Ananguites enthüllt: Versteckter 11‑Mio.‑Jahre Einschlag

Winzige Glasperlen (ananguites) aus Südaustralien deuten auf einen bislang unbekannten Meteoriten‑Einschlag vor etwa 11 Millionen Jahren hin. Neue geochemische und 40Ar/39Ar‑Analysen eröffnen Suchstrategien für den verborgenen Krater.

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Ananguites enthüllt: Versteckter 11‑Mio.‑Jahre Einschlag

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Kleine Glasperlen, verstreut über den Süden Australiens, zeigen den Fingerabdruck eines bisher unbekannten Meteoriten‑Einschlags – eines Ereignisses, das vor etwa 11 Millionen Jahren stattfand. Geowissenschaftler haben ungewöhnliche Tektite in Museumssammlungen neu untersucht und eine eigenständige Glasart entdeckt, die nun als ananguites bezeichnet wird und auf eine massive, bisher unentdeckte Kollision in der tiefen Vergangenheit der Erde hinweist.

Ungewöhnliche Glasperlen deuten auf ein verlorenes kosmisches Ereignis

Seit Jahrzehnten liefert die australische Wüste zahllose Tektite – glasartige Tröpfchen, die entstehen, wenn bei einem Meteoriten‑Einschlag Oberflächenmaterial aufgeschmolzen und in die Atmosphäre geschleudert wird. Die meisten dieser Perlen gehören zum bekannten australasischen Streufeld (Australasian strewnfield) und sind etwa 788.000 Jahre alt. Eine kleine Untergruppe von Australiten allerdings rätselte schon länger, weil ihre chemische Zusammensetzung und ihre physikalischen Merkmale nicht mit der Mehrheit übereinstimmen und damit Fragen zur Herkunft und zum Alter aufwerfen.

Ein Forscherteam unter Leitung von Anna Musolino von der Aix‑Marseille Universität hat diese Anomalien erneut begutachtet. Mithilfe veröffentlichter chemischer Beschreibungen aus einer NASA‑Studie von 1969 als Leitfaden durchforsteten die Wissenschaftler die Australiten‑Sammlung des South Australian Museum und identifizierten sechs Tektite, die eine charakteristische Zusammensetzung teilen: einen geringeren Gehalt an Siliziumdioxid (SiO2), dafür erhöhte Konzentrationen von Eisen‑, Magnesium‑ und Calciumoxiden, eine größere Dichte, eine höhere magnetische Suszeptibilität sowie abweichende Blasenstrukturen und Spurenelementverhältnisse. Diese Eigenschaften bilden zusammen eine eindeutige geochemische Signatur.

Die beobachteten Unterschiede sind signifikant genug, um auf ein anderes Ursprungsereignis hinzuweisen. Radiometrische Argon‑Datierungen (40Ar/39Ar) an zwei Proben ergaben ein Alter nahe 11 Millionen Jahren, womit diese Glasperlen zeitlich – und strukturell – von dem jüngeren australasischen Einschlag getrennt werden. Die Forschenden bezeichneten die glasigen Fragmente als ananguites, um ihre einzigartige Signatur zu kennzeichnen. Die Benennung erleichtert die Kommunikation über diese Materialien in geochemischen und geochronologischen Studien und stärkt die Identifizierung weiterer Proben mit derselben Herkunft.

Warum der Krater fehlt – und welche Bedeutung das hat

Ein auffälliges Detail: Bislang wurde kein eindeutiger Einschlagskrater mit dem ananguiten‑Ereignis verknüpft. Das überrascht, weil die Menge und Ausdehnung der benötigten Schmelzprodukte groß sein müssen, um glasige Tröpfchen über Hunderte bis Tausende Kilometer zu verteilen. Wie der Geochronologe Fred Jourdan von der Curtin University erklärt, verhalten sich diese Glasperlen wie „Zeitkapseln“, die die Signatur eines gewaltigen Einschlags bewahren, lange nachdem sichtbare Landschaftsmerkmale verwittert oder überdeckt wurden.

Die sechs neu entdeckten ananguites

Es gibt mehrere plausible Gründe, warum ein Krater verborgen sein könnte. Elf Millionen Jahre sind ausreichend lange, damit intensive Verwitterung, Sedimentbedeckung oder tektonische Prozesse Oberflächenmerkmale überdecken oder vollständig zerstören. In Zentral‑Australien können Phasen der Austrocknung (Aridifizierung) und sich wandelnde Sedimentationsmuster seit etwa 33 Millionen Jahren die ursprüngliche Einschlagsmorphologie stark verändert oder ausgelöscht haben. In tropischen oder gebirgigen Regionen, etwa Teilen von Papua‑Neuguinea, könnte ein Einschlagsbecken fälschlicherweise als vulkanisch klassifiziert worden sein oder durch jüngere geologische Prozesse maskiert worden sein. Auch Überdeckungen durch Sedimentbecken, Erosion und Strukturrekonstruktionen in geschlossenen Becken können einen einst auffälligen Krater unsichtbar machen.

Musolino und Kolleginnen berichten außerdem von geochemischen Unterschieden zwischen westlichen und östlichen ananguites in ihrer Sammlung, ein Muster, das — sollten weitere Proben gefunden und analysiert werden — helfen könnte, das Suchgebiet einzugrenzen. Solche lateral differierenden chemischen Signaturen lassen Rückschlüsse auf die Richtung der Ausgangsschmelze oder auf heterogene Zieloberflächen zu. Bislang bleibt die Quelle jedoch offen; das Auffinden des kraterbildenden Impaktors wäre ein bedeutender Fortschritt in der Erforschung von Einschlagskratern und würde neue Daten zur Größenabschätzung, zum Aufschmelzvolumen und zu regionalen Umweltfolgen liefern.

Wissenschaftlicher Kontext: Tektite, Streufelder und Argon‑Datierung

Tektite sind natürlich vorkommendes Glas, das durch das Aufschmelzen von terrestrischem Material bei Hypergeschwindigkeits‑Einschlägen entsteht. Beim Aufprall eines Meteoriten kann die freiwerdende kinetische Energie hunderte bis tausende Tonnen Gestein schmelzen; Teile dieses Materials werden mit hoher Geschwindigkeit ausgeworfen und kühlen in der Luft schnell zu glasartigen Tröpfchen ab. Streufelder (strewnfields) bezeichnen die Gebiete, in denen diese Tröpfchen wieder auf die Erdoberfläche zurückfallen und verteilt werden. Die Analyse der räumlichen Verteilung solcher Tektite kann wichtige Hinweise auf Richtung, Energie und möglichen Ort des ursprünglichen Einschlags geben, sofern Sedimentschichten und tektonische Veränderungen seitdem nicht alles verwischt haben.

Das Australasische Streufeld ist das größte und am weitesten verbreitete bekannte Streufeld der Erde, und sein Ursprungs‑Krater ist trotz jahrzehntelanger Suche weiterhin unentdeckt. Die Argon‑Argon‑Methode (40Ar/39Ar) ist ein zentrales Werkzeug zur Altersbestimmung von Tektiten: Beim Abkühlen wird radioaktives Argon in der geschmolzenen Schmelze eingesperrt, sodass Forscher den Zerfall von Kalium‑40 messen können, um ein genaues Alter der Bildung zu bestimmen. Die neuen Argon‑Ergebnisse, die ananguites einem Alter von ~11 Millionen Jahren zuordnen, liefern das entscheidende Unterscheidungsmerkmal, mit dem sich diese Perlen von der jüngeren Australite‑Population trennen lassen. Darüber hinaus ermöglichen präzise 40Ar/39Ar‑Analysen auch Aussagen zur thermischen Geschichte und zu möglichen späteren Wärmeereignissen, die die Datierung beeinflussen könnten.

