Nordic Web Ventures schließt $6M-Fonds für KI und Robotik

Neil Murray schließt einen $6M-Fonds für The Nordic Web Ventures, fokussiert auf Early-Stage-Investments in Robotik, KI-native Produkte und Deep Tech. Der Fonds setzt auf Gründerqualität und operative Unterstützung in den Nordics.

Julia Weber Julia Weber . Kommentare
Nordic Web Ventures schließt $6M-Fonds für KI und Robotik

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Der Startup-Motor der Nordics kühlt nicht ab – er wird schärfer. Neil Murray, der alleinige General Partner von The Nordic Web Ventures mit Sitz in Kopenhagen, hat einen dritten Fonds in Höhe von 6 Millionen US-Dollar geschlossen, der gezielt darauf abzielt, die nächste Welle vielversprechender Frühphasen-Startups in der Region zu unterstützen.

Fund III ist darauf ausgelegt, die ersten institutionellen Schecks bei nordischen Startups auszustellen, mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Robotik, KI-native Produkten und Deep Tech. Im Fokus stehen Teams, die fundamentale Technologien entwickeln statt nur schnelle Feature-Ebenen – und das in einer Region, die still und leise zu einer der produktivsten Startup-Schmieden Europas geworden ist.

Kleiner Fonds, gezielte Strategie

Murray beschreibt seine ersten beiden Fonds als im Wesentlichen „Testfahrzeuge“ – ein Beweis dafür, dass ein einzelner Investor konsequent frühzeitig Top-Gründer in den Nordics finden kann, bevor der Rest des Marktes aufschließt. Nach sieben Jahren hat er erste Schecks in mehr als 50 Unternehmen gesetzt. Zu seinem Portfolio zählen unter anderem das Einhorn Lovable, der Versicherungslösungsanbieter für Remote-Arbeiter SafetyWing und Exits wie das UI-Design-Startup Uizard.

In einer Zeit, in der viele aufstrebende Manager unter Druck stehen, schnell größere Fonds aufzulegen, geht Murray den umgekehrten Weg. Er sagt, dass Fund III mehr als 20 Millionen US-Dollar an Investoreninteresse erzeugt habe, aber er habe den Fonds bewusst auf 6 Millionen gedeckelt. Die Begründung: Ausrichtung statt reiner Assets under Management. Klein zu bleiben, erleichtere es, Anreize an Performance zu knüpfen statt sich auf Managementgebühren zu verlassen – und gebe einem Solo-GP mehr Bewegungsfreiheit, während „alle anderen noch debattieren“. In seinen Worten war die Deckelung keine Einschränkung, sondern Teil des Plans.

Typische Scheckgrößen werden bei etwa 200.000 US-Dollar liegen, mit dem Ziel, 30 bis 35 Unternehmen zu unterstützen. Murray fasst das als Spiel um Gründerqualität zusammen: Lieber in „Tier-1“-Gründer investieren, als Besitzanteile in schwächeren Gelegenheiten zu jagen. Diese Fokussierung auf Gründerqualität spiegelt eine bewusst selektive Seed-Investitionsstrategie wider, die langfristiges Wachstum und Skalierbarkeit priorisiert.

Die Strategie berücksichtigt darüber hinaus operative Unterstützung: Beginnend mit First-Checks, die nicht nur Kapital, sondern auch Netzwerk, Recruiting-Hilfe und strategische Beratung liefern, zielt Fund III darauf ab, Startups in frühen Produkt- und Markteintrittsphasen zu begleiten. Dies ist besonders relevant bei Deep-Tech- und Robotikprojekten, die oft mehr als reine Finanzspritzen benötigen und von branchenspezifischer Expertise profitieren.

Ein weiterer Faktor hinter der Entscheidung für einen kleineren Fonds ist die Governance: Durch weniger Kapital im Fonds bleibt die Verwaltung schlanker, Entscheidungsprozesse schneller und die Ausrichtung auf Performance klarer. Für Gründer kann das einen Vorteil bedeuten, weil ein kleinerer Fonds oft engere, praktischere Unterstützung bietet statt nur passiver Kapitalgeber zu sein.

Warum Robotik und KI gerade jetzt zu den Nordics passen

Das nordische Ökosystem – das Dänemark, Schweden und Norwegen umfasst – hat inzwischen ernsthafte Größe erreicht: Eine Bewertung von mehr als 500 Milliarden US-Dollar und über 8 Milliarden US-Dollar an Venture-Finanzierung im Jahr 2024 zeigen das Tempo. Diese Dynamik erklärt, warum Frühphasen-Kapital wettbewerbsfähiger wird und warum spezialisierte Seed-Investoren versuchen, sich früher Zugang zu sichern.

Für Murray ist der Sektorschwerpunkt kein Modetrend, sondern lokal begründet. Die Stärken der Region in Informatik, Ingenieurwesen und Fertigung passen natürlich zu den Anforderungen der Robotik: belastbare technische Teams, geduldige Iteration und reale Einsatzumgebungen. Ergänzt man das durch eine von Murray beschriebene ruhige, methodische Bauweise, beginnen die Nordics wie ein starker Startplatz für KI-getriebene Robotik in Industrieumgebungen, im Gesundheitswesen, in der Logistik und zunehmend auch bei Konsumentenanwendungen zu wirken.

Die Verbindung von Forschung und Praxis ist ein charakteristisches Merkmal: Universitäten und technische Hochschulen liefern hochwertige Talente und Forschungsprojekte, während eine dichte industrielle Basis in Skandinavien reale Testfelder und frühe Kunden bietet. Diese Kombination verringert das Risiko von reinen Laborlösungen und fördert Produkte, die von Anfang an auf reale Marktanforderungen ausgerichtet sind.

