Fintech für Nachhaltigkeit: Investieren in Stadt & Boden

Bericht vom Lithuanian Fintech Wrap-up 2025 über Fintech-Lösungen, die nachhaltige Immobilienrenovierung und regenerative Landwirtschaft finanzieren. Praxisnahe Modelle, Renditen und Messmethoden für Impact-Investments.

Kommentare
Fintech für Nachhaltigkeit: Investieren in Stadt & Boden

14 Minuten

Idealerweise sollte der Schutz des Planeten keinen Verzicht auf Rendite bedeuten. Doch jahrzehntelang arbeitete der Finanzsektor mit einer binären Annahme: Entweder verdient man Geld, oder man tut Gutes. Beides zusammen – so wurde ihnen gesagt – funktioniert nur selten ohne eine Seite, die die andere subventioniert.

Beim Lithuanian Fintech Wrap-up of the year 2025, das im ROCKIT stattfand, wurde genau dieses binäre Denken aufgebrochen.

In einem Panel mit dem Titel "Fintech for Good - Financing a More Sustainable Future," moderiert von Forbes-Autorin und Nachhaltigkeitsstrategin Felicia Jackson, traten zwei der prominentesten Akteure Litauens auf: Aušrinė Armonaitė von InRento und Laimonas Noreika von InSoil. Sie argumentierten übereinstimmend, dass Nachhaltigkeit längst kein Wohltätigkeitsprojekt mehr ist, sondern ein überlegenes Geschäftsmodell.

Die Diskussion bewegte sich schnell von philosophischen Überlegungen zu sehr praktischen Ansätzen. Es ging nicht um vage „grüne Ziele“ oder CSR-Broschüren, sondern um eine nüchterne Betrachtung, wie finanzielle Flüsse so umgebaut werden können, dass sie Boden regenerieren, verfallene Stadtquartiere beleben und Anlegern zweistellige Renditen bieten – selbst denen, die nur mit €500 einsteigen.

The Premise: Sustainability as a Business Imperative

Felicia Jackson eröffnete die Session und baute auf den früheren Bemerkungen der Bank von Litauen zur "Reife" des Ökosystems auf. „Eines der Dinge bei Fintech for Good ist, dass man argumentieren kann, dass jedes Geschäftsmodell in gewisser Weise nachhaltig werden muss“, so Jackson. „Aber was bedeutet das genau? Ist es nur ein Slogan?“

Der Kontext dieser Debatte ist entscheidend: 2025 ringt Europa mit der Umsetzung des European Green Deal, der Branchen zur Dekarbonisierung zwingt. Der Finanzsektor, oft als Teil des Problems gesehen, wird zunehmend als Motor des Übergangs positioniert. Jackson wies jedoch darauf hin: „Wir haben den Anfang der Energiewende gesehen, aber die zwei Sektoren, die die größten Probleme bereiten, sind Immobilien und Landwirtschaft.“

Diese beiden kapitalintensiven Industrien – verantwortlich für einen beträchtlichen Anteil der globalen Emissionen – ändern sich nur langsam. Sie sind risikoavers und stark an physische Prozesse gebunden. Genau hier setzt Fintech an: nicht primär als Software-Disruptor, sondern als Ermöglicher physischer Transformationen durch innovative Finanzierung, digitale Transparenz und skalierbare Geschäftsmodelle.

Part I: The Real Estate Revolution (InRento)

Aušrinė Armonaitė, die InRento vertrat, brachte eine ungewöhnliche Perspektive ein. Als ehemalige Politikerin und jetzt Expertin für Investor Relations verbindet sie öffentliche Politikanliegen mit den Realitäten privater Märkte und kann so Brücken zwischen Regulierung, Kapital und urbaner Entwicklung schlagen.

InRento operiert in einer speziellen Nische des Crowdfunding-Marktes: Buy-to-Let. Die Plattform hat sich jedoch deutlich weiterentwickelt: von der bloßen Finanzierung von Mietobjekten hin zu einem aktiven Treiber für städtische Regeneration, nachhaltige Immobilienprojekte und inklusives Investment per Crowdinvesting.

The Economics of "Conversion"

„Wir konzentrieren uns auf Umnutzungen und Renovierungen“, erklärte Armonaitė. „Alte Gebäude, untergenutzte Objekte, Fabriken – wir hauchen ihnen neues Leben ein.“

Dieser Fokus auf Retrofitting statt Neubau ist das Kernstück ihrer Nachhaltigkeitsstrategie. Die Bauindustrie ist ein signifikanter CO2-Emittent; die Herstellung von Beton und Stahl für Neubauten ist energieintensiv. „Renovieren ist in der Regel mindestens 20–30 % günstiger als neu zu bauen“, zitierte Armonaitė Studien der Weltbank. „Und in Bezug auf den CO2-Fußabdruck kann man bis zu 50 % einsparen.“ Diese Zahlen sind wichtig für Investoren, die sowohl Rendite als auch Klimarisiken berücksichtigen möchten.

