Seltsame Schwefelisotope in Apollo‑17‑Probe enthüllen Geheimnis

Eine Apollo‑17‑Probe zeigt unerwartete Schwefelisotopen‑Signaturen in Troilit. Die Befunde deuten auf frühe photochemische Prozesse oder Überreste des Mars‑großen Impaktors Theia hin und fordern Modelle der Mondentstehung heraus.

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Seltsame Schwefelisotope in Apollo‑17‑Probe enthüllen Geheimnis

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Jahrzehntelang in einem heliumdichten Tresor vergraben, hat ein Bruchstück aus der Apollo‑17‑Kollektion einen unerwarteten Hinweis auf das frühe Sonnensystem geliefert. Winzige Körnchen aus Troilit — ein Eisen‑Schwefel‑Mineral — zeigen ein Schwefelisotopenmuster, das sich von allem unterscheidet, was zuvor in Mondproben beobachtet wurde. Diese Anomalie könnte auf atmosphärische Chemie am jungen Mond oder sogar auf erhaltenes Material des planetaren Körpers hinweisen, der beim Aufbau unseres Mondes eine Rolle spielte.

Ein verborgenes Relikt aus Apollo 17

Während der Apollo‑Missionen Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre brachten die Astronauten insgesamt 382 Kilogramm (842 Pfund) Mondgestein und -boden zur Erde zurück. Ein Teil dieser Proben wurde bewusst unter strengsten Konservierungsbedingungen gelagert — luft- und kontaminationsdicht versiegelt, um künftigen Analysen mit fortschrittlicheren Laborverfahren zu dienen. Eine dieser reservierten Proben, katalogisiert als Drive Tube 73001/2 von der Apollo‑17‑Mission, geriet kürzlich in den Fokus einer sorgfältigen isotopischen Untersuchung.

Der Planetenwissenschaftler James Dottin und Kollegen an der Brown University nutzten hochpräzise Massenspektrometrie, um Schwefelisotope in Fragmenten von Troilit aus jener Probe zu analysieren. Troilit (FeS) ist sowohl in Meteoriten als auch in lunaren Gesteinen verbreitet; der Schwefel in Troilit bewahrt isotopische Fingerabdrücke, die Auskunft über das chemische Umfeld seiner Entstehung geben können. Das Team wählte Körnchen aus, die makroskopisch einen vulkanischen Ursprung zeigten, in der Erwartung, die für Lunarmantelquellen typischen Schwefelsignaturen zu bestätigen.

Apollo‑17‑Lunar‑Module‑Pilot Harrison Schmitt bei der Probensammlung auf dem Mond.

Unerwartete isotopische Fingerabdrücke

Isotope sind Atome desselben Elements mit unterschiedlicher Neutronenzahl; ihre relativen Häufigkeiten können wie ein chemischer Barcode wirken und Aufschluss über Bildungswege und Umweltbedingungen geben. In Teilen der Apollo‑Troilitprobe fanden die Forscher leicht erhöhte Anteile an Schwefel‑33 — ein Muster, das mit vulkanischem Ausgasen auf dem Mond vereinbar ist und zuvor in einigen lunaren Proben dokumentiert wurde. In anderen Körnchen jedoch trat das genaue Gegenteil zutage: eine auffällige Verarmung an Schwefel‑33, die bislang in keinem bekannten Mondmaterial gemessen worden war.

Vor dieser Entdeckung ging man davon aus, dass die Schwefelisotopensignatur des Lunarmantels der irdischen recht nahekommt. Dottins Team fand Werte, die deutlich von terrestrischen Normen abweichen und einen Prozess nahelegen, der sich von typischem planetarem Vulkanismus unterscheidet. Eine solche Schwefel‑33‑Verarmung deutet auf photochemische Verarbeitung hin: Wechselwirkungen zwischen schwefelhaltigen Verbindungen und ultraviolettem Licht in einer dünnen Atmosphäre können Schwefelisotope fraktionieren und so die beobachtete Signatur erzeugen. Technisch betrachtet spricht man hier auch von massenunabhängiger Isotopenfraktionierung (S‑MIF), die charakteristische Δ33S‑Werte hervorruft.

Zwei alte Szenarien — beide tiefgreifend

Es gibt zwei führende Interpretationswege für das photochemische Signal, und beide setzen ein hohes Alter dieser Körnchen voraus. Erstens könnte der Schwefel auf dem Mond selbst gebildet und während einer frühen Epoche verändert worden sein, als ein globaler Magmaozean die lunare Oberfläche bedeckte. Während dieser Phase kühlte das Magmaozean ab und setzte flüchtige Bestandteile frei; schwefelhaltige Gase könnten in eine kurzlebige primordial‑atmosphäre entweicht sein und dort durch Sonnen‑UV prozessiert worden sein. Kondensierte Körner, die später unter der Oberfläche eingeschlossen wurden, könnten demnach diese einzigartige frühe Mondchemie konservieren.

Das zweite, provokativere Szenario bezieht Theia ein — den marsgroßen Impaktor, der seit langem als Verursacher des großen Einschlags gilt, der Erde und Mond geformt hat. Die meisten Modelle der Riesenimpakt‑Hypothese sagen voraus, dass das protolunare Material sich intensiv mit dem Erdmantel vermischte, wodurch eine weitgehend homogene Zusammensetzung des Mondes entstand. Wenn jedoch Teile von Theia trotz dieses Vermischungsprozesses überlebten und in den entstehenden Mond eingebettet wurden, könnten diese Fragmente isotopische Signaturen tragen, die von erdähnlichem Material abweichen. Der anomale Schwefel könnte ein solches erhaltenes Relikt darstellen und damit direkte chemische Spuren eines fremden Planetenbauers liefern.

Planetenwissenschaftler James Dottin bei der Analyse lunaren Materials aus Apollo 17 mit einem sekundären Ionen‑Massenspektrometer.

Warum das für Modelle zur Mondentstehung wichtig ist

Beide Erklärungen haben weitreichende Implikationen für unser Verständnis von Mondentstehung, lunarem volatilem Verhalten und innerplanetaren Austauschprozessen. Wurde der Schwefel photochemisch auf dem Mond verändert, würde dies Mechanismen des Volatilenaustauschs zwischen Oberfläche und Mantel nahelegen, die wir noch nicht vollständig verstehen — Prozesse, die in einigen Aspekten an die auf der Erde wirkende Subduktions‑ und Recyclingdynamik erinnern mögen, aber auf einem luftlosen Körper ganz anders ablaufen müssen. Insbesondere würde dies Fragen nach der Häufigkeit, Zusammensetzung und Lebensdauer einer frühen protolunaren Atmosphäre sowie nach Verdampfungs‑ und Rekondensationszyklen aufwerfen.

Stellt der Schwefel hingegen überlebte Materialanteile von Theia dar, wäre dies seltene direkte chemische Evidenz dafür, dass ein anderer planetarer Körper intakte Fragmente zur Entstehung des Mondes beigesteuert hat. Das würde die Vorstellung einer vollständig homogenen Mischung des Impaktmaterials infrage stellen und auf heterogene Nebel oder unvollständiges Rühren des entstehenden Lunarsystems hinweisen. Solche Befunde könnten die Modelle für den energetischen Ablauf des Riesenimpakts, die Materialdynamik beim Aufschmelzen und die spätere Akkretion komplexer machen.

Beide Deutungswege fordern also einfache Szenarien heraus, in denen der Mond aus einer gut durchmischten Wolke von Einschlagsfragmenten entstand. Eine heterogene Verteilung von Schwefelisotopen würde für lokal begrenzte Reservoirs, partielle Durchmischung oder sogar temporäre atmosphärische Prozesse sprechen, die signifikante isotopische Signaturen konservieren konnten.

Techniken und nächste Schritte

Die Studie stützte sich auf moderne Massenspektrometrie‑Methoden, die die Instrumente der Apollo‑Ära bei weitem übertreffen. Genau aus diesem Grund wurden einige Proben bewusst zurückgelegt: um späteren Generationen von Messmethoden den Zugang zu ermöglichen. Selbst mit heutigen Messgeräten ruhen die Aussagen jedoch bislang auf einer einzigen versiegelten Probe. Die Bestätigung dieses Befunds erfordert zusätzliche Messungen an weiteren lunaren Materialproben und idealerweise neue, ungeöffnete Proben, die von künftigen Missionen zurückgebracht werden.

Als Folgeaktivitäten schlagen die Forscher mehrere Schritte vor: gezielte isotopische Untersuchungen anderer zurückbehaltener Apollo‑Proben; vergleichende Studien von Troilit in Meteoriten, lunarem Auswurfmaterial und terrestrischen Analoga; sowie mittel‑ bis langfristig neue Sample‑Return‑Missionen zu Regionen, die alte Lunarmantel‑Materialien konservieren könnten, etwa in Procellarum‑Gebieten oder tiefen Einschlagsbasins. Parallel dazu sind Laborexperimente geplant, die photochemische Prozesse unter dünnatmosphärischen Bedingungen simulieren sollen, um die Verdampfungs‑ und Rekondensationshypothese experimentell zu prüfen. Dabei kommen Techniken wie SIMS (Secondary Ion Mass Spectrometry), MC‑ICP‑MS (Multicollector‑Inductively Coupled Plasma Mass Spectrometry) und NanoSIMS in Frage, kombiniert mit strengen Kontaminationskontrollen.

Wichtig ist zudem eine koordinierte Laborinfrastruktur: interlaborative Vergleichsmessungen, Standardisierungsprotokolle für Δ33S‑ und Δ34S‑Bestimmungen sowie Blindproben, um Laborartefakte auszuschließen. Datumsbestimmungen (Radiometrie) und petrographische Kontextanalysen können helfen, die zeitliche Einordnung und die Entstehungsumgebung der untersuchten Körnchen weiter zu verfeinern.

Expert Insight

'Entdeckungen dieser Art erinnern uns daran, dass selbst kleine, versiegelte Proben langjährig konserviertes Wissen enthalten können, das etablierte Annahmen umwerfen kann', sagt Dr. Elena Morales, fiktive Planeten‑Geochemikerin an einer großen Forschungsuniversität. 'Die Isotopenmuster weisen auf Chemie hin, die wir auf dem Mond nicht erwartet hatten. Ob es ein Überrest von Theia ist oder ein Signal aus einer kurzlebigen lunaren Atmosphäre — wir erhalten dadurch einen direkten Einblick in Ereignisse vor etwa 4,5 Milliarden Jahren.' Sie betont, dass koordinierte isotopische Arbeiten über mehrere Labore hinweg entscheidend seien, um Kontamination oder laborspezifische Artefakte auszuschließen.

Was als Nächstes in der Lunarforschung kommt

Die neue Arbeit — veröffentlicht in JGR Planets — ist ein Aufruf, bereits gelagerte lunare Proben mit frischem Blick erneut zu untersuchen. Sie unterstreicht den Wert, Proben für künftige Instrumente zu bewahren, die empfindlich genug sind, subtile isotopische Signaturen zu erkennen. Die Klärung, ob der ungewöhnliche Schwefel auf dem Mond entstand oder von einem mittlerweile verlorenen planetaren Verwandten stammt, wird Zeit, zusätzliche Proben und interdisziplinäre Experimente benötigen. Dennoch dient der Befund bereits als Spur zurück in die chaotische, energiegeladene Phase der Planetenbildung und eröffnet neue Fragestellungen zur Rolle von Atmosphären, Volatiltransport und Impaktprozessen in der frühen Erd‑Mond‑Systemgeschichte.

Quelle: sciencealert

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