Historischer Anstieg von Treibhausgasen 2024: Folgen

Der WMO-Bericht 2024 dokumentiert historische Rekordwerte bei CO2, Methan und Lachgas. Analyse zu Ursachen, Auswirkungen auf Kohlenstoffsenken, Risiken für Gesellschaft und Wirtschaft sowie Handlungsoptionen.

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Historischer Anstieg von Treibhausgasen 2024: Folgen

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Die atmosphärischen Konzentrationen von Treibhausgasen stiegen 2024 auf beispiellose Werte, wodurch die Risiken der globalen Erwärmung zunehmen und die Fähigkeit der natürlichen Senken, Emissionen aufzunehmen, auf die Probe gestellt wird. Ein neuer Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hebt einen historischen Sprung bei Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O) hervor — Entwicklungen, die die globalen Klimafolgen deutlich verstärken und weitreichende Auswirkungen auf Ökosysteme, Wirtschaft und Gesellschaft haben.

Starker, beispielloser Anstieg von CO2

Der WMO-Bericht zeigt, dass der atmosphärische CO2-Wert 2024 gegenüber 2023 um etwa 3,5 Teile pro Million (ppm) anstieg – der größte Anstieg in einem Jahr seit Beginn systematischer Messungen im Jahr 1957. Damit erhöhte sich die globale CO2-Konzentration auf ungefähr 423,9 ppm, was rund 152 % des vorindustriellen Niveaus vor 1750 entspricht. In den letzten drei Jahrzehnten war CO2 der dominierende Treiber der menschengemachten Erwärmung und machte seit 1990 etwa 80 % der zusätzlichen Strahlungsantriebe durch Treibhausgase aus.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen mehrere miteinander wirkende Ursachen für diesen Sprung: das anhaltende Verbrennen fossiler Brennstoffe in Energieerzeugung, Industrie und Verkehr, häufiger auftretende und intensivere Wald- und Flächenbrände, die gespeichertem Kohlenstoff freisetzen, sowie eine verringerte Aufnahmefähigkeit von Ozeanen und Wäldern bei steigenden Temperaturen. Hinzu kommen Landnutzungsänderungen, Torf- und Moorbrände sowie erhöhte Emissionen aus bestimmten Industriesektoren. Der Bericht weist außerdem darauf hin, dass der Anstieg von 3,5 ppm über dem jüngsten Jahrzehntsdurchschnitt von etwa 2,57 ppm pro Jahr liegt, was auf eine Beschleunigung der atmosphärischen Anreicherung hinweist.

Aus klimawissenschaftlicher Sicht sind diese Zahlen relevant für die verbleibenden CO2-Budgets, die Abschätzung künftiger Erwärmung und für die Gestaltung von Klimapolitik. Höhere CO2-Werte erhöhen die Strahlungsantriebe und verschieben die Wahrscheinlichkeiten für extreme Klimaereignisse. Maßnahmen zur schnellen Emissionsminderung, insbesondere eine beschleunigte Energiewende, sind deshalb zentral, um die weitere Zunahme der CO2-Konzentration zu bremsen.

Methan und Lachgas erreichen ebenfalls Rekordwerte

Methan (CH4) und Distickstoffoxid (Lachgas, N2O), die nach CO2 die zweit- bzw. drittwichtigsten Treibhausgase sind, erreichten 2024 ebenfalls Rekordkonzentrationen in der Atmosphäre. Methan liegt nun bei etwa 166 % des vorindustriellen Niveaus, und Lachgas liegt rund 25 % höher. Methan wirkt über kürzere Zeiträume deutlich stärker als CO2, weil es pro Molekül mehr Wärme einfängt; sein schneller Anstieg erhöht daher das Risiko kurzfristiger Erwärmung und verstärkt die Wahrscheinlichkeit für extreme Wetterereignisse.

Die Hauptquellen für Methan sind Landwirtschaft (insbesondere Rinderhaltung und Reisanbau), Öl- und Gasproduktion (Leckagen), Deponien und Feuchtgebiete. Für Lachgas sind Düngeranwendung in der Landwirtschaft, bestimmte industrielle Prozesse und Abwassersysteme entscheidend. Beide Gase haben unterschiedliche Atmosphärenlebensdauern und globale Erwärmungspotenziale (GWP), weshalb Maßnahmen zur Reduktion von Methanemissionen oft vergleichsweise schnelle Klimavorteile bringen können, während N2O-Reduktionen langfristig wichtig sind und zusätzlich ozonabbauende Wirkungen von N2O berücksichtigt werden müssen.

