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Lebensräume während der globalen Vereisung entschlüsseln
Über weite Teile ihrer Geschichte bot die Erde für Leben, wie wir es kennen, alles andere als ideale Bedingungen. Während mindestens zweier großer "Snowball Earth"-Ereignisse im Cryogenium – zwischen etwa 635 und 720 Millionen Jahren vor heute – war die Oberfläche unseres Planeten beinahe vollständig von mächtigen Eisschichten überzogen, von den Polen bis zum Äquator. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die durchschnittlichen globalen Temperaturen auf bis zu -50°C sanken, sodass selbst tropische Regionen an die heutige Antarktis erinnerten.
Trotz dieser scheinbar lebensfeindlichen Umstände überdauerte Leben – ein Rätsel, das Astrobiologen und Erdwissenschaftler weiterhin fasziniert. Die wichtigste Voraussetzung für Leben, flüssiges Wasser, war äußerst rar. Daraus ergibt sich die grundlegende Frage: Wie gelang es dem Leben, auf einer eingefrorenen Welt nicht nur zu überleben, sondern sich sogar weiterzuentwickeln?
Uralte Teiche: Rückzugsorte des Überlebens
Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in Nature Communications, bringt neue Erkenntnisse zu diesem wissenschaftlichen Mysterium. Unter der Leitung von Fatima Husain (MIT) untersuchte das Forschungsteam heutige Mikroökosysteme in der Antarktis – insbesondere kleine Schmelzwassertümpel am Rand alter Eisschilde. Diese modernen Teiche könnten Aufschluss über mögliche Überlebensstrategien während der Snowball-Earth-Zeit geben.
2018 reisten Forschende aus Neuseeland zum McMurdo-Schelfeis, einer weitläufigen Eisplattform in Ostantarktika. Dort entdeckten sie flache Tümpel, nur wenige Meter breit und weniger als einen Meter tief, die eine Vielzahl von Mikroorganismen beherbergen. Die Böden dieser Teiche waren von farbenfrohen, schleimigen Mikrobenmatten bedeckt – oft mehrere Zentimeter dick und dominiert von Cyanobakterien. Diese widerstandsfähigen Einzeller sind für ihre Fähigkeit bekannt, selbst in den extremsten Bedingungen unseres Planeten zu überleben.
Doch Cyanobakterien waren nicht die einzigen Bewohner. Mithilfe genetischer Analysen und Mikroskopie fanden die Forscher auch Eukaryoten – also Lebewesen mit komplexen Zellen wie Algen und mikroskopisch kleine Tiere – in diesen Tümpeln. Diese artenreiche Lebensgemeinschaft, die Vertreter verschiedener Evolutionslinien umfasst, deutet darauf hin, dass während extremer Kälte und geringer Sonnenstrahlung vielfältiges Leben in geschützten Oasen existieren konnte.
Bedeutung für die Erforschung des Lebens auf der Erde und im All
Diese Ergebnisse erlauben neue Einblicke, wo frühes Leben während globaler Vereisungen überdauerte und sich weiterentwickelte. Bislang galt, dass sich urzeitliches Leben vielleicht in isolierten offenen Meeresbereichen, an Tiefsee-Hydrothermalquellen oder unter mächtigen Eisschichten erhalten konnte. Die aktuelle Forschung legt jedoch nahe, dass kleine Taschen aus flüssigem Wasser – vorübergehende Schmelzwasserteiche – als lebenswichtige Rückzugsinseln gedient haben könnten, die Leben durch die härtesten Klimaextreme der Erdgeschichte halfen zu tragen.
"Kein Teich glich dem anderen", betonte Husain, und verwies auf die einzigartige Artenvielfalt jeder einzelnen Lebensgemeinschaft. "Diese Umgebungen zeigen eindrucksvoll, wie anpassungsfähig und vielfältig das Leben selbst in eng benachbarten Habitaten sein kann."
Die Erkenntnisse erweitern zudem unser Verständnis zur potenziellen Bewohnbarkeit anderer Himmelskörper. Ähnliche Lebensräume könnten sich etwa unter den Eiskrusten der Jupitermonde Europa oder des Saturnmondes Enceladus befinden – beides Schlüsselkandidaten bei der Suche nach außerirdischem Leben im Sonnensystem. Die Fähigkeit von Mikroorganismen, besonders von Eukaryoten und Cyanobakterien, unter extremen Bedingungen zu überleben, stimmt Astrobiologen zuversichtlich, auch jenseits der Erde Spuren von Leben entdecken zu können.
Fazit
Der Nachweis einer großen Mikrobenvielfalt in antarktischen Schmelzwasserteichen liefert entscheidende Hinweise zu Überlebensstrategien während der Snowball-Earth. Die Studie zeigt, wie Leben in isolierten, gefrorenen Rückzugsgebieten bestehen und gedeihen kann. Damit vertieft sie nicht nur unser Verständnis der Evolution auf der Erde, sondern gibt auch wertvolle Impulse für die Suche nach Leben in den eisigen Regionen unseres Sonnensystems. Während anstehende Missionen die Eismonde von Jupiter und Saturn erforschen, könnten Erkenntnisse von solchen irdischen Analoga entscheidend sein, um das Rätsel der Überlebensfähigkeit von Leben zu entschlüsseln.
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