Doch hier unterscheidet sich das "Fintech for Good"-Modell deutlich von reiner Philanthropie. InRento finanziert Renovierungen nicht bloß, weil es gut für den Planeten ist; die Rechnung stimmt wirtschaftlich besser. Durch gezielte Wertsteigerung von unterbewerteten Assets schaffen sie nachhaltige Cashflows und erhöhen gleichzeitig die strukturelle Widerstandsfähigkeit von Städten.

„In unserem Portfolio sehen wir, dass Umnutzungs- und Renovierungsprojekte rund 12 % oder mehr Rendite erzielen, im Vergleich zu 9 % bei traditionellen Buy-to-Let-Modellen“, offenbart Armonaitė. Diese Renditeprofile sind für Privatanleger attraktiv und zeigen, wie nachhaltige Immobilienstrategien finanziell überlegene Ergebnisse liefern können.

Diese Statistik kehrt das traditionelle Narrativ um. Üblicherweise erwartet man bei "grünen" Investments ein sogenanntes "Greenium" – niedrigere Renditen zugunsten des Impacts. InRento zeigt das Gegenteil: Die nachhaltige Option kann die profitablere sein. Indem man vernachlässigte Gebäude aufwertet, entsteht erheblicher Equity-Mehrwert, der anschließend an Anleger verteilt wird. Solche Modelle kombinieren Crowdfunding, Immobilienwirtschaft und Impact-Investing zu skalierbaren, renditestarken Produkten.

Democratizing the Concrete Jungle

Armonaitė ging auch auf den sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit ein – insbesondere auf Ungleichheiten bei der Vermögensbildung. Immobilieninvestment war historisch privilegierten Gruppen vorbehalten. „Jahrzehntelang dachte die breite Öffentlichkeit, dass Investieren nur Kapitalisten vorbehalten sei“, sagte sie.

InRento hat die Einstiegshürde auf nur €500 gesenkt. Das hat einen neuen Anlegerkreis eröffnet. „Wir sehen immer mehr junge Leute, vor allem Gen Z, die dieses Werkzeug nutzen“, beobachtete Armonaitė. „Man hat vielleicht kein großes Kapital, will aber seine Ersparnisse produktiv einsetzen.“

Indem ein 22-Jähriger in Vilnius eine anteilige Beteiligung an einem renovierten Fabrikloft erwerben kann, verteilt sich die Möglichkeit zur Wohlstandsschöpfung aus Immobilien neu. Der Nutzer wandelt sich vom passiven Mieter zum aktiven Stakeholder in der Stadtentwicklung – ein wichtiger Hebel für soziale Nachhaltigkeit und inklusive Investitionsmodelle.

Part II: The Agricultural Transition (InSoil)

Wenn Immobilien schwer zu dekarbonisieren sind, ist die Landwirtschaft ein Minenfeld. Bäuerinnen und Bauern arbeiten mit extrem knappen Margen, kämpfen mit unberechenbarem Wetter und stehen unter Druck, billige Nahrungsmittel zu produzieren – während ihnen gleichzeitig Bodendegradation und Stickstoffbelastung vorgeworfen werden. Diese Spannungen machen den Wandel hin zu nachhaltiger Landwirtschaft ökonomisch und operational kompliziert.

An dieser Stelle tritt Laimonas Noreika mit InSoil in Erscheinung.

Noreika, ein erfahrener Finanzunternehmer, sprach unverblümt über die Industrie-Nomenklatur rund um „grün“. „Ich selbst bin das Wort Nachhaltigkeit leid“, erklärte Noreika unter Gelächter. „Wer will schon Nachhaltigkeit kaufen? Niemand. Aber wer will gesündere Lebensmittel kaufen? Wer will geringere Kosten?“ Diese Provokation zielt darauf ab, Nachhaltigkeit in konkrete, verkaufbare Vorteile zu übersetzen.

The "Measurable or Fake" Doctrine

Das Geschäftsmodell von InSoil basiert auf Transition Finance. Sie stellen sehr günstiges (oft 0 % Zins) Kapital zur Verfügung, um Landwirtinnen und Landwirte zum Umstieg von industriellen Methoden auf regenerative Landwirtschaft zu bewegen. Transition Finance ist ein spezialisiertes Finanzinstrument, das kurzfristige Erträge zugunsten langfristiger ökologischer und wirtschaftlicher Vorteile überbrückt.

Regenerative Landwirtschaft verbessert die Bodenqualität und bindet Kohlenstoff wieder im Boden, anstatt ihn freizusetzen. Aber wie beweist man diese Effekte? In Zeiten von greenwashing ist Vertrauen rar und Verifikation entscheidend.

„Entweder es ist messbar, oder es ist fake“, formulierte Noreika seine Kernthese.

InSoil verlässt sich nicht auf Selbstauskünfte der Landwirte; sie setzen auf Wissenschaft. „Wir gehen buchstäblich auf die Felder, stecken eine Sonde in den Boden, entnehmen organische Substanzproben und lassen diese im Labor analysieren“, erklärte Noreika. Vor der Finanzierung wird eine Baseline für organischen Kohlenstoff im Boden ermittelt. Nach drei Jahren erfolgt eine erneute Messung. „Wir haben Grundlagenwerte für alle Bodentypen, Wasserstände und Klimaregionen entwickelt. Nur bei tatsächlicher Verbesserung wird diese honoriert.“

Selling the Byproduct

Noreikas provokantester Punkt war: Nachhaltigkeit sollte als Nebenprodukt gesehen werden, nicht als das Produkt selbst. „Wenn wir Landwirte schneller in die Regeneration bringen wollen, müssen wir die direkten Vorteile verkaufen“, argumentierte er.

Die Verkaufsbotschaft an die Landwirte ist nicht „Rettet den Planeten“, sondern: „Liebe Landwirte, ihr müsst weniger arbeiten, weniger Dünger einsetzen (das senkt die Kosten) und erzielt trotzdem vergleichbare Erträge.“ Diese finanzielle Argumentation führt zu gesünderem Boden und Kohlenstoffbindung – also zum Nachhaltigkeitsnutzen als Nebeneffekt.

„Geld muss sprechen. Erst dann ergibt es Sinn“, insistierte Noreika. „Nachhaltigkeit ist ein nützliches Erklärungswort für Finance for Good, aber der Mechanismus muss profitabel sein.“ Diese Perspektive verbindet agrarökologische Effekte mit marktfähigen Anreizen und zeigt, wie Impact-Finanzierung konkret gestaltet sein kann.

Part III: The "Cowboys" and the Regulators

Ein wiederkehrendes Thema beim Lithuanian Fintech Wrap-up war die Rolle der Regulierung. In einer früheren Session beklagte der Regulator die mangelnde Reife im Krypto-Bereich. In diesem Panel sahen die Unternehmer Regulierung als Wettbewerbsvorteil.

Als Moderatorin Felicia Jackson nach Vertrauen in großem Maßstab fragte, gab Noreika eine überraschende Antwort für einen Tech-Gründer: „Ich bin ein großer Fan von Regulierung.“

Seine Argumentation war strategisch: „Regulierung eliminiert die 'Cowboys' auf dem Markt“, sagte er. In der noch jungen Welt von CO2-Zertifikaten und regenerativer Finanzierung sind Betrugsrisiken real. Als reguliertes Unternehmen erhält InSoil Zugang zu institutionellem Kapital, das für nicht regulierte Start-ups unerreichbar bleibt. „Ohne Regulierung wäre es viel schwieriger, mit Organisationen wie dem EIF (European Investment Fund) oder der EIB (European Investment Bank) zusammenzuarbeiten“, bemerkte Noreika. „Unser Regierung gebührt Lob für die klare Standardsetzung.“

Armonaitė stimmte dem zu und betonte die Bedeutung einer sauberen Bilanz. „Wir haben Projekte im Volumen von €70 Millionen finanziert – mit null Ausfällen“, erklärte sie. Für eine Peer-to-Peer-Plattform ist eine 0%-Ausfallrate bei einem solchen Volumen nahezu beispiellos. Das spricht für ein strenges Risikomanagement, das Kapitalerhalt über wildes Wachstum stellt.

Armonaitė zog zudem eine interessante Parallele zwischen ihrer politischen Vergangenheit und ihrer aktuellen Geschäftstätigkeit. „In der Politik ist es ein Nullsummenspiel. Man sagt Schlechtes über den Gegner und profitiert“, reflektierte sie. „Im Geschäftsleben liegt es in deinem Interesse, dass auch Wettbewerber Erfolg haben. Haben sie schlechte Geschichten, schadet das dem ganzen Sektor.“ Diese Haltung fördert einen kooperativen Markt, in dem Standards und Vertrauen wachsen können.

Part IV: Is "Fintech" Dead?

