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Hoch an den östlichen Hängen der Anden haben Wissenschaftler ein außergewöhnliches Fossilarchiv entdeckt: fast 18.000 Dinosaurierspuren, erhalten in der antiken Uferzone eines verschwundenen Sees. Der Fundort Carreras Pampa im Torotoro-Nationalpark bietet einen seltenen, verhaltensreichen Schnappschuss des Lebens in der späten Kreidezeit — von Gehen und Rennen bis hin zu Schwimmspuren — alles konserviert in karbonatreichem Schlamm, der auf ein Alter von etwa 70 Millionen Jahren datiert wird.
Fundort und Überblick
Die Fußspuren zählen: Umfang und Bedeutung
Paläontologen katalogisierten fast 18.000 einzelne Eindrücke in Carreras Pampa, womit es sich um das bislang größte dokumentierte Dinosaurierspurfeld handelt. Die Zählung umfasst rekordverdächtige 16.600 dreizehige Abdrucke, die in 1.321 Trackways angeordnet sind, sowie 289 isolierte Abdrücke. Zusätzlich identifizierten die Forscher 1.378 Schwimmspuren, verteilt auf 280 Trackways — Spuren, die entstanden, als Dinosaurier sich durch seichtes Wasser fortbewegten.

Eine kleine Auswahl einiger der Spuren am Fundort
Alle Spuren werden Theropoden zugeschrieben, der Gruppe, zu der die bekannten fleischfressenden Dinosaurier und ihre avianen Nachfahren gehören. Die meisten Fußabdrücke sind moderat in der Größe — zwischen 10 und 30 Zentimetern — und entsprechen damit kleinen bis mittelgroßen Theropoden, Tieren, die höchstens die Höhe eines großen Menschen erreichten. Die Richtungsorientierung vieler Trackways, häufig entlang der ehemaligen Uferlinie hin und her verlaufend, deutet darauf hin, dass dieser Seeuferbereich eine wichtige Nahrungs- oder Wasserstelle war.
Die schiere Anzahl der Spuren ermöglicht Detailanalysen von Populationsdichte, sozialen Interaktionen und Nutzungsmustern des Lebensraums. Solche großflächigen Spurfelder sind für die Ichnologie — die Lehre von Spuren und Fährten — von hohem Wert, da sie Verhaltensmuster in einer Weise dokumentieren, wie es Skelettfunde selten tun.
Erhaltung und Fossilisierung
Warum diese Spuren 70 Millionen Jahre überdauerten
Nicht jeder matschige Fußabdruck überdauert die geologische Überlieferung. Carreras Pampa ist außergewöhnlich aufgrund einer seltenen Kombination aus Substrat, Umweltbedingungen und Begräbungsprozessen, die selbst filigrane Abdrücke konservierten. Die Schicht, die die Spuren aufnahm, ist reich an ovalen Calciumcarbonatkörnern — hauptsächlich eingebetteten Ostrakodenpanzern und Ooid-Körnchen — mit etwa 35 Prozent feinkörniger Silikate. Diese Mischung erzeugte eine Oberfläche, die bei feuchtem, aber nicht tief unter Wasser stehendem Zustand weich genug war, um tiefe Eindrücke aufzunehmen, aber kohäsiv genug blieb, um diese Eindrücke ausreichend lange zu halten, bis sie bedeckt und lithifiziert wurden.
Bei Schwankungen des Seespiegels liefen, rannten oder schwammen Tiere über die flachen Uferzonen und hinterließen Spuren, die rasch von dünnen Sedimentschichten überdeckt wurden. Entscheidend war, dass nachfolgendes Trampeln frühere Eindrücke über weite Teile des Gebietes nicht vollständig vernichtete, wodurch mehrere Verhaltensgenerationen in bemerkenswerter Detailtiefe erhalten blieben.
Ostrakoden, Ooids und Fossilisierung einfach erklärt
Ostrakoden sind winzige Krebstiere, deren Schalen sich in Sedimenten anreichern können, während Ooids kleine, kugelige Karbonatkörnchen sind, die in seichtem, bewegtem Wasser wachsen. Zusammen bilden sie einen körnigen Karbonatschlamm, der sowohl kohäsiv als auch verformbar ist — ein ideales Medium, um Spuren zu erzeugen und zu halten, bis sie begraben und fossilisiert werden. Die Geochemie dieser karbonatreichen Schichten begünstigte zudem frühdiagenetische Zementation, die die detailreiche Erhaltung unterstützte.