Menschliche Aktivitäten und die Rolle der Hauptemittenten

Die globale Verteilung der anthropogenen Emissionen im Jahr 2024 zeigt drei Länder mit den größten Anteilen an menschengemachten Treibhausgasen: China (etwa 29,2 %), die Vereinigten Staaten (etwa 11,1 %) und Indien (etwa 8,2 %). Während China und Indien ihre Emissionen gegenüber dem Vorjahr erhöhten, blieben die US-Emissionen in etwa stabil. Diese nationalen Trends unterstreichen, dass die globalen Konzentrationen das Ergebnis jahrzehntelanger kumulativer Emissionen sind und nicht allein eines einzigen Jahresoutputs.

Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen aktuellen jährlichen Emissionen und kumulierten historischen Emissionen: Industrienationen mit hohem Pro-Kopf-Ausstoß tragen historisch stärker zur kumulierten Erwärmung bei, während schnell wachsende Volkswirtschaften zunehmend großen Anteil an aktuellen Emissionen haben. Effektive Klimapolitik berücksichtigt beide Dimensionen: kurzfristige Emissionsreduktionen zur Vermeidung von Kipppunkten und langfristige Dekarbonisierung zur Einhaltung von 1,5–2 °C-Zielen.

Warum natürliche Kohlenstoffsenken unter Druck geraten

Natürliche Kohlenstoffsenken — primär die Ozeane und terrestrische Ökosysteme wie Wälder und Böden — nehmen jährlich etwa die Hälfte der vom Menschen freigesetzten CO2-Emissionen auf. Ihre Effizienz ist jedoch temperaturabhängig und von ökosystemaren Veränderungen beeinflusst. Erwärmte Meere nehmen aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten und veränderter Zirkulationsmuster etwas weniger CO2 auf; zudem können verstärkte Stratifizierung und verringerte Nährstoffzufuhr die biologische Pumpwirkung abschwächen. Auf dem Land können gestresste Wälder durch Trockenheit, Schädlinge, Krankheiten und Brände von starken Kohlenstoffsenken zu deutlich schwächeren Senken oder sogar zu Quellen werden.

Darüber hinaus führen das Auftauen von Permafrostböden und Änderungen im Feuchtgebiethaushalt zu zusätzlicher Freisetzung von CO2 und Methan. Solche Rückkopplungen (feedbacks) erhöhen die atmosphärischen CO2- und CH4-Konzentrationen weiter und können die Herausforderungen in der Klimapolitik deutlich verschärfen. Die WMO warnt, dass eine Abschwächung der Senkenleistung mehr Kohlenstoff in der Atmosphäre belassen und die Erwärmung beschleunigen würde.

Oksana Tarasova, leitende Wissenschaftlerin bei der WMO, betonte die Sorge, dass Land- und Ozeansenken weniger effektiv werden könnten. Daraus folgt die Notwendigkeit eines kontinuierlichen, hochpräzisen Monitorings der Treibhausgase, um diese Rückkopplungen zu verstehen, vorherzusagen und zu steuern. Präzise Messdaten sind essentiell, um Veränderungen der Kohlenstoffflüsse, die Gesundheit von Ökosystemen und eventuelle Kipppunktbedrohungen frühzeitig zu identifizieren.

Was das für Menschen und Volkswirtschaften bedeutet

Höhere Treibhausgaskonzentrationen führen zu stärkeren und häufigeren Klimaextremen — Hitzeperioden, Starkniederschlägen, Dürrephasen und steigendem Meeresspiegel. Solche Veränderungen bedrohen die Ernährungssicherheit und Wasserversorgung, gefährden Infrastruktur und wirtschaftliche Stabilität und erhöhen gesundheitliche Risiken für Milliarden von Menschen. Besonders verletzliche Bevölkerungsgruppen, Küstenregionen und klimaabhängige Landwirtschaften sind stark betroffen. Diese Risiken manifestieren sich in direkten Schäden (z. B. Ernteausfälle, Zerstörung von Infrastruktur) sowie in indirekten Folgen wie gestiegenen Energiebedarfen, Produktivitätsverlusten und geopolitischen Spannungen.

Ko Barrett, stellvertretende Generalsekretärin der WMO, erklärte, dass „die durch CO2 und andere Treibhausgase eingeschlossene Wärme unser Klima verstärkt und mehr extreme Wetterereignisse sowie Risiken für wirtschaftliches und soziales Wohlbefinden erzeugt.“ Deshalb ist Emissionsreduktion nicht nur eine klimapolitische Priorität, sondern auch eine wirtschaftliche und sicherheitspolitische Notwendigkeit. Investitionen in Anpassungsmaßnahmen, resilientere Infrastruktur und frühzeitige Warnsysteme sind unerlässlich, um die sozioökonomischen Kosten zu begrenzen.

