8 Minuten
Ein kürzlich identifiziertes, durch Zecken übertragbares Bakterium, das bei Hunden nachgewiesen wurde, hat bei Tierärzten und Fachleuten für öffentliche Gesundheit Besorgnis ausgelöst. In Kulturen gezüchtet und genomisch sequenziert von Wissenschaftlern der North Carolina State University, gehört der Organismus zur Gruppe der Zeckenerkrankungen vom Typ der Fleckfieber-Rickettsien und wurde nach dem ersten betroffenen Hund, Finny, als Rickettsia finnyi benannt. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass der Erreger bei Hunden schwere Erkrankungen verursachen kann und potenziell ein Risiko für den Menschen darstellen könnte, falls ein Artwechsel stattfindet.
Was die Forschenden entdeckten und warum es wichtig ist
Die Wissenschaftler an der NC State kultivierten das Bakterium erfolgreich aus dem Blut eines erkrankten Hundes, dessen Symptome an Rocky Mountain spotted fever (RMSF) erinnerten — eine schwere Erkrankung, die durch Rickettsia rickettsii verursacht wird. Genomsequenzierung zeigte, dass Rickettsia finnyi eine neue Art innerhalb der Fleckfiebergruppe darstellt. Der erste Bericht reicht zurück zu einer Fallserie aus dem Jahr 2020 mit drei Hunden; in anschließenden Untersuchungen konnten weitere 16 infizierte Tiere nachgewiesen werden, vorwiegend aus dem Südosten und dem Mittleren Westen der USA.
Das klinische Bild bei den 17 bestätigten Hundefällen umfasste von mäßigem bis schwerem Fieber, ausgeprägte Lethargie, Appetitverlust und Thrombozytopenie (verminderte Thrombozytenzahl). Laboruntersuchungen zeigten neben Thrombozytopenie häufig Leukozytenveränderungen, erhöhte Entzündungsmarker und in Einzelfällen Anzeichen für Nierenbeteiligung. Während die Mehrzahl der Tiere nach schneller antibiotischer Therapie, typischerweise mit Doxycyclin, genas, waren mehrere Fälle ungünstig: Ein Tier verstarb vor Diagnosestellung, ein weiteres wurde aufgrund eines schlechten Verlaufs eingeschläfert, und ein Hund erlitt nach Therapie einen Rückfall und entwickelte später ein nephrotisches Syndrom, dem es erlag.
„Wir berichteten erstmals über die neuartige Rickettsienart in einer Fallserie von 2020 mit drei Hunden“, erklärte die Veterinärforscherin Barbara Qurollo von der NC State. „Seitdem erhielten wir Proben von weiteren 16 Hunden – überwiegend aus dem Südosten und dem Mittleren Westen – die mit demselben Erreger infiziert waren.“ Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Emerging Infectious Diseases (2025) veröffentlicht und dokumentieren sowohl die molekularen Befunde als auch die klinischen Verläufe.

Häufige klinische Befunde bei 17 Hunden mit natürlicher Infektion durch Rickettsia finnyi.
Wie sich Rickettsia-Arten verhalten und ausbreiten
Rickettsien sind intrazelluläre Bakterien, das heißt, sie überleben und vermehren sich innerhalb von Wirtszellen. Diese Eigenschaft erschwert das Züchten im Labor, macht aber das Isolieren und anschließende Sequenzieren des Genoms zur unerlässlichen Methode, um neue Arten eindeutig zu bestätigen. Viele Vertreter der Fleckfiebergruppe wurden erst in den letzten Jahrzehnten durch Fortschritte in molekularen Diagnoseverfahren und genomischen Werkzeugen vollständig erkannt und klassifiziert. Die Kombination aus Kultur, PCR-basierter Typisierung und Whole-Genome-Sequencing (WGS) erlaubt heute eine deutlich präzisere Einordnung neuer Rickettsienarten.
