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Wie oft man Stuhlgang hat, kann mehr über den Körper aussagen, als man vielleicht erwartet. Eine große Beobachtungsstudie an allgemein gesunden Erwachsenen identifizierte eine klare "Goldilocks"-Zone: Personen, die ein- bis zweimal täglich Stuhl absetzen, zeigen tendenziell die gesündesten biologischen Signaturen. Zu seltene oder zu häufige Stuhlgänge standen im Zusammenhang mit unterschiedlichen metabolischen und mikrobiellen Mustern, die potenzielle Auswirkungen auf die langfristige Gesundheit haben können. Die Studie verknüpft damit alltägliche Stuhlgewohnheiten mit messbaren Biomarkern und liefert Hinweise für Prävention, klinische Bewertung und weitere Forschung zur Darmgesundheit und zum Mikrobiom.
Studiendesign und eingeschlossene Personen
Die von Teams des Institute for Systems Biology (ISB) geleitete Untersuchung, veröffentlicht in Cell Reports Medicine, verfolgte die Häufigkeit des Stuhlgangs bei 1.425 Erwachsenen, die keine diagnostizierten Nierenerkrankungen oder chronischen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Reizdarmsyndrom angaben. Die Teilnehmenden klassifizierten selbst ihre üblichen Toilettenroutinen und wurden in vier Kategorien eingeteilt: Obstipation (ein bis zwei Stuhlgänge pro Woche); niedrig-normal (drei bis sechs pro Woche); hoch-normal (ein bis drei pro Tag); und Diarrhö (vier oder mehr wässrige Stühle pro Tag).
Über einen einfachen Fragebogen hinaus kombinierten die Forscher mehrere Datenschichten: Stuhlmikrobiom-Profile, Metabolomik und Chemie des Blutplasmas, genetische Daten sowie ausführliche Ernährungs‑ und Lebensstilumfragen. Teilnehmende stellten Proben von Blutplasma und Stuhl zur Verfügung und füllten umfangreiche Fragebögen zu Ernährung, Gesundheit und Lebensgewohnheiten aus. Diese multimodale Herangehensweise erlaubte es, mikrobiologische Befunde mit zirkulierenden Metaboliten und Lebensstilfaktoren zu verknüpfen (Johnson-Martínez et al., Cell Reports, 2024).

Was die Forschenden fanden: Mikroben, Metabolite und Risikosignale
Innerhalb der Kohorte zeigten sich die robustesten Marker für eine bessere Gesundheitslage in der Gruppe mit hoch-normaler Stuhlfrequenz — also bei Personen, die ein‑ bis zweimal täglich Stuhl absetzen. Diese Teilnehmenden berichteten im Durchschnitt von höherer Ballaststoffzufuhr, größerer Flüssigkeitsaufnahme und häufigerer körperlicher Aktivität. Ihre Stuhlmikrobiome wiesen eine Zunahme an Bakterien auf, die bekannt dafür sind, Nahrungsfasern zu fermentieren und dabei nützliche kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat zu produzieren. Butyrat unterstützt die Darmbarriere, moduliert entzündliche Prozesse und trägt zur systemischen Stoffwechselgesundheit bei.
Am jeweiligen Extrem divergierten die Muster in aufschlussreicher Weise. Personen mit häufiger Verstopfung hatten Stuhlgemeinschaften, in denen Mikroorganismen dominierten, die bevorzugt Protein fermentieren. Bei langsamem Darmtransit sind die verfügbaren Ballaststoffe oft bereits von den Bewohnern des Darms verstoffwechselt, woraufhin mikrobielles Wachstum verstärkt Proteine abbaut. Dieser Proteinabbau führt zur Bildung von Metaboliten, die in höheren Konzentrationen toxisch wirken können. Die Forschenden detektierten erhöhte Blutspiegel mehrerer dieser Nebenprodukte — namentlich Indoxylsulfat — ein bekanntes Proteinfermentationsprodukt, das mit Nierenschäden und Stressparametern assoziiert wird.
Im Gegensatz dazu zeigten Teilnehmende in der Diarrhö-Gruppe vermehrt Bakterien im Stuhl, die normalerweise im oberen Gastrointestinaltrakt vorkommen. Ihre Blutchemie wies Marker auf, die mit Leberstress und veränderter Gallensäuremetabolik in Einklang stehen. Diese Befunde deuten auf mögliche Verbindungen zwischen beschleunigtem Transit, Verschiebungen der mikrobiellen Lokalisation im Verdauungstrakt und organischen Veränderungen auf Leber‑ und systemischer Ebene hin. Zusammen ergeben die Daten ein konsistentes Bild: Abweichungen in der Stuhlfrequenz korrespondieren mit spezifischen mikrobiellen Gemeinschaften und metabolischen Signaturen, die organische Belastungen anzeigen können.

Die Leber recycelt normalerweise Gallensäure, um Nahrungsfette zu lösen und aufzunehmen
Assoziationen interpretieren und mögliche Kausalität
Da die Studie Querschnitts‑ und Beobachtungsdaten verwendete, kann sie keine direkte Kausalität zwischen Stuhlfrequenz und Erkrankungen beweisen. Gleichwohl stärken die integrierten metabolomischen und mikrobiellen Signaturen die Argumentation für einen biologisch plausiblen Mechanismus: Veränderte Transitzeit moduliert mikrobielles Verhalten, was wiederum zirkulierende Metaboliten verändert und über die Zeit Organfunktionen beeinflussen kann. Solche Mechanismen sind konsistent mit experimentellen Daten aus Tiermodellen und kontrollierten Ernährungsstudien, die zeigen, dass Darmtransit, Ernährung und Mikrobiom in wechselseitiger Beziehung stehen.
Die Erstautorinnen und -autoren betonen, dass diese Assoziationen selbst nach Anpassung für gängige Störfaktoren wie Alter, Geschlecht und Body‑Mass‑Index persistierten. "Diese Studie zeigt, wie Stuhlfrequenz alle Körpersysteme beeinflussen kann und wie abweichende Stuhlgewohnheiten ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung chronischer Erkrankungen sein könnten", erklärte ISB‑Mikrobiologe Sean Gibbons, Korrespondenzautor des Berichts. Solche Aussagen unterstreichen die Bedeutung der Stuhlfrequenz als leicht zu erfassenden klinischen Parameter mit potenziell weitreichender biologischer Relevanz.
Lässt sich das Mikrobiom — und damit der Stuhlgang — verändern?
Es gibt zunehmende Evidenz, dass das Darmmikrobiom rasch auf Lebensstiländerungen reagiert. Die Studie stellt fest, dass Menschen mit ein bis zwei Stuhlgängen pro Tag tendenziell eine ballaststoffreichere Ernährung hatten und sich öfter körperlich betätigten; entsprechend spiegelte ihr Mikrobiom eine faserfermentierende Gemeinschaft wider. Experimentelle Studien unterstützen die Auffassung, dass Mikrobiome sich mit Ernährungsumstellungen und Aktivitätsänderungen verschieben: Beispielsweise zeigte ein 2025 erschienener Preprint aus Deutschland, dass Krafttraining die Zusammensetzung der Darmbakterien zuvor inaktiver Erwachsener innerhalb von acht Wochen veränderte.
Solche Befunde legen praxisnahe Interventionen nahe: Eine Erhöhung der Ballaststoffzufuhr, ausreichende Hydratation und regelmäßige körperliche Aktivität können bei manchen Menschen die Stuhlfrequenz in einen gesünderen Bereich verschieben. Allerdings betonen die Forschenden auch die individuelle Variabilität: Eine US‑klinische Studie aus 2025 fand, dass Personen mit hoher Häufigkeit an methanproduzierenden Mikroben besonders effizient darin sind, Ballaststoff in kurzkettige Fettsäuren umzuwandeln. Das bedeutet, dieselbe Ernährung kann in unterschiedlichen Darmökologien zu unterschiedlichen metabolischen Ergebnissen führen — ein wichtiger Aspekt für personalisierte Ernährungsempfehlungen.
In den Stuhlproben von Personen mit seltenerem Stuhlgang fanden sich erhöhte Anteile an Bakterien, die mit Proteinfermentation assoziiert sind. Dieses Muster ist ein bekanntes Risiko bei Obstipation und erklärt, warum längerfristige Verstopfung nicht nur Beschwerden verursacht, sondern auch metabolische Belastungen nach sich ziehen kann.
Fachliche Einordnung
"Die Häufigkeit des Stuhlgangs ist ein einfach messbares Verhalten, das Einblicke in komplexe Wirts‑Mikroben‑Interaktionen bietet", sagt Dr. Maya Patel, Gastroenterologin und translational arbeitende Mikrobiomforscherin. "Klinikerinnen und Kliniker sollten auf Veränderungen gegenüber dem individuellen Baseline achten — selbst moderate Verschiebungen können auf zugrundeliegende metabolische oder mikrobielle Veränderungen hinweisen, die durch Ernährung und Lebensstil beeinflussbar sind." Diese Einschätzung betont, dass die Stuhlfrequenz als Screening‑Parameter in der Primärversorgung und in der Prävention nützlich sein kann, insbesondere wenn sie mit anderen Risikofaktoren kombiniert beurteilt wird.
Klinische und gesundheitspolitische Implikationen
Die Studie untermauert die Idee, dass routinemäßige Stuhlgewohnheiten nicht nur eine private Unannehmlichkeit sind, sondern bedeutsame biologische Signale darstellen können. Für klinische Fachkräfte und Personen im öffentlichen Gesundheitswesen könnte die Integration von Fragen zur Stuhlfrequenz in Screenings und präventive Beratung helfen, Menschen zu identifizieren, die von Ernährungsberatung, metabolischer Abklärung oder weitergehender Diagnostik profitieren könnten. Dabei sind einfache Maßnahmen wie Ballaststoffberatung, Trinkverhalten und Bewegungsprogramme leicht implementierbar und kosteneffizient.
Die Autorinnen und Autoren weisen jedoch darauf hin, dass die Studie eine klinische Abklärung nicht ersetzt. Akute Veränderungen der Stuhlfrequenz, das Vorkommen von Blut, starke Schmerzen, unerklärter Gewichtsverlust oder andere Alarmzeichen sollten ärztlich abgeklärt werden, um Infektionen, entzündliche Darmerkrankungen oder andere behandelbare Zustände auszuschließen. Zudem sind randomisierte, kontrollierte Interventionsstudien nötig, um zu klären, welche Maßnahmen bei welchen mikrobiellen Ausgangsbedingungen die besten Effekte erzielen.

Eine pflanzenbetontere Ernährung kann gesundheitliche Vorteile bringen
Praktische Empfehlungen und Umsetzungsaspekte
Für Personen, die ihre Darmgesundheit verbessern oder eine ausgeprägte Abweichung von ihrer üblichen Stuhlfrequenz beobachten, sind folgende, evidenzbasierte Maßnahmen sinnvoll und weitgehend risikoarm:
- Erhöhung der Ballaststoffzufuhr: Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Obst, Gemüse und Nüsse fördern die Produktion kurzkettiger Fettsäuren und unterstützen eine vielfältige Darmflora.
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Wasser und Flüssigkeiten unterstützen den Transit und die Passage grosser Faseranteile.
- Regelmäßige körperliche Aktivität: Bewegung moduliert Darmmotilität, verbessert den Stoffwechsel und unterstützt ein günstiges Mikrobiomprofil.
- Schrittweise Änderungen: Eine langsame Erhöhung der Ballaststoffe reduziert Blähungen und Unwohlsein und ermöglicht dem Mikrobiom eine Anpassung.
- Individuelle Anpassung: Bei bekannter Methanproduktion oder anderen mikrobiellen Besonderheiten kann eine maßgeschneiderte Ernährungsstrategie effektiver sein als pauschale Empfehlungen.
Diese Maßnahmen sind keine Garantie für eine bestimmte Stuhlfrequenz, zeigen aber in der Summe positive Effekte auf Darmtransitzeit, Mikrobiomdiversität und metabolische Marker. Bei anhaltenden Beschwerden oder alarmierenden Symptomen sollte ärztlicher Rat eingeholt werden.
Wissenschaftliche Bedeutung und Ausblick
Die Studie liefert ein umfassendes Datenset, das das Zusammenspiel von Stuhlfrequenz, Mikrobiomzusammensetzung und zirkulierenden Metaboliten beleuchtet. Für die Forschung bedeutet dies mehrere wichtige Ansatzpunkte: Die Identifikation spezifischer mikrobieller Taxa, die mit gesundem Transit assoziiert sind; die Untersuchung, wie verschiedene Ernährungsformen (z. B. ballaststoffreich vs. proteinreich) die Metabolomprofile modulieren; und die Notwendigkeit longitudinaler sowie randomisierter Interventionsstudien, um Kausalzusammenhänge zu klären.
Auf Populationsebene könnten diese Erkenntnisse dazu beitragen, einfache Screening‑Parameter in Präventionsprogramme zu integrieren und frühzeitig Personen zu identifizieren, die von Lifestyle‑Interventionen profitieren. Auf individueller Ebene unterstreicht die Untersuchung die Bedeutung personalisierter Ansätze in der Ernährungsmedizin und Mikrobiomtherapie.
Fazit: Was man mitnehmen sollte
Regelmäßigkeit ist wichtig. Für viele Menschen entspricht ein täglicher Stuhlgang — grob einmal pro Tag — einem Mikrobiom‑ und Metabolomprofil, das mit besseren Gesundheitsmarkers assoziiert ist. Wer konsequent an den Extremen liegt, kann oft mit moderaten Lebensstiländerungen wie erhöhtem Ballaststoffkonsum, ausreichender Flüssigkeitsaufnahme und mehr Bewegung eine positive Verschiebung der Darmökologie und der zirkulierenden Metaboliten erreichen. Diese Maßnahmen sollten jedoch individuell angepasst und bei persistierenden oder alarmierenden Symptomen mit medizinischer Beratung kombiniert werden. Insgesamt liefert die Studie belastbare Hinweise darauf, dass Stuhlfrequenz ein einfacher, aber aussagekräftiger Indikator für Darmgesundheit, Mikrobiomstatus und mögliche langfristige Risiken sein kann.
Quelle: sciencealert
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