Wege nach vorn: Überwachung, Minderung und Technologie

Die WMO fordert stärkere globale Emissionsreduktionen und verbessertes Monitoring der Treibhausgase. Politische und technologische Maßnahmen umfassen die rasche Einführung erneuerbarer Energien, Steigerung der Energieeffizienz, Elektrifizierung des Verkehrs, Maßnahmen zur Reduzierung von Methanleckagen in der Öl- und Gasindustrie sowie in der Landwirtschaft, verbesserte Forst- und Brandbewirtschaftung sowie Investitionen in Technologien zur CO2-Entfernung und -Speicherung, wo dies angemessen und sicher ist. Naturnahe Lösungen wie Aufforstung, Wiedervernässung von Mooren und nachhaltige Landnutzungspraktiken sind weitere wichtige Bausteine.

Einige Maßnahmen, insbesondere die Verringerung von Methanemissionen (z. B. durch wenig aufwändige Leckageerkennung, Reparaturprogramme und bessere Lagerung in Deponien), können vergleichsweise schnell klimatische Vorteile liefern und das kurzfristige Erwärmungsrisiko mindern. Zugleich erfordern tiefgreifende CO2-Reduktionen systemische Veränderungen in Energiesystemen, Industrieprozessen, Bauwesen und städtischer Mobilität. Kohlenstoffspeicherung (CCS) und negative Emissionstechnologien (CDR) können ergänzend sein, dürfen aber nicht den schnellen Ausstieg aus fossilen Energieträgern verzögern.

Parallel dazu ist der Ausbau satellitengestützter und bodengebundener Überwachungsnetzwerke entscheidend: Instrumente wie das globale Atmosphärenüberwachungsnetz der WMO (Global Atmosphere Watch, GAW), regionale Messnetzwerke, Isotopenanalysen und satellitenbasierte Messsysteme ermöglichen eine unabhängige Verifizierung von Emissionen und die Bewertung der Wirksamkeit von Minderungsmaßnahmen. Höhere Datenverfügbarkeit, transparente Emissionsberichte und fortschrittliche Modellierung (inkl. inverse Modellierungen) verbessern die Nachvollziehbarkeit (MRV — Monitoring, Reporting, Verification) und unterstützen Politikgestaltung und internationale Kooperation.

Genauere, zeitnahe Messungen geben Entscheidungsträgern und Forschenden Werkzeuge an die Hand, um Fortschritte zu verfolgen, Maßnahmen anzupassen und Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit zu schaffen. Dadurch wird es möglich, Emissionsquellen gezielter zu adressieren und deren Reduktion effizienter zu gestalten.

Fachliche Einschätzung

Dr. Maya Alvarez, Forscherin im Bereich Klimasysteme, kommentiert: „Der Sprung 2024 ist eine deutliche Mahnung: Das CO2-Budget ist begrenzt, und Verzögerungen beim Emissionsabbau machen die langfristige Aufgabe schwieriger und kostspieliger. Wir brauchen jetzt aggressivere Minderungsmaßnahmen, kombiniert mit robustem Monitoring, um ein Festfahren in deutlich ungünstigeren Szenarien zu vermeiden.“ Ihre Einschätzung spiegelt den dringenden Appell der WMO für eine anhaltende und koordinierte internationale Aktion wider.

Die Rekordwerte von 2024 unterstreichen eine einfache, aber dringende Tatsache: Die globale Atmosphärenchemie verändert sich schneller, als viele Modelle angenommen hatten. Das macht sofortige, koordinierte Minderungsschritte sowie verbesserte Beobachtungssysteme entscheidend, um weitere Erwärmung zu begrenzen und Gesellschaften weltweit zu schützen. Nur durch kombinierte Anstrengungen in Emissionsreduktion, Anpassung, naturbasierten Lösungen und technologischem Fortschritt lassen sich die Risiken für Mensch und Umwelt deutlich verringern.

Zusammenfassend erfordert die aktuelle Situation eine verstärkte internationale Zusammenarbeit, ambitionierte Klimapolitik und Investitionen in Überwachung, Forschung und Technologien. Gleichzeitig bleibt es unabdingbar, soziale Gerechtigkeit und den Schutz vulnerabler Gemeinschaften in den Mittelpunkt von Klimamaßnahmen zu stellen. Nur so lassen sich die Chancen nutzen, Risiken reduzieren und langfristig eine nachhaltige, klimastabile Zukunft aufbauen.

Quelle: smarti

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