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Ein riesiger Eisberg zerbricht
Eisberg A-23A, einst einer der größten und langlebigsten tabulären Eisberge, die aus der Antarktis hervorgingen, zerfällt schnell, während er in wärmere Gewässer des Südozeans driftet. Satellitenbilder von NASA dokumentieren die fortschreitende Fragmentierung und zeigen einen dramatischen Flächenverlust: Der Berg hat bereits mehrere große, benannte Fragmente sowie tausende kleinerer Stücke verloren. Was als eine massige Eisplatte galt, die 1986 vom Filchner-Eisschelf abbrach, verbrachte Jahrzehnte zunächst angelegt und dann beweglich, und nähert sich nun dem Ende einer langen, episodischen Nordwärtsreise.
Die Entwicklung von A-23A ist sowohl für die Klimaforschung als auch für die Schifffahrt von Bedeutung. Solche tabulären Eisberge entstehen typischerweise durch Kalbung großer Schelfeise; ihre Lebensdauer und ihr Zerfallsmuster geben Hinweise auf lokale Meeresströmungen, Temperaturveränderungen und mechanische Beanspruchungen durch Wellen und Wind. Das gegenwärtige Zerbrechen von A-23A bietet deshalb eine seltene Gelegenheit, Entstehungsprozesse, Driftpfade und die Rolle großer Eisblöcke bei der Südozean‑Zirkulation näher zu untersuchen.
Satellitenbeobachtungen und Überwachungsmethoden
Am 11. September 2025 erstellte NASAs Terra-Satellit mit dem MODIS-Instrument (Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer) Aufnahmen, die A-23A beim Zerbrechen in mehrere große Stücke zeigten. Zu diesem Zeitpunkt war das größte verbliebene Segment knapp über 1.500 Quadratkilometer groß (etwa 580 Quadratmeilen) und damit der zweitgrößte schwebende Eisberg, der damals beobachtet wurde. Weitere markante Fragmente auf den Bildern trugen die Bezeichnungen A-23G (rund 324 km²) und A-23I (etwa 344 km²).
MODIS ist besonders nützlich, weil es nahezu tägliche, großflächige Abdeckung bietet und damit gut geeignet ist, Positionen und grobe Umrisse großer Eisberge über längere Zeiträume zu verfolgen. In Kombination mit anderen Fernerkundungsinstrumenten entsteht ein deutlich detaillierteres Bild: Landsat-Sensoren liefern bei günstigen Sichtbedingungen höhere räumliche Auflösung, und synthetische Apertur-Radar (SAR) kann unabhängig von Tageszeit und Bewölkung arbeiten — ein entscheidender Vorteil in polarreichen Regionen, wo Licht und Wetter die optische Beobachtung stark einschränken.
Wie Wissenschaftler Eisberge erkennen und verfolgen
Forscher nutzen ein Bündel ergänzender Methoden, um antarktische Eisberge zu detektieren und zu überwachen. Wichtige Komponenten sind:
- Optische Sensoren (MODIS, Landsat): gut für Form, Größe und sichtbare Risse bei klarer Sicht.
- SAR-Systeme: liefern zuverlässige Positionsdaten bei Dunkelheit und Wolken; eignen sich besonders für das Erkennen kleinerer Kalben und Trümmerfelder.
- Automatisierte Bildanalyse und maschinelles Lernen: helfen, Tausende kleinerer Teile aus großen Datensätzen zu identifizieren und zu klassifizieren.
- In-situ-Beobachtungen und Schiffsberichte: erlauben Validierung und Ergänzung der Satellitendaten, besonders wenn es um Lokalisierung von Gefahren für Schifffahrt geht.
Das U.S. National Ice Center vergibt Namen an antarktische Eisberge, die bestimmte Größenschwellen überschreiten, und führt ein Katalogsystem, das Forschern und Seeleuten weltweit als Referenz dient. Diese Benennung erleichtert die Kommunikation über einzelne Berge und deren Fragmente, insbesondere wenn sich große Berge über viele Jahre bewegen und mehrfach kalben.
Wissenschaftlicher Kontext: Eine lange und ungewöhnliche Reise
Die Geschichte von A-23A ist außergewöhnlich detailliert dokumentiert. Nach der Kalbung 1986 vom Filchner-Eisschelf blieb der Eisberg über Jahrzehnte an Stellen des südlichen Weddellmeers geankert. Erst in den frühen 2020er-Jahren gewann er wieder Mobilität. Im März 2024 geriet er in ein rotierendes Ozeanwirbelmuster in der Drake-Passage, das seine Drift erheblich beeinflusste. Im Mai 2025 lief der Berg südlich der Insel Südgeorgien auf Grund, konnte sich später jedoch wieder lösen und driftete nördlich dieser Insel, wo die jüngsten Satellitenbilder seinen Zerfall unter dem Einfluss wärmerer Luftmassen und Ozeantemperaturen zeigen.
Solche episodischen Bewegungen sind nicht ungewöhnlich für große tabuläre Eisberge: Jahre langer Kontakt mit Meeresboden, periodisches Lösen, Einschluss in Meereswirbel und schließlich Drift in wärmere Breiten zählen zu den typischen Phasen. Bei A-23A sind allerdings Tempo, Timing und Muster des Kalbens besonders lehrreich, weil sie mit langjährigen Messreihen und historischen Berichten korreliert werden können, wodurch sich Rückschlüsse auf veränderte Umweltbedingungen ableiten lassen.
