Kakaoflavanole senken Altersentzündung und hsCRP

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Kakaoflavanole senken Altersentzündung und hsCRP

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Zusammenfassung

Eine große randomisierte klinische Studie und eine gezielte Biomarker-Analyse deuten darauf hin, dass tägliche Nahrungsergänzungen mit kakaohaltigem Extrakt, reich an Flavanolen, einen zentralen Marker der altersbedingten Entzündung reduzieren können. Forschende des Mass General Brigham und Kooperationspartner analysierten Proben aus der COcoa Supplement and Multivitamin Outcomes Study (COSMOS) und stellten fest, dass das hochsensitive C-reaktive Protein (hsCRP) bei Teilnehmenden, die Kakaextrakt einnahmen, im Vergleich zur Placebo-Gruppe zurückging. Quelle: Stock

Wissenschaftlicher Hintergrund

Chronische, niedriggradige Entzündungsprozesse, die mit zunehmendem Alter zunehmen und oft als „inflammaging“ bezeichnet werden, stehen in engem Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, metabolische Störungen, Gebrechlichkeit und anderen altersassoziierten Leiden. Entzündungsmarker wie hsCRP gelten als robuste Indikatoren für systemische Entzündungsaktivität und werden in der Epidemiologie sowie klinischen Forschung häufig verwendet, um Risikoprofile abzuschätzen.

Flavanole sind bioaktive Pflanzenstoffe (Polyphenole), die in Kakaobohnen, Beeren, Tee, Äpfeln und einigen anderen pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen. Mechanistisch werden Flavanole mit antioxidativen Effekten, Modulation von Signalwegen in Endothelzellen, Verbesserung der vaskulären Funktion und direkten immunmodulatorischen Effekten in Verbindung gebracht. Früher durchgeführte kleinere Studien deuteten bereits an, dass kakaohaltige, flavanolreiche Präparate entzündliche Biomarker senken können. Die COSMOS-Studie wurde konzipiert, um diese Hinweise in einer groß angelegten, langfristigen, randomisierten Studie am Menschen zu überprüfen und um zu klären, ob beobachtete Biomarkerveränderungen mit klinischen kardiovaskulären Endpunkten zusammenhängen.

Studiendesign und zentrale Ergebnisse

Zwischen 2014 und 2020 schrieben die Forschenden in der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten COSMOS-Studie 21.442 Erwachsene im Alter von 60 Jahren und älter ein. Ziel war die Untersuchung der langfristigen Auswirkungen täglicher Nahrungsergänzungen mit Kakaextrakt und einem Multivitaminkomplex auf Gesundheitsereignisse. In der übergeordneten Analyse berichteten die Autoren zuvor über eine 27%ige Verringerung der Todesfälle durch kardiovaskuläre Erkrankungen in der Gruppe, die Kakaextrakt erhalten hatte, im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Diese Befunde weckten das Interesse, mögliche biologische Mechanismen, darunter die Modulation systemischer Entzündungsmarker, detailliert zu untersuchen.

In einer vorab geplanten Biomarker-Subanalyse bestimmten die Forschenden fünf entzündungsbezogene Proteine im Blut von 598 COSMOS-Teilnehmenden zu drei Zeitpunkten: zu Studienbeginn (Baseline), nach einem Jahr und nach zwei Jahren. Erfasst wurden drei proinflammatorische Marker (hsCRP, Interleukin-6 (IL-6) und Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α)), ein antiinflammatorisches Zytokin (Interleukin-10, IL-10) sowie ein immunmodulatorisches Zytokin (Interferon-Gamma, IFN-γ). Durch diese Kombination wollte das Team sowohl klassische Entzündungsaktivität als auch ausgewählte Aspekte der adaptiven Immunantwort abbilden.

Rückgang des hsCRP und weitere Biomarker

Teilnehmende, die Kakaextrakt einnahmen, zeigten im Mittel eine jährliche Abnahme des hsCRP um etwa 8,4% im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Dieser prozentuale Rückgang bezieht sich auf den relativen Unterschied der jährlichen Veränderungsraten zwischen den Studienarmen und ist biologisch bedeutsam, da selbst moderate Senkungen von hsCRP in epidemiologischen Studien mit einem reduzierten kardiovaskulären Risiko assoziiert wurden.

Andere Biomarker zeigten kaum Veränderungen oder verzeichneten nur geringe Anstiege: IL-6 blieb größtenteils stabil, mit einem leichten Abfall bei weiblichen Teilnehmenden, während männliche Teilnehmende diese Tendenz nicht aufwiesen. TNF-α und IL-10 zeigten keine konsistenten, klinisch relevanten Veränderungen über die Beobachtungszeit. Auffällig war jedoch ein moderater Anstieg von IFN-γ, einem Zytokin, das eine Rolle in der antiviralen Abwehr und der T-Zell-vermittelten Immunantwort spielt. Die Autorinnen und Autoren hoben diesen Befund als interessantes Signal hervor, das weiter untersucht werden sollte, um mögliche immunologische Implikationen oder Reaktionen auf den Extrakt zu verstehen.

