum und Handlungsfähigkeit unabhängig vom Liebesdreieck rehabilitieren.
- Starke Besetzung und Produktionsqualität sprechen für den Erhalt der Serie; jetzt braucht es feinsinniges Schreiben, das die Komplexität seiner Figuren ernst nimmt.
Quelle: collider
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