Gegen Ende stellte Felicia Jackson eine existenzielle Frage: Ist Fintech noch Disruptor oder bereits die neue Normalität?

Der Konsens war eindeutig: Die Phase der reinen "Disruption" ist vorbei. Wir befinden uns jetzt in einer Integrationsphase.

„Früher waren wir Disruptor“, stimmte Armonaitė zu. „Jetzt sind wir Teil der traditionellen Finanzwelt. Wir sind kein Konkurrent mehr, wir sind Partner.“

Noreika ging weiter und dekonstruiert die Definition von Banking, um die künftige Rolle von Fintech zu erklären. „Betrachtet man Banken, haben sie drei Kernfunktionen: Geld annehmen und verleihen, Zahlungsverkehr und Investitionen im Auftrag des Kunden“, analysierte er. „Fintechs spezialisieren sich. Sie wählen eine Funktion, fokussieren sich darauf und schaffen Wettbewerb in diesem spezifischen Bereich.“

In dieser Sicht hat InRento die Bank nicht ersetzt; es hat das Investment- und Kreditsegment für Immobilien optimiert. InSoil hat die Agrarbank nicht verdrängt; es hat das Kredit- und Verifikationssegment für Landwirtschaft effizienter gemacht. Diese Spezialisierung ermöglicht bessere Produkte, niedrigere Kosten und gezieltere Lösungen für Nachhaltigkeitsziele.

The Education of the Market

Als das Panel zu Ende ging, wurde eine übergeordnete Herausforderung für 2026 deutlich. Es ist nicht die Technologie – die Plattformen funktionieren, Bodensensoren arbeiten, Kohlenstoffmessungen sind möglich. Es ist auch nicht das Kapital – es gibt viel Geld, das Renditen sucht.

Die Herausforderung ist Bildung.

„Wir müssen mehr in die Wissensvermittlung an die Gesellschaft investieren und, natürlich, in Vertrauen“, fasste Armonaitė zusammen. Dies umfasst Finanzbildung, Kommunikation von Risiko-Rendite-Profilen und transparente Reporting-Standards, die sowohl Kleinanleger als auch Landwirte erreichen.

Für InSoil bedeutet das, Landwirte davon zu überzeugen, dass das Aufgeben jahrhundertealter Praktiken sie nicht in den Ruin treibt, sondern langfristig resilienter macht. Für InRento heißt es, Kleinanleger zu zeigen, dass ihre €500 in Renovierungsprojekten mehr bewirken können – ökologisch und ökonomisch – als auf einem Sparkonto.

Das Lithuanian Fintech Wrap-up of the year 2025 machte eines deutlich: Die Ära des reinen "Fintech um des Fintechs Willen" ist vorbei. Die nächste Generation von Einhörnern aus dem Baltikum wird nicht nur Geld schneller von A nach B bewegen. Sie wird Finanzinstrumente einsetzen, um unsere Städte physisch umzubauen und unsere Böden zu regenerieren – eine Kombination aus Impact-Investment, Digital-Verification, Crowdfunding und transition-oriented Kapital.

Wie Laimonas Noreika es zusammenfasste: „Finanzierung ist das Blut jedes Ökosystems. Wenn wir Veränderungen wollen – sei es nachhaltig oder wirtschaftlich – beginnen wir dort.“

Deep Dive: The Data Behind the Claims

Um die von InRento und InSoil vorgebrachten Argumente besser zu verstehen, haben wir die wichtigsten Datenpunkte aus dem Panel zusammengefasst und mit zusätzlichen Kontextinformationen angereichert:

InRento’s "Green" Economics:

  • Kosteneffizienz: Renovierung ist 20–30 % günstiger als Neubau. Diese Einsparung entsteht durch geringeren Materialeinsatz, kürzere Bauzeiten und geringere Infrastrukturanforderungen.

  • CO2-Reduktion: Die Sanierung bestehender Strukturen reduziert den CO2-Fußabdruck um bis zu 50 % im Vergleich zu Neubauten, da Emissionen durch Beton- und Stahlerzeugung vermieden werden.

  • Anleger-Renditen: Renovierungsprojekte erzielen im Schnitt ~12 % Rendite vs. 9 % bei klassischem Buy-to-Let. Der Renditevorteil ergibt sich aus Wertsteigerung und optimierten Einnahmequellen.

  • Track Record: €70 Millionen finanziert, 0 Ausfälle – ein Indikator für strenge Bonitätsprüfungen, Risikomanagement und Projektselektion.

InSoil’s "Regenerative" Metrics:

Quelle: smarti

Kommentar hinterlassen

Kommentare