Geomorphologische Faktoren wie die geringe Fließgeschwindigkeit, periodische Austrocknungspausen und die schnelle Ablagerung feiner Schichten trugen ebenfalls zur außergewöhnlichen Konservierung bei. Solche Taphonomie-Bedingungen (die Prozesse von Entstehung bis Erhaltung eines Fossils) sind selten und machen Carreras Pampa zu einem herausragenden Beispiel für ichnologische Forschung.
Verhalten und Analyse
In Stein gespeichertes Verhalten: Was die Spuren zeigen
Über einfache Fußabdrücke hinaus bewahrt der Fundort eine Vielfalt von Spurtypen. Die Forscher dokumentierten Krallenstriche, Schwanzspuren und flache Kratzmarken, wo Füße beim Schwimmen über den Seeboden geschleift wurden. Die Größen der Spuren variieren von unter 10 Zentimetern bis über 30 Zentimeter, und einige Trackways zeigen scharfe Richtungsänderungen sowie unterschiedliche Schrittvertiefungen — Hinweise darauf, dass Tiere beschleunigten, abdrehten oder auf weichen Untergrund reagierten.
Bemerkenswert sind die zahlreichen Schwanzschleifspuren, die viele Trackways begleiten, was darauf hindeutet, dass einige Theropoden ihren Schwanz mit dem Boden berührten, als sie durch weichen Schlamm kämpften. Diese Merkmale liefern seltene, direkte Belege für locomotive Reaktionen auf Einsinken oder Ausrutschen in wassergesättigtem Substrat — Verhalten, das Knochenfunde allein kaum dokumentieren können.
Anhand von Track-Morphometrie-Analysen — Messungen von Schrittlänge, Schrittfrequenz, Zehendruck und Silhouettenform — lassen sich Rückschlüsse auf Gangarten, Geschwindigkeit und sogar Alterstrukturen innerhalb der Population ziehen. Beispielsweise deuten engere Schrittweiten und kleinere Abdruckgrößen auf juvenile Individuen hin, während längere Schrittweiten größere, potenziell adulte Tiere repräsentieren.
Methodisch kombinieren die Forscher Geländevermessungen, detaillierte Fotogrammetrie, 3D-Laserscanning und GIS-basierte Kartierungen, um exakte digitale Modelle der Oberfläche zu erstellen. Diese digitalen Datensätze ermöglichen nicht nur präzise morphometrische Auswertungen, sondern auch Langzeitbeobachtungen der Erosionsdynamik und der konservatorischen Maßnahmen.

Einige der Theropoden-Spuren am Fundort
Interpretation von Schwimmspuren und Tail-Drag-Merkmalen
Schwimmspuren — charakterisiert durch breite, unregelmäßige Abdrücke der Hinter- oder Vorderextremitäten, kombiniert mit einzelnen Schleifmarken — geben Aufschluss darüber, wie Theropoden seichtes Wasser durchquerten. Solche Spuren erlauben es, die Körperhaltung beim Schwimmen abzuleiten: oft deutet eine Serie von schrägen Abdrücken auf paddelnde Bewegungen, ergänzt durch gelegentliche Schleifmarken des Schwanzes, wenn der Auftrieb nicht ausreichte, um Körper und Schwanz vollständig zu entlasten.
Die Kombination aus Schwimmspuren, Tail-Drag-Spuren und Fußabdrücken ist besonders wertvoll, um Belastungspunkte zu rekonstruieren und Modelle zur Körpermasseverteilung zu validieren. Solche Daten liefern ergänzende Evidenz zu biomechanischen Simulationen, die auf Skelettelementen basieren.
Bedeutung als Lagerstätte
Warum Forscher Carreras Pampa als Lagerstätte bezeichnen
In der Paläontologie bezeichnet man als Lagerstätte eine Ablagerung mit außergewöhnlicher Erhaltung, die Weichteile, Verhaltensspuren oder komplette Ökosysteme offenbaren kann. Die Kombination aus enormer Spuranzahl, Vielfalt an Spurtypen (Laufen, Rennen, Schwimmen, Schwanzspuren) und der Klarheit der Erhaltung reiht Carreras Pampa unter die weltweit bedeutenden ichnologischen Lagerstätten ein. Das Forschungsteam unter der Leitung von Raúl Esperante vom Geoscience Research Institute argumentiert, dass die Lokalität als ichnologisches Konzentrations- und Konservations-Lagerstätte klassifiziert werden sollte, wegen ihres außergewöhnlichen Verhaltensarchives.
Solche Klassifikationen sind nicht rein akademisch: Sie beeinflussen Schutzmaßnahmen, Forschungsmittel und die internationale Aufmerksamkeit. Ein Lagerstätten-Status unterstützt auch den Aufbau langfristiger Monitoringprogramme und kann Nationalparks dabei helfen, Besucherlenkung und Bildungsprogramme zu entwickeln, ohne das fragile Fossilsubstrat zu gefährden.
Wissenschaftlicher Kontext und Ausblick
Kontext in der späten Kreidezeit und künftige Forschung
Der Fund von Carreras Pampa ergänzt das Bild von spätkreidezeitlichen Binnengewässern in Südamerika und der Verhaltensökologie theropoder Gemeinschaften in Uferbereichen. Durch die Kombination detaillierter Kartierungen, Track-Morphometrie und Sedimentanalyse können Forscher Populationsdichten, Bewegungsmuster und Räuber-Beute-Dynamiken an der Seekante besser rekonstruieren.
Die Studie, veröffentlicht in PLOS One, hebt zudem den Wert hochgelegener Feldstandorte wie dem Torotoro-Nationalpark hervor, die ungewöhnliche geologische und paläobiologische Archive bewahren. Hochlage bedingt oft geringere Erosionsraten durch Vegetation oder menschliche Aktivität, zugleich können klimatische Bedingungen die Diagenese verändern und so die Erhaltung begünstigen.
Zukünftige Arbeiten werden sich auf mehrere Schwerpunkte konzentrieren:
- Feinmaßige Kartierung und umfassende Photogrammetrie zur Erstellung langlebiger 3D-Modelle.
- Detaillierte sedimentologische und petrographische Analysen zur Rekonstruktion von Ablagerungsumgebungen und Diagenese.
- Quantitative Ichnologie: statistische Auswertung von Trackway-Daten zur Bestimmung von Gruppenverhalten und Bewegungsdynamiken.
- Vergleichende Studien mit anderen bedeutenden Spurfeldern, um regionale und globale Muster abzugrenzen.
Diese Ansätze verbessern die Aussagekraft von Carreras Pampa über einzelne Spuren hinaus und ermöglichen es, vernetzte ökologische Szenarien zu modellieren: etwa wie saisonale Wasserstände, Konkurrenz um Ressourcen und prädatorische Strategien an einem Süßwassersee zusammenwirkten.
Experteneinsicht
Fachliche Bewertung und Bedeutung für die Paläobiologie
„Stätten wie Carreras Pampa liefern uns Verhaltensdaten, die Knochen alleine nicht bieten können“, sagt Dr. Ana Morales, Paläobiologin an der Universidad Mayor de San Andrés (fiktiver Kommentar). „Schwimmspuren, Schwanzschleifspuren und die schiere Dichte der Abdrücke erlauben Rekonstruktionen, wie diese Tiere mit ihrer Umwelt interagierten — wie sie sich bewegten, wo sie Nahrung suchten und wie ein einzelner Süßwassersee ein gesamtes lokales Ökosystem prägte.“
Laufende Arbeiten umfassen detaillierte Photogrammetrie, sedimentäre Kartierung und konservatorische Planung, um den Fundort vor Erosion und anthropogenen Einflüssen zu schützen. Indem Forscher diese Spuren digitalisieren, bietet Carreras Pampa ein dynamisches, zugängliches Archiv für Wissenschaftler und Öffentlichkeit gleichermaßen und macht die letzten Kapitel dinosaurierdominierter Ökosysteme auf eine Weise sichtbar, wie es Skelettausstellungen niemals können.
Schutzkonzepte werden zudem partizipativ mit lokalen Gemeinden entwickelt, um nachhaltigen Tourismus zu fördern und den wissenschaftlichen Wert des Gebiets langfristig zu sichern. Die Verbindung von Forschung, Bildung und Naturschutz kann so auch ökonomische Perspektiven für die Region eröffnen, ohne das fragile Fossilsubstrat zu gefährden.
Insgesamt bietet Carreras Pampa ein reiches, multifunktionales Datenreservoir: von mikrostratigraphischen Details der Karbonatschichten bis hin zu großen Verhaltensmustern ganzer Theropoden-Gemeinschaften. Die Stätte bleibt ein Schlüssel, um die Wechselwirkungen zwischen Geologie, Klima, Morphologie und Verhalten in terrestrischen Paläoökosystemen zu verstehen.
Quelle: sciencealert
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