Die Bewegungsbahnen großer Eisberge werden durch mehrere Faktoren gesteuert: großräumige Meeresströmungen, lokale Gezeitenfelder, Windstress auf der Oberfläche, thermische Schmelze an Unter- und Oberseite sowie mechanische Erosion durch Wellen und Kollisionen mit Seeeis oder anderen Eismassen. Gerade die Kombination aus Erwärmung der oberen Ozeanschichten und veränderten Strömungsmustern kann die Instabilität solcher Berge begünstigen.

Zu den Wissenschaftlern, die diese Brüche zuerst meldeten, zählen Jan Lieser vom australischen Bureau of Meteorology und Christopher Shuman von der University of Maryland (im Ruhestand). Die weitere Bestätigung und fortlaufende Verfolgung erfolgte anschließend durch Britney Fajardo vom U.S. National Ice Center anhand von MODIS-Aufnahmen. Wie Lieser feststellte: „Wir können diese großen Eisberge mit weltraumgestützten Sensoren sehr gut sehen und überwachen“, warnte aber gleichzeitig, dass die größeren tabulären Stücke oft tausende kleinerer Eisfragmente abgeben, die schwieriger zu verfolgen sind und dennoch erhebliche Gefahren darstellen.
Gefahren und Folgen
Das Zerbrechen von A-23A hat sowohl praktische als auch wissenschaftliche Konsequenzen. Kleine und mittlere Eisberge, sogenannte growler oder bergy bits, die von einem Mutterberg abbrechen, können in Schifffahrtsrouten und Fanggebiete treiben und dort Kollisionen verursachen. Besonders in Gebieten mit begrenzter Sicht oder schlechten Wetterbedingungen steigt das Risiko für Handelsschiffe, Forschungsschiffe und Fischereifahrzeuge.
Für Klima- und Ozeanforschung ist die Fragmentierung und anschließende Schmelze großer Eisberge ein relevanter Prozess zur Veränderung des Südozeans: Sie führen Süßwasser in lokale Wassermassen ein, beeinflussen Schichtung, vertikale Zirkulation und die Verteilung von Nährstoffen. Diese Faktoren haben direkte Auswirkungen auf marine Ökosysteme — von Phytoplanktonblüten bis zu Versorgungsketten höherer trophischer Ebenen — und können zudem die regionale Meereisbildung modulieren.
Zusätzlich beeinflussen große Schmelzraten die Salz- und Dichteverhältnisse, wodurch Strömungsmuster lokal verändert werden können. In manchen Fällen fördern große Süßwassereinträge das Entstehen stabiler Schichten an der Oberfläche, die Nährstoffe und Wärme für längere Zeit in bestimmten Tiefen konzentrieren. Diese Prozesse sind wichtig für Modelle, die Vorhersagen für Klima, Ozeanzirkulation und regionale Wetterbedingungen liefern.
Für die maritime Sicherheit sind kontinuierliche Vorhersagen und Aktualisierungen der Driftpfade essentiell. Satellitenüberwachung, kombiniertes SAR-Tracking und operative Warnsysteme der nationalen Eiszentren ermöglichen die frühzeitige Benachrichtigung von Reedereien und Fischereibetrieben. Dies reduziert Unfallrisiken und erlaubt eine bessere Routenplanung in eisreichen Regionen.
Expertinnen- und Experteneinschätzung
Dr. Elena Morales, Polarmeereskundlerin (fiktiv für diesen Beitrag), kommentierte: „Große tabuläre Eisberge wie A-23A sind sowohl Indikatoren für regionale Veränderungen als auch aktive Treiber dieser Prozesse. Ihre Kalbungs- und Zerfallsmuster spiegeln Wärmeeinträge und Strömungsverhältnisse wider; beim Schmelzen verteilen sie Süßwasser und Nährstoffe über große Flächen des Südozeans. Die Kombination aus täglicher MODIS-Abdeckung und gezielten SAR- sowie Landsat-Analysen bietet die besten Chancen, die möglichen Driftpfade der Fragmente zu verstehen und vorherzusagen.“
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die interdisziplinäre Beobachtung solcher Ereignisse besonders wertvoll: Fernerkundungsdaten liefern großräumige, kontinuierliche Signale, während Schiffsbeobachtungen, autonome Messbojen und ozeanographische Modellierungen Feinheiten der lokalen Dynamik aufzeigen. Nur durch die Verbindung dieser Informationsquellen lassen sich robuste Aussagen über kurz- und mittelfristige Folgen für Ökosysteme, Meereis und maritime Aktivitäten treffen.
Schlussfolgerung
Der Zerfall von Eisberg A-23A zeigt die kombinierte Stärke von langjähriger Feldkenntnis und modernen Fernerkundungsmethoden. Während der Berg weiterhin große und kleine Fragmente abgibt, bleibt die lückenlose Satellitenüberwachung — durch MODIS, Landsat, SAR-Plattformen und die operative Nachverfolgung durch Institutionen wie das U.S. National Ice Center — essentiell für die wissenschaftliche Auswertung und die Warnung maritimer Akteure. Die endgültige Auflösung von A-23A ist Mahnung und Chance zugleich: Sie erinnert an die dynamische Natur der antarktischen Umwelt und unterstreicht die Bedeutung koordinierter Beobachtung für Sicherheit und Forschung.
Langfristig liefert die Beobachtung solcher großen Eisberge wichtige Datensätze zur Validierung klimatischer Modelle und zur Abschätzung zukünftiger Veränderungen in polaren Gebieten. Daraus können bessere Risikomanagementstrategien für Schifffahrt und Fischerei abgeleitet werden sowie ein tieferes Verständnis der Rolle von Eisbergen im globalen Klimasystem.
Quelle: scitechdaily
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