Auswirkungen und nächste Schritte in der Einschlagsforschung

Die Entdeckung der ananguites verändert einen Teil der historischen Einschlagsbilanz Australiens. Sie zeigt, dass der Kontinent mikroskopische Spuren von Ereignissen bewahrt, die in der makroskopischen Geologie nicht mehr offensichtlich sind. Diese winzigen Glasperlen könnten verwendet werden, um die Größe, die Energetik und die potentiellen Umweltfolgen eines bislang unsichtbaren Einschlags zu rekonstruieren — etwa durch Schätzungen des Aufschmelzvolumens, Modellierungen von Ejektahorizonten und Abschätzungen möglicher klimatischer Effekte durch freigesetzte Aerosole oder Staub.

  • Suchstrategie: Geochemisch eindeutig identifizierte Tektite können Feldkampagnen auf vielversprechende Ursprungsregionen lenken, indem sie das Verbreitungsmuster und mögliche Flugbahnen der Ejekta beschreiben.
  • Fernerkundung: Satellitenbilder, digitale Höhenmodelle (DEM) sowie geophysikalische Untersuchungen (Schwerkraftmessungen, Magnetik, Seismik) können verborgene, kreisförmige Strukturen oder Anomalien aufdecken, die auf vergrabene Einschlagsbecken hindeuten. Insbesondere hochauflösende Gravimetrie und Magnetsondierungen sind sinnvoll, um Substanzunterschiede und strukturierte Breccien zu identifizieren.
  • Vergleichende Studien: Der Vergleich von ananguites mit anderen regionalen Tektiten in chemischer Zusammensetzung und Isotopensignatur kann Verteilungsmuster aufzeigen, aus denen sich Rückschlüsse auf den Ort des Kraters ziehen lassen. Kombinationen aus Spurenelement‑, Isotopen‑ und mikrotexturalen Analysen erhöhen die Aussagekraft.

Die Entdeckung unterstreicht zudem den Wert von Museumssammlungen: Jahrzehntelang gesammelte Exemplare können mit modernen Analysetechniken wie LA‑ICP‑MS (Laserablation‑ICP‑MS), EPMA (Elektronenstrahl‑Mikroanalyse) und hochpräzisen Argon‑Analysen neue Erkenntnisse liefern. Oft liegen in Sammlungen Proben, die zu ihrer Zeit wegen ihrer Ungewöhnlichkeit archiviert, aber nie vollständig analysiert wurden. Wenn diese mit aktuellen Fragestellungen verknüpft werden, entstehen neue Forschungsansätze und Suchstrategien.

Expertinnen‑ und Experteneinschätzung

„Die Entdeckung der ananguites ist vergleichbar mit dem Auffinden eines fehlenden Absatzes in der Einschlaggeschichte der Erde“, sagt die fiktive Dr. Laura Chen, Planetenwissenschaftlerin und Spezialistin für Einschlagsforschung. „Diese Glasperlen erlauben uns, Ereignisse zu untersuchen, die kaum oder gar keine topografischen Spuren hinterlassen haben. Mit koordinierten geochemischen Screenings, gezielter Fernerkundung und Feldarbeiten könnten wir den verborgenen Krater finden und die regionalen Umweltfolgen des Einschlags besser verstehen.“

Die Forschung wurde in Earth and Planetary Science Letters veröffentlicht und öffnet neue Wege für gemeinsame Feldarbeit, geochemische Kartierung und Fernerkundungskampagnen, die darauf abzielen, den schwer fassbaren Krater hinter Australiens jüngster Einschlags‑Signatur zu lokalisieren. Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Geochemikern, Geophysikern, Geoarchäologen und Fernerkundungsspezialisten dürfte dabei besonders fruchtbar sein, um die kombinierte Evidenz aus Chemie, Alter, räumlicher Verteilung und geophysikalischen Anomalien zu einem konsistenten Bild zusammenzuführen.

Quelle: sciencealert

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