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Neuer Teststreifen macht unsichtbare Nanoplastikpartikel sichtbar
Nanoplastikpartikel sichtbar gemacht: Der neu entwickelte Teststreifen der Universität Stuttgart ermöglicht es, gefährliche Nanoplastikpartikel mit einem Lichtmikroskop zu erkennen. Credit: University of Stuttgart / 4th Physics Institute
Forscher der Universität Stuttgart haben in Zusammenarbeit mit der University of Melbourne einen kostengünstigen optischen Teststreifen entwickelt — ein sogenanntes "optisches Sieb" — das Nanoplastikpartikel mit einem handelsüblichen Lichtmikroskop sichtbar macht. In Nature Photonics beschrieben, nutzt die Methode fein konstruierte mikroskopische Vertiefungen in einem Halbleitersubstrat, die ihre Farbe verändern, wenn ein Partikel in ihnen stecken bleibt. Dadurch lassen sich Partikel visuell nachweisen, zählen und in ihrer Größe abschätzen, und zwar bis in den submikrometer Bereich.
Wie das optische Sieb funktioniert
Das optische Sieb nutzt resonante optische Effekte in winzigen Ausbuchtungen, die als Mie-Vertiefungen (Mie voids) bezeichnet werden. Jede Vertiefung reflektiert je nach Durchmesser und Tiefe eine charakteristische helle Farbe; wenn ein Nanoplastikpartikel in die Vertiefung eindringt, verschiebt sich die reflektierte Farbe. Durch das Anordnen von Arrays mit Vertiefungen verschiedener Größen arbeitet der Streifen wie ein Sieb: Partikel mit einer passenden Größe sammeln sich bevorzugt in den entsprechenden Löchern, sodass eine Art Farbkarte entsteht, die Anwesenheit, Anzahl und eine ungefähre Größeverteilung der Partikel offenbart.
Technisch beruht dieser Effekt auf wellenoptischen Resonanzen und Interferenzphänomenen in der Kombination aus Halbleitersubstrat, Vertiefungsgeometrie und den optischen Eigenschaften des eingeschlossenen Mediums. Die Forscher formten die Vertiefungen durch Präzisionsverfahren der Halbleiterfertigung — etwa Lithographie und anisotropes Ätzen — um genau definierte Durchmesser und Tiefen zu erhalten, die mit dem sichtbaren Licht interagieren. Bei Messungen mit einem Standard-Breitfeld-Lichtmikroskop sind die Änderungen so deutlich, dass sie bereits visuell oder mit einfacher Bildanalyse erfasst werden können. Damit lässt sich aus einem einzigen Bild sowohl eine Zählung als auch eine Größenabschätzung ableiten, wenn die Vertiefungsgrößen kalibriert sind.

Die Nanoplastikpartikel fallen in Löcher entsprechender Größe im Teststreifen. Die Farbe der Vertiefungen ändert sich dabei. Die neue Farbe liefert Informationen über Größe und Anzahl der Partikel. Credit: University of Stuttgart / 4th Physics Institute
Vorteile und experimentelle Validierung
Verglichen mit der Rasterelektronenmikroskopie (REM) ist dieser Ansatz deutlich günstiger, schneller und einfacher zu bedienen. Er verringert die Abhängigkeit von spezialisierten Instrumenten und hochqualifiziertem Personal. Die Kosten für die Herstellung der Teststreifen sowie die Nutzung eines Standard-Lichtmikroskops sind deutlich niedriger als für die Anschaffung und den Betrieb eines REM sowie die damit verbundenen Probenvorbereitungen.
In Laborversuchen gaben die Forscher bekannte Mengen an kugelförmigen Nanopartikeln in Seewasserproben, die Sand und organische Substanzen enthielten. Mit dem optischen Sieb bestimmten sie anschließend eine Probengrundkonzentration (z. B. 150 µg/ml) und ermittelten die Größenverteilung. Diese Validierung zeigte, dass das Verfahren robust gegenüber typischer Probenmatrixverunreinigung ist, zumindest für kontrollierte Labormischungen. Mithilfe von Kontrollen, Serienverdünnungen und Wiederholungsmessungen konnten sie Wiederholbarkeit und Genauigkeit quantifizieren und Abweichungen durch Aggregation oder Adsorption an organische Partikel abschätzen.
Darüber hinaus wurde die Bildauswertung teilweise automatisiert: einfache Algorithmus-gestützte Segmentierungsroutinen erkennen Farbverschiebungen in den einzelnen Vertiefungen, zählen belegte Löcher und weisen sie einer Kalibrierkurve zur Größenabschätzung zu. Diese Automatisierung reduziert subjektive Fehler und erhöht die Durchsatzrate — ein wichtiger Vorteil für größere Umweltstudien oder Screening-Programme.
Nachweisbereich und Einschränkungen
In den bisherigen Demonstrationen lassen sich Partikel mit Durchmessern von etwa 0,2 bis 1 µm zuverlässig auflösen. Diese Nachweisgrenze hängt von mehreren Faktoren ab: der Geometrie der Vertiefungen, den optischen Eigenschaften des Substrats, der Breite des Spektralbereichs des Mikroskops und der optischen Kontrastverstärkung durch das Medium in der Vertiefung. Kleinere Partikel im stark sub-200-nm-Bereich bleiben derzeit schwierig zu detektieren, weil die Farbänderung der Vertiefungen mit abnehmender Partikelgröße subtiler wird und durch Rauschen überdeckt werden kann.
Die Forscher planen, die Methode weiterzuentwickeln, um nicht-sphärische Partikel zu prüfen, Polymerarten zu unterscheiden und das Verfahren an umgebungstypische Proben mit natürlichen Nanoplastik‑Gemischen zu validieren. Zu den angedachten Erweiterungen gehören etwa die funktionale Beschichtung der Vertiefungen, die Nutzung zusätzlicher Filter- oder Polarisationsoptiken, spektrale Bildgebung (Hyperspektralaufnahmen) sowie Kombinationen mit chemischen Markern oder fluoreszierenden Tags, um polymer-spezifische Signaturen herauszuarbeiten. Solche Ergänzungen könnten helfen, zwischen unterschiedlichen Kunststoffarten (z. B. PE, PET, PS) zu unterscheiden oder anorganische Kontaminanten auszuschließen.
Limitierungen ergeben sich außerdem aus der Natur realer Proben: organische Matrixbestandteile, Biofilme, natürliche Aggregate oder Salzrückstände können die Partikelverteilung beeinflussen und zu Verstopfungen oder Sorptionsphänomenen an den Vertiefungsrändern führen. Zudem können Partikel agglomerieren und so ihre effektive Größe verändern. Die Autoren schlagen deshalb standardisierte Probenvorbereitungsprotokolle vor — etwa Dispergierverfahren, kontrolliertes Filtrieren und definierte Verdünnungsstufen — bevor Messungen im Feld oder im Labor durchgeführt werden.
Folgen für Umwelt‑ und Gesundheitsüberwachung
Nanoplastik ist ein wachsendes Umweltproblem, weil Partikel im Submikrometerbereich biologische Barrieren überwinden können und somit potenziell in Gewebe und Organe gelangen. Die Fähigkeit, Nanoplastik schnell, günstig und vor Ort zu detektieren, könnte Umweltüberwachungen erheblich beschleunigen. Ein tragbares, feldtaugliches optisches Sieb würde beispielsweise Wasserproben an Flussufern, in Kläranlagen oder an Küstenstandorten ohne aufwändige Probenlogistik screenen können. Auch die Analyse von Bodenextrakten oder biologischen Flüssigkeiten (z. B. Blutplasma, Zytosierende) könnte erleichtert werden, wenn geeignete Aufarbeitungsmethoden entwickelt sind.
Für die öffentliche Gesundheitsforschung ist wichtig, dass einfache Screening-Methoden die Datengrundlage für Epidemiologie und Toxikologie erweitern. Wenn Forschungsteams mit standardisierten optischen Sieben arbeiten, lassen sich größere Datensätze erzeugen, die räumliche Verteilungen, zeitliche Trends oder Hotspots von Nanoplastikbelastung abbilden. Das unterstützt Regulierungsbehörden bei der Risikobewertung und beim Monitoring der Wirksamkeit von Maßnahmen zur Reduzierung von Kunststoffeinträgen.
Darüber hinaus eröffnet das Konzept auch Citizen-Science-Potenzial: preiswerte Teststreifen in Kombination mit Smartphone-gestützter Bildanalyse könnten Laien und lokale Initiativen befähigen, erste Screening-Ergebnisse zu erzeugen. Solche Daten müssten allerdings von Experten validiert werden, bevor sie in regulatorische Entscheidungen einfließen.
Fazit
Das optische Sieb stellt ein vielversprechendes, skalierbares Werkzeug zur Detektion von Nanoplastik dar, das etablierte Mikroskopie- und chemische Analysemethoden sinnvoll ergänzt. Durch seine einfache Bedienbarkeit, niedrigen Kosten und die Möglichkeit der Feldanwendung kann es als erstes Screening-Instrument dienen, bevor aufwändigere Analysen wie REM, Raman- oder Massenspektrometrie hinzugeschaltet werden. Mit weiterer Validierung an realen Umweltproben, Verbesserungen in der Partikelunterscheidung und der Entwicklung standardisierter Probenvorbereitungen hat das Verfahren das Potenzial, ein praktisches Frontline‑Assay für Forscher, Umweltüberwachungsprogramme und öffentliche Einrichtungen zu werden.
In technischer und methodischer Hinsicht empfiehlt die Forschungsgruppe zusätzliche Studien zur Robustheit gegenüber komplexen Probenmatrizes, zur automatisierten Bildanalyse bei variablen Lichtbedingungen und zu kombinierten Messstrategien (optische Detektion plus chemische Identifikation). Durch solche Schritte lässt sich die Aussagekraft der Ergebnisse erhöhen und die Methode für breite Anwendungen in Umweltforschung, Ökotoxikologie und öffentlichen Monitoring‑Programmen fit machen.
Zusammenfassend bietet das optische Sieb eine neue, zugängliche Möglichkeit, die unsichtbare Welt der Nanoplastikpartikel zu erfassen — ein wichtiger Schritt zur besseren Erfassung, Bewertung und schließlich Reduzierung der Risiken, die von Mikro‑ und Nanoplastik ausgehen.
Quelle: scitechdaily
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