Ein weiteres Plus ist die Kultur des experimentellen, aber fokussierten Arbeitens: Teams in den Nordics neigen dazu, langlebige, robuste Systeme zu bauen und iterativ zu verbessern, statt schnelle, oberflächliche Features zu priorisieren. Das ist besonders wichtig in Bereichen wie Robotik oder Industrial AI, wo Zuverlässigkeit, Wartbarkeit und Sicherheit zentrale Erfolgsfaktoren sind.

Außerdem bleiben Verbraucherprodukte weiterhin auf der Agenda – eine langfristige nordische Tradition: global erfolgreiche Produkte, entwickelt von schlanken Teams mit klarem Designinstinkt und einer ausgeprägten Obsession für Benutzbarkeit und Nutzererlebnis. Kombiniert mit KI und Robotik entstehen damit auch attraktive Endkundenlösungen, die Einfachheit mit technischer Tiefe verbinden.

Operationale Infrastruktur, Förderprogramme, Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen und Industrie sowie ein wachsendes Netzwerk an Seriengründern und technischen Führungskräften schaffen ein Umfeld, in dem Deep Tech schneller in kommerzielle Anwendungen überführt werden kann. Solche systemischen Faktoren sind oft schwer zu messen, treiben aber die Wahrscheinlichkeit von Durchbrüchen deutlich nach oben.

Zusätzlich hat sich die Risikokapitallandschaft in den Nordics professionalisiert: von lokalen Angel-Investoren über Family Offices bis hin zu internationalen VCs und CVCs. Diese Diversität an Kapitalgebern erhöht die Chancen, dass skalierbare Lösungen auch weiterführende Finanzierungsrunden finden – ein wichtiges Signal für Gründer und frühe Investoren.

Wer Fonds III unterstützt

Die Limited-Partner-Struktur kombiniert Institutionen und Operatoren. Zu Murrays Unterstützern zählen Allocater One, der Gründer Christoph Janz und Pacenotes, daneben Gründer aus Unternehmen wie Kahoot! und Pleo sowie Operatoren mit Erfahrung bei Meta und Google. Ein Signal, das Murray besonders hoch einschätzt: Viele Gründer aus seinen früheren Fonds haben in Fund III reinvestiert. Murray ergänzt, dass er bereits mehr als die Hälfte des Kapitals aus Funds I und II zurückgeführt habe.

Die Mischung der Anleger ist bewusst gewählt: Institutionelle Investoren bringen Stabilität, Operatoren und Seriengründer dagegen praktische Erfahrung, Netzwerke und ein Verständnis für Skalierung in Technologieunternehmen. Diese Kombination stärkt das Versprechen, Gründer nicht nur finanziell, sondern auch praktisch durch die frühen Skalierungsphasen zu begleiten.

Murrays nordischer Fokus ist persönlich, auch wenn er nicht von Anfang an dort war. Ursprünglich aus dem Vereinigten Königreich, zog er 2013 nach Dänemark, ohne dort jemanden zu kennen. Nach Tätigkeiten in digitalen Produkten in London fiel ihm in Kopenhagen etwas Auffälliges auf: Die Region erzeugte bedeutende technologische Ergebnisse, sprach aber nicht laut darüber. Diese Neugier führte zur Gründung von The Nordic Web, einer Publikation, die Investments, Exits und die Hintergründe dokumentierte. Als immer mehr Investoren ihn danach fragten, welche Gründer gerade Kapital suchten, wechselte er vom Beobachten zum Handeln – 2017 legte er einen ersten Fonds in Höhe von 500.000 US-Dollar auf und fokussierte sich bald vollständig auf Investments.

Heute sieht er das nicht als vorübergehenden Hype, sondern als Kompounding-Effekt: tiefere Talentpools, größere Ambitionen und ein reiferes Ökosystem, das kontinuierlich Breakout-Unternehmen hervorbringen kann. Wenn Fund III eine These hat, dann die: Die Nordics haben nicht nur einen Moment – sie bauen das nächste Jahrzehnt.

Aus Investorensicht ist dies relevant, weil frühe Zugänge zu Gründerteams in einer Region mit starker technischer Basis und realen Kundenfeldern langfristig überdurchschnittliche Renditen ermöglichen können. Fund III zielt darauf ab, jene Startups zu finden, die durch technologische Tiefe und eine klare Marktorientierung das Potenzial haben, category-defining Unternehmen zu werden.

Für Gründer bedeutet die Präsenz eines spezialisierten Seed-Investors wie The Nordic Web Ventures eine Chance: frühes Kapital kombiniert mit strategischer Unterstützung, Zugang zu Netzwerken in der Industrie und zu technischen Talenten. Vor allem in Deep-Tech- und Robotik-Projekten, die längere Entwicklungszyklen und engeren Kundenzugang benötigen, kann dies den Unterschied zwischen Scheitern und Erfolg ausmachen.

Aus Sicht der Tech-Community in den Nordics könnte Fund III auch einen Multiplikatoreffekt haben: Mehr erfolgreiche Beispiele schaffen Vorbilder, die wiederum Talente anziehen, Spin-offs fördern und das Investoreninteresse weiter steigern. So entstehen nachhaltige Ökosystem-Dynamiken, die sich gegenseitig verstärken.

Abschließend bleibt Murrays Ansatz bemerkenswert pragmatisch: geringe Fondsgröße, strikte Gründerselektion, thematische Spezialisierung und enge operative Unterstützung. Das Ergebnis ist ein klar fokussierter Seed-Ansatz, der sowohl die Stärken der Region adressiert als auch typische Fallstricke früher Investitionsphasen vermeidet.

Quelle: techcrunch

"Ich liebe Startups und Innovationen. Meine Artikel beleuchten die kreativen Köpfe hinter der deutschen Tech-Szene."

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