Wichtig ist, dass Hunde und Menschen normalerweise nicht die primären Wirte dieser Bakterien sind — Zecken dienen als natürliche Reservoirs und als Vektoren. Dennoch können Haustiere und Menschen als sogenannte Fehlwirte auftreten, die eine Infektion entwickeln oder kurzzeitig als Träger fungieren. Historisch wurden beispielsweise Arten wie Rickettsia parkeri zuerst in Tieren identifiziert und erst Jahrzehnte später klar mit menschlicher Erkrankung in Verbindung gebracht. Der erste bestätigte menschliche Fall von R. parkeri datiert auf 2004; das zeigt, dass Infektionen beim Menschen ohne gezielte rickettsielle Diagnostik leicht übersehen oder falsch zugeordnet werden können.
Verdächtige Zeckenarten und räumliche Überschneidungen
Bislang ist R. finnyi noch nicht endgültig mit einer bestimmten Zeckenart verknüpft, doch deuten Befunde auf die Lone-Star-Zecke (Amblyomma americanum) hin. Ein Forschungsteam in Oklahoma identifizierte R. finnyi-DNA in dieser Zeckenart, und das geographische Verbreitungsgebiet der Lone-Star-Zecke überschneidet sich mit den Regionen, aus denen viele der infizierten Hunde stammten. In Laborversuchen konnte der Erreger zudem mehr als 104 Tage in canine Immunzellen kultiviert werden, was dafür spricht, dass Hunde als Reservoir für persistierende Infektionen dienen könnten und damit die Übertragungsdynamik beeinflussen.
Die Identifizierung des exakten Vektors ist zentral für die Epidemiologie: Verschiedene Zeckenarten unterscheiden sich in Habitatpräferenzen, Wirtsbandbreite, Saisonalität und Klimaanfälligkeit. Erkenntnisse über Wirtspräferenzen, nymphale und adulte Befallsraten sowie transstadiale und transovarial mögliche Übertragungswege innerhalb der Zeckenpopulationen sind entscheidend, um Risiken für Haustiere und Menschen einzuschätzen und geeignete Präventionsstrategien zu entwickeln.
Folgen für die öffentliche Gesundheit und empfohlene Maßnahmen
Da viele Rickettsienarten Menschen infizieren können, raten Gesundheitsexperten zu verstärkter Überwachung (Surveillance). Die Gattung sollte laut Forscherstimmen grundsätzlich als potenziell pathogen für den Menschen betrachtet werden. Dringende Prioritäten sind, die zeckenübertragenden Arten zu identifizieren, die R. finnyi übertragen, und das tatsächliche Verbreitungsgebiet des Erregers zu kartieren, um ein Überspringen auf den Menschen zu verhindern bzw. frühzeitig zu erkennen.
Für Tierhalter gibt es praktische Vorsorgemaßnahmen, die das Risiko deutlich mindern: regelmäßige Anwendung von vom Tierarzt empfohlenen Zeckenpräparaten (Spot-on-Präparate, orale Präventiva, Zeckenhalsbänder mit Akariziden), gründliche körperliche Kontrolle der Tiere nach Aufenthalten im Freien, sofortige und sachgerechte Entfernung angehefteter Zecken sowie schnelles Vorstellen beim Tierarzt, sobald Fieber, anhaltende Müdigkeit oder Appetitverlust auftreten. Solche Maßnahmen sind grundlegende Bestandteile des Zeckenschutzes und der Prävention von durch Zecken übertragbaren Infektionen (Zeckenübertragene Infektionen).
Öffentliche Gesundheitsbehörden sollten die Zeckenüberwachung ausweiten, koordinierte One-Health-Strategien mit Veterinärdiensten und der Humanmedizin fördern und Kliniker dazu ermutigen, bei Patienten mit fieberhaften Erkrankungen nach Zeckenexposition auch ein erweitertes Panel rickettsieller Tests in Betracht zu ziehen. Dazu gehören serologische Tests, PCR und, wenn möglich, Kultivierung und Genomsequenzierung. Eine bessere Probenahme, standardisierte Laborprotokolle und gemeinsame Meldesysteme würden die Nachverfolgung neu auftretender Rickettsienarten erleichtern.
Experteneinschätzung
„Der Nachweis von Rickettsia finnyi unterstreicht, warum genomische Überwachung wichtig ist“, sagt Dr. Elena Martinez, eine Epidemiologin für Infektionskrankheiten, die nicht an der Studie beteiligt war. „Neue Arten können sich hinter vertrauten Symptomen verbergen. Früherkennung zusammen mit koordinierten veterinärmedizinischen und öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen ist der wirksamste Weg, das Risiko eines zoonotischen Übersprungs zu reduzieren.“
Die Befunde der NC State ergänzen ein wachsendes Bild vielfältiger, teils wenig beachteter Fleckfiebererreger, die in Nordamerika zirkulieren. Laufende Forschungsvorhaben zielen darauf ab, die Zeckenvektoren eindeutig zu bestätigen, die Prävalenz von R. finnyi in Hundepopulationen und Zeckenkollektiven zu quantifizieren und zu prüfen, ob beim Menschen bereits Infektionen aufgetreten sind, die bislang unentdeckt blieben. Bis diese Fragen geklärt sind, bleiben Wachsamkeit, Prävention und rasche Behandlung die besten Schutzmaßnahmen gegen diese aufkommende, durch Zecken übertragene Bedrohung.
Aus fachlicher Sicht sind mehrere Forschungsbereiche besonders relevant: 1) umfassende ökologische Studien zur Lokalisation von Vektorhotspots und Wirtsnetzwerken; 2) methodisch standardisierte diagnostische Algorithmen, die Differenzialdiagnosen bei fieberhaften Erkrankungen nach Zeckenexposition systematisch einschließen; 3) longitudinale Studien an Hundepopulationen zur Abschätzung von Persistenz und klinischen Langzeitfolgen; 4) Evaluierung der Wirksamkeit gebräuchlicher Zeckenprophylaxen gegen den spezifischen Erreger und gegen die infrage kommenden Zeckenarten. Die Kombination dieser Ansätze stärkt die wissenschaftliche Grundlage für präventive Maßnahmen und die Risikoabschätzung für Mensch und Tier.
Im klinischen Alltag sollten Tierärzte bei Verdacht auf rickettsielle Infektionen standardmäßig frühzeitig Doxycyclin in Erwägung ziehen, da Verzögerungen in der Therapie mit erhöhter Morbidität und Mortalität verbunden sein können. Parallel dazu sollte Material für molekulare Diagnostik und, falls möglich, für Kultur angelegt werden, um die Wahrscheinlichkeit einer exakten Erregeridentifikation zu maximieren. Zudem empfiehlt sich die Meldung bestätigter oder verdächtiger Fälle an zuständige Gesundheitsbehörden, um die Datengrundlage für Surveillance und Forschung zu verbessern.
Für öffentliche Bildungskampagnen ist es wichtig, das Bewusstsein für Zeckenprävention zu erhöhen: Hinweise zu geeigneter Outdoor-Bekleidung, Nutzung von Repellentien, Pflege von Hundefell und Gartenmanagement zur Reduktion von Zeckenlebensräumen sind einfache, aber effektive Maßnahmen. Auch die Sensibilisierung von Hausärzten und Notfallmedizinern für rickettsielle Differentialdiagnosen bei Patienten mit Fieber und möglicher Zeckenexposition kann dazu beitragen, dass mögliche menschliche Infektionen schneller erkannt und behandelt werden.
Zusammenfassend zeigt die Entdeckung von Rickettsia finnyi einmal mehr die Bedeutung eines integrierten One-Health-Ansatzes, der Veterinärmedizin, Humanmedizin, Ökologie und Genomik verbindet. Nur durch koordinierte Forschung, verbesserte Diagnostik und gezielte Präventionsstrategien lässt sich das Risiko der Ausbreitung neuer durch Zecken übertragener Rickettsienarten für Haustiere und Menschen nachhaltig reduzieren.
Quelle: sciencealert
Kommentar hinterlassen