»Wir wollten untersuchen, ob eine mehrjährige Supplementierung mit Kakaextrakt im Vergleich zu Placebo inflammaging modulieren kann — und die Daten deuten darauf hin, dass dies möglich ist«, sagte Howard Sesso, ScD, MPH, der korrespondierende Autor der Studie. COSMOS-Studienpillenpackung. Quelle: Mars Edge

Implikationen und nächste Schritte

Der beobachtete Rückgang von hsCRP könnte einen Teil der kardiovaskulären Mortalitätsreduktion erklären, die in der größeren COSMOS-Analyse für die Kakaextrakt-Gruppe berichtet wurde. hsCRP ist ein gut etablierter Risikomarker für arteriosklerotische Ereignisse; eine Verringerung dieses Markers im Populationseffekt kann potenziell niedrigere Raten von Herzinfarkten, Schlaganfällen oder anderen kardiovaskulären Komplikationen widerspiegeln. Dennoch sind Kausalität und direkte Mechanismen nicht vollständig geklärt: Es bleibt offen, ob die hsCRP-Reduktion selbst schützend wirkt oder ein Surrogat für andere günstige Effekte des Extrakts ist, etwa bessere Endothelfunktion oder antithrombotische Effekte.

Die Autorinnen und Autoren betonen, dass Nahrungsergänzungsmittel mit Kakaoflavanolen keine Alternative zu einer gesunden Ernährung und einem aktiven Lebensstil darstellen. Vielmehr sollten sie, falls weitere Studien die Befunde bestätigen, als ergänzende Strategie betrachtet werden. In der Praxis bleibt die Priorität, Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Dyslipidämie, Rauchen und Adipositas zu behandeln, die insgesamt einen größeren Effekt auf kardiovaskuläre Gesundheit und Lebenserwartung haben.

Zukünftige Untersuchungen sind notwendig, um mehrere offene Fragen zu beantworten:

  • Reproduzierbarkeit: Lassen sich die Ergebnisse in unabhängigen Kohorten und bei anderen Bevölkerungsgruppen reproduzieren (z. B. jüngere Menschen, verschiedene ethnische Gruppen, Personen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen)?
  • Dosis-Wirkungs-Beziehung: Welche Dosis an Flavanolen ist optimal für eine dauerhafte Reduktion von Entzündungsmarkern und klinischen Endpunkten, und wie verhält sich ein isolierter Extrakt gegenüber dem Verzehr flavanolreicher Lebensmittel (z. B. dunkle Schokolade mit hohem Kakaoanteil)?
  • Sicherheit und Nebenwirkungen: Welche kurzfristigen und langfristigen Sicherheitsprofile sind zu erwarten, insbesondere bei Wechselwirkungen mit Arzneimitteln (z. B. Blutverdünnern) oder bei bestimmten Vorerkrankungen?
  • Mechanismen: Durch welche molekularen und zellulären Mechanismen modulieren Flavanole Entzündungswege, Endothelfunktion und Immunreaktionen? Hier sind translationalen Studien und Omics-Analysen hilfreich.

Die COSMOS-Forscher planen zusätzliche Analysen, um zu prüfen, ob Kakaextrakt und Multivitamin-Regime schwerere Formen des inflammaging, altersassoziierte Gebrechlichkeit oder andere Endpunkte des Alterns beeinflussen. Langzeit-Follow-ups und Metaanalysen könnten die Aussagekraft stärken und helfen, subpopulationsspezifische Effekte zu identifizieren.

Schlussfolgerung

Die vorliegende groß angelegte, randomisierte Evidenz stützt die Verbindung zwischen flavanolreichem Kakaextrakt und einer Verringerung systemischer Entzündung, gemessen am hsCRP. Dies liefert biologisch plausible Hinweise darauf, dass diätetische Flavanole ein ergänzender Baustein zur Förderung kardiovaskulärer Gesundheit im Alter sein könnten. Gleichwohl sind weitergehende Forschungen notwendig, um Dosis, Dauer, Sicherheit und kausale Mechanismen zu klären. Für die klinische Praxis gilt weiterhin: Primärprävention durch gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität, Kontrolle vaskulärer Risikofaktoren und Raucherentwöhnung bleibt zentral; Flavanol-Supplemente könnten zukünftig als ergänzende Maßnahme betrachtet werden, wenn zusätzliche Belege vorliegen.

Abschließend stärkt diese Analyse das wissenschaftliche Fundament für das Konzept, dass pflanzliche Bioactives wie Flavanole nicht nur kurzfristige metabolische Effekte haben, sondern auch längerfristig Entzündungsprozesse modulieren können. Solche Erkenntnisse sind relevant für die Entwicklung präventiver Strategien gegen kardiovaskuläre Erkrankungen und altersbedingte Multimorbidität.

Quelle: scitechdaily

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