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Nahaufnahmen zeigen zwei deutlich unterscheidbare Teilchenpopulationen
Die Sonne wirkt von der Erde aus ruhig, doch Raumsonden, die sich dem Stern nähern, zeigen eine weitaus dynamischere Umgebung. Eine neue Analyse von in situ-Messungen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) mit dem Solar Orbiter zeigt, dass energiereiche Teilchen, die bei Sonneneruptionen freigesetzt werden, in zwei unterschiedliche Gruppen mit verschiedenen Ursprüngen und Ausbreitungsverhalten fallen. Diese Ergebnisse verbessern unser Verständnis solarer energetischer Elektronen (SEEs), einer Teilchenpopulation, die zum Weltraumwetter beiträgt und Satelliten sowie Astronauten gefährden kann.
"Die Sonne ist der energiereichste Teilchenbeschleuniger im Sonnensystem", so die Forschenden. Anhand von Solar-Orbiter-Daten, die zwischen 2020 und 2022 gesammelt wurden, untersuchte das Team mehr als 300 SEE-Ereignisse und identifizierte eine konsistente Dichotomie. Eine Klasse — bekannt als impulsive Ereignisse — steht eng im Zusammenhang mit schnellen, lokal begrenzten Partikelausbrüchen während Sonnenflecken und Flares. Die andere — graduelle Ereignisse — korreliert mit größeren, länger andauernden koronalen Massenauswürfen (CMEs), die eine breitere, länger anhaltende Welle von Teilchen über größere Winkelbereiche erzeugen.
Mission und wie der Solar Orbiter den Unterschied machte
Der Solar Orbiter bewegt sich auf einer exzentrischen Bahn, die ihn bis auf etwa 42 Millionen Kilometer an die Sonne heranführt. Diese Nähe ermöglichte es den Bordinstrumenten, Elektronenströme in einem relativ unverfälschten Zustand zu messen, bevor sie durch Langstrecken-Propagations-Effekte verändert werden. Durch die Kombination direkter in situ-Teilchenmessungen mit Fernerkundungsbeobachtungen der Sonnenoberfläche und Corona konnte das Team bestimmte Partikelströme mit dem Flare oder CME verknüpfen, der sie erzeugt hatte.

Eine Illustration des Solar Orbiter, der verschiedene Typen solarer energetischer Elektronen misst. (ESA & NASA/Solar Orbiter/STIX & EPD)
Erstautor Alexander Warmuth (Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam, AIP) erklärt, dass nur die Kombination aus Nähe, Instrumentierung und wiederholten Begegnungen mit Partikelemissionen durch Solar Orbiter es den Forschenden erlaubte, die beiden Gruppen eindeutig zu trennen. Mitautor Frederic Schuller ergänzt, dass dies das erste Mal ist, dass Wissenschaftler eine so robuste Verbindung zwischen den in situ gemessenen Teilchenpopulationen und ihren solarer Ursprungsereignissen direkt beobachtet haben.
Ausbreitungseffekte, Zeiträtsel und praktische Folgen
Ein seit Langem bestehendes Problem in der Helio- und Raumforschung waren Diskrepanzen zwischen dem Zeitpunkt elektromagnetischer Signale an der Sonne — etwa Licht- und Radiobursts — und dem Zeitpunkt, zu dem SEEs von Raumfahrzeugen detektiert werden. Das Team stellt fest, dass diese scheinbaren Verzögerungen oft keine späte Freisetzung der Teilchen bedeuten, sondern durch die Art und Weise verursacht werden, wie Elektronen durch die turbulente Heliosphäre reisen. "Elektronen treffen auf Turbulenzen, werden in verschiedene Richtungen gestreut und so weiter, sodass wir sie nicht sofort registrieren", erklärt die Koautorin Laura Rodríguez-García. Diese Streu- und Transportprozesse summieren sich mit der Entfernung von der Sonne und verändern die beobachtete Zeitabfolge und die Winkelverteilung von Partikelevents.

Ein gewaltiger M7-Klasse-Sonnenflare, aufgenommen vom Solar Dynamics Observatory der NASA am 19. Juli 2012. (NASA/Royal Observatory Belgium/SIDC)
Das Verständnis von Quelle, Timing und Entwicklung von SEEs hat unmittelbaren praktischen Nutzen. Daniel Müller, ESA-Projektwissenschaftler für den Solar Orbiter, betont, dass verfeinertes Wissen über die Entstehung und den Transport energiereicher Teilchen dazu beiträgt, die Vorhersage des Weltraumwetters und die Risikoabschätzung für Raumfahrzeuge zu verbessern. Insbesondere ermöglicht die Unterscheidung impulsiver, flare-bezogener Elektronenstöße von breiteren, CME-getriebenen Strömen gezieltere Modelle zur Abschätzung der Strahlenbelastung für Satelliten und bemannte Missionen.
Fachliche Einschätzung
Dr. Elena Park, Sonnenphysikerin (Universitätsaffiliation), kommentiert: "Diese Analyse nutzt den einzigartigen Beobachtungspunkt des Solar Orbiter. Elektronen nahe an ihrer Quelle zu messen reduziert die durch die Heliosphärenstreuung eingeführte Unschärfe. Diese Klarheit erlaubt es uns, Partikelsignaturen mit spezifischen Flare- oder CME-Dynamiken zu verbinden — ein entscheidender Schritt zur Verbesserung prädiktiver Modelle des Weltraumwetters, die Orbitalvermögen und künftige bemannte Missionen schützen sollen."
Fazit
Die Nahaufnahmen des Solar Orbiter haben eine klare Trennung zwischen impulsiven, flare-getriebenen energetischen Elektronen und langsameren, mit CMEs verbundenen Strömen bestätigt. Durch die in situ-Messung von SEEs und die Korrelation mit solarer Quellevents haben Forschende unser Verständnis der Teilchenbeschleunigungsmechanismen und der Transportprozesse, die die Ankunft der Teilchen an Raumfahrzeugen verändern, verbessert. Diese Erkenntnisse verfeinern Modelle zum Weltraumwetter und stärken unsere Fähigkeit, Satelliten und Menschen vor solaren Strahlungsgefahren zu schützen, während der Solar Orbiter weiterhin die Sonnenumgebung für weitere Entdeckungen erforscht.
Quelle: sciencealert
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