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Eine bahnbrechende Technologie zur Energiespeicherung sorgt aktuell in der Erneuerbaren-Energien-Branche für Aufmerksamkeit: Wissenschaftler setzen riesige Beton-Batterien tief unter der Meeresoberfläche ein. Diese innovative Lösung, die vom deutschen Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) entwickelt wurde, könnte weltweit die Art und Weise, wie erneuerbare Energien gespeichert und bereitgestellt werden, grundlegend verändern.
Meeresdruck als nachhaltige Energiequelle nutzen
In großer Tiefe unter der Wasseroberfläche des Bodensees starteten Ingenieure ein einzigartiges Experiment mit einer 3 Meter breiten Betonkugel, die Strom allein durch Wasserdruck speichern und abgeben kann. Das fortschrittliche Unterwasser-Batteriesystem funktioniert, indem überschüssige Solar- oder Windenergie genutzt wird, um Wasser aus der Kugel zu pumpen – es entsteht ein Vakuum. Wird Strom im Netz benötigt, strömt See- oder Meerwasser zurück in die Kugel, treibt Turbinen an und erzeugt so wieder elektrischen Strom, der über Kabel ins Stromnetz eingespeist wird.
Das Konzept, bekannt als StEnSea (Stored Energy in the Sea), verspricht typische Einschränkungen herkömmlicher Pumpspeicherkraftwerke zu überwinden. Anders als bei klassischen Anlagen, die zwei Becken an Land und auf unterschiedlichen Höhen benötigen, nutzt StEnSea das Meer selbst – die Wassersäule fungiert als oberes Reservoir, das Innere der Betonkugel als unteres Reservoir.
Vorteile gegenüber traditionellen Speicherlösungen
Zu den entscheidenden Vorteilen der StEnSea-Technologie zählt ihre Anpassungsfähigkeit und Effizienz in der Flächennutzung. Durch den Einsatz auf See und in großen Tiefen bleiben landwirtschaftliche oder wertvolle Flächen an Land unangetastet. Zugleich erschließen sich neue Standorte für großflächige Energiespeicherung – ein entscheidender Vorteil bei global steigendem Energiebedarf und zunehmender Bevölkerungsdichte entlang der Küsten. Das System ist zudem strukturell einfacher als konventionelle Pumpspeicher, was Materialverbrauch und Installationskosten reduziert.
Die Forschungsergebnisse des Fraunhofer IEE zeigen, dass bewehrter Beton den enormen Druckverhältnissen in Tiefen von bis zu 800 Metern (über 2.600 Fuß) gewachsen ist, wo ein Wasserdruck von bis zu 77 Atmosphären herrscht. Dadurch eignet sich StEnSea für den dauerhaften Einsatz in großen Tiefen und bietet eine skalierbare Lösung für Regionen mit begrenzter Speicher-Infrastruktur.
Einsatz unter realen Meeresbedingungen
Nach dem erfolgreichen Prototyp am Bodensee 2017 arbeitet das Fraunhofer IEE nun mit einem internationalen Team an einem größeren Projekt vor der Küste Kaliforniens. Gemeinsam mit Sperra (USA) und Pleuger Industries (Deutschland) wird eine 9 Meter große, rund 400 Tonnen schwere Hohlkugel in einer Tiefe von etwa 600 Metern installiert. Mithilfe modernster 3D-Betondrucktechnik sind diese Kugeln so konstruiert, dass sie intensivem Wasserdruck standhalten – der Marktstart ist für Ende 2026 geplant.
Jede Kugel kann anfänglich etwa 0,4 Megawattstunden Strom speichern – genug, um einen durchschnittlichen Haushalt zwei Wochen lang mit Energie zu versorgen. Die Skalierbarkeit steht hierbei im Fokus: Künftige Modelle könnten fast 30 Meter Durchmesser erreichen, während noch größere 100-Meter-Varianten enorme Mengen elektrischer Energie speichern könnten.
Vergleich und Anwendungsfelder
Im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien oder klassischen Pumpspeicherkraftwerken bieten die Unterwasser-Betonbatterien eine robuste und umweltfreundliche Alternative – besonders für die Stabilisierung großer Stromnetze und die Speicherung fluktuierender erneuerbarer Energie aus Wind und Solar. Dank der Flexibilität im Aufbau nahe der Küste oder in tieferen Gewässern, ist diese Speicherlösung auch in dicht besiedelten Regionen einsetzbar. Unterwasser-Batteriespeicher könnten deshalb eine Schlüsselrolle bei der weltweiten Dekarbonisierung und der Integration erneuerbarer Energien spielen.
Marktrelevanz und Zukunftsperspektiven
Angesichts des globalen Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen wird die Langzeitspeicherung erneuerbarer Energien immer bedeutender. Die skalierbare Offshore-Batterietechnologie von StEnSea könnte diese Herausforderung adressieren, indem sie überschüssige grüne Energie über Stunden, Tage oder sogar Wochen speichert. Laut Schätzungen des Fraunhofer IEE könnte die Technologie perspektivisch eine globale Speicherkapazität von bis zu 817.000 Gigawattstunden bereitstellen – ausreichend, um fast 75 Millionen Haushalte pro Jahr zu versorgen.
Falls diese ambitionierten Ziele erreicht werden, könnten künftig riesige Felder von Betonkugeln unter den Weltmeeren das Rückgrat widerstandsfähiger und erneuerbar betriebener Stromnetze bilden. Die Revolution der Unterwasser-Batteriespeicherung hat gerade erst begonnen – ihr Einfluss auf die Zukunft der globalen Energieversorgung könnte enorm sein.
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