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Seltene Lamborghini Countach LP400 S taucht aus jahrzehntelangem Versteck auf
Ein Lamborghini Countach, der aussah, als sei er in einer Zeitkapsel geparkt worden, ist nach mehr als drei Jahrzehnten Abwesenheit wieder ins Rampenlicht zurückgekehrt. Zuerst in die Vereinigten Staaten geliefert und später nach Japan exportiert, hat dieses seltene Exemplar — eines der frühen LP400 S‑Modelle in Blue Tahiti — seinen erstaunlich ursprünglichen, nahezu neuwertigen Zustand bewahrt. 13 fotosFoto: VINwiki | YouTube
John Temerian, Gründer von Curated, dem in Miami ansässigen Händler und Restaurierungsatelier für klassische Supersportwagen, hat mehr Countachs gehandhabt als die meisten Sammler je zu sehen bekommen. Dennoch beschreibt er das Gefühl, das diese keilförmigen Ikonen in ihm auslösen, noch genauso wie in seiner Kindheit: intensiv begeistert. Für Temerian bleibt der Countach die definierende Silhouette von Lamborghini — das Auto, das die Blaupause für die späteren Scherentür‑Supersportwagen schrieb.

Das lange Leben einer Legende: Countach-Produktion und Entwicklung
Von 1974 bis 1990 gefertigt, entwickelte sich der Countach im Laufe seiner 16‑jährigen Produktionszeit erheblich weiter. Frühe Modelle zeigten ein minimalistisches, fast wie ein Konzeptfahrzeug anmutendes Erscheinungsbild, während spätere Iterationen Verbreiterungen, Flügel und immer aggressivere Aerodynamik integrierten. Vom reinen LP400 "Periscopio" bis zum theatralischen 25th Anniversary‑Modell spiegelt jede Phase veränderte Leistungs- und Designprioritäten wider.
Für Sammler wie Temerian sind jedoch die reinsten frühen Fahrzeuge — insbesondere die originalen LP400 Periscopios und die ersten LP400 S‑Derivate — am wertvollsten, da sie Marcello Gandinis Ursprungsdesign besonders treu bleiben und vergleichsweise selten sind.

Der Periscopio: der reinste Ausdruck des Countach
Design und Herkunft
Der LP400 "Periscopio" ist der Archetyp. Zwischen 1974 und 1977 gebaut, trug das Dach eine charakteristische, flache Tunnelung, die ursprünglich einen periskopähnlichen Rückspiegel aufnehmen sollte, um die schlechte Sicht nach hinten auszugleichen — daher der Spitzname. Lamborghini gab das funktionale Periskop bald auf, doch die Dachvertiefung blieb erhalten und sicherte dem Periscopio seinen Platz in der Countach‑Legende.
Wesentliche technische Daten
- Motor: 3,9‑Liter frei saugender V12
- Leistung: rund 370 hp (375 PS)
- Höchstgeschwindigkeit: nahe 180 mph (zeitgenössisch angegeben)
- Räder: frühe Fahrzeuge nutzten 14‑Zoll Campagnolo „Telephone Dial“ Magnesiumräder (7,5" vorne, 9" hinten)
- Produktionsmenge: etwa 150 LP400 Periscopio, was sie extrem selten macht
Die Kombination aus Gandinis klarer Geometrie und dem frei saugenden V12 machte den Periscopio nicht nur optisch rein, sondern setzte auch in seiner Zeit Leistungsmaßstäbe.

Walter Wolfs Einfluss und der Übergang zum LP400 S
In den mittleren 1970er‑Jahren spielte der kanadische Geschäftsmann und Formel‑1‑Teamchef Walter Wolf eine entscheidende Rolle in der Weiterentwicklung des Countach. Durch finanzielle Unterstützung und technische Zusammenarbeit — insbesondere mit Gianpaolo Dallara — beauftragte Wolf drei maßgeschneiderte Prototypen, die breitere Karosserien, erhöhte Abtriebskräfte sowie verbesserte Bremsen und Fahrwerk betonten. Diese "Walter Wolf Specials" führten einen 5,0‑Liter‑V12 mit etwa 447 hp sowie die heute berühmten 15‑Zoll Campagnolo „Bravo“ Räder (8,5" vorne, 12" hinten) auf maßgeschneidertem Pirelli‑Gummi ein.
Die Wolf‑Prototypen beeinflussten direkt den 1978 eingeführten Serien‑LP400 S, der verbreiterte Radläufe, eine breitere Spur und viele der ästhetischen Merkmale übernahm, die spätere Countach‑Varianten prägen sollten.
Der Blue Tahiti LP400 S: eine in Japan gefundene Zeitkapsel
Unter den LP400 S‑Fahrzeugen trägt das Chassis 1016 eine besondere Geschichte. Als eines der ersten 27 LP400 S‑Modelle verließ es Sant'Agata in Blue Tahiti lackiert. Ursprünglich an einen kalifornischen Unternehmer ausgeliefert, der mehrere Lamborghinis gleichzeitig bestellte, geriet dieses Auto bis in die 1990er‑Jahre in Vergessenheit.
In Japan stand es Jahrzehnte lang unbehelligt auf der zweiten Etage eines Händlers. Vor sechs Monaten entdeckte ein Freund Temerians das Auto beim Einkaufen in Japan und informierte ihn. Nach wiederholten Angeboten und einer gründlichen Inspektion durch Countach‑Experten Chip Davis — dessen Auftrag es war, jeden Mangel zu finden, der den Besitzer abschrecken könnte — gab der Verkäufer schließlich nach.
Als Chassis 1016 in die USA zurückkam, konnte Temerian seine Überraschung kaum fassen: Werkslack, unberührtes Interieur und nur etwa 6.000 Meilen auf dem Tacho. Temerian beschreibt es als wie ein ein‑ bis zweijähriges Auto wirkend — eine echte Zeitkapsel, die wie ein guter Wein gealtert ist.
Fahrzeugspezifikationen und mechanischer Zustand
Dieser Blue Tahiti LP400 S bewahrt den Charakter eines frühen Countach mit LP400‑abgeleiteter Fahrgestell‑ und Motorarchitektur, kombiniert mit der breiteren Spur und den Bravo‑Rädern des LP400 S. Wichtige Spezifikations‑ und Zustandsangaben sind:
- Kilometerstand/Tachostand: ~6.000 miles (sehr geringe, glaubwürdige Laufleistung)
- Lack und Innenraum: originale Werkslackierung und -ausstattung, hervorragende Erhaltung
- Mechanischer Zustand: funktional original; geplante, schonende Wartung in Italien ohne vollständige Restauration
- Sammlerwert: Chassis 1016 ist aufgrund seiner niedrigen Produktionsnummer, der Originalfarbe und der Herkunft sehr begehrt
Leistung, Marktpositionierung und Vergleiche
Die frühen Countach‑Modelle waren einst Maßstäbe unter den Supersportwagen: hochdrehende V12‑Motoren, heckgetriebene Layouts und ein starker Fokus auf dramatische Optik. In zeitgenössischen Leistungsdaten konkurrierten sie mit oder übertrafen exotische Mitbewerber wie die Ferrari Berlinetta Boxer‑Familie oder den Maserati Bora in Höchstgeschwindigkeit und Erlebniswert.
Heute bewegen sich ihre Marktwerte an der Schnittstelle von klassischer Supersportwagen‑Begehrtheit und concours‑tauglicher Originalität. Mitte der 2010er‑Jahre lagen Transaktionen für makellose Periscopios und frühe LP400 S‑Autos je nach Laufleistung, Dokumentation und Farbe etwa zwischen 1,2 und 2 Millionen US‑Dollar. Mit anhaltendem Interesse an werkserhaltenen Exemplaren und dem kulturellen Status des Countach sind diese Werte tendenziell gestiegen.
Im Vergleich spiegeln Wertsteigerung und Sammlerinteresse des Countach jene anderer Supersportwagen des späten 20. Jahrhunderts wider, etwa des Ferrari F40 oder des Porsche 959 — wenn auch mit unterschiedlichem Sammlerprofil. Der Countach spricht Enthusiasten an, die radikales Design, V12‑Charakter und eine starke karosseriebasierte Ästhetik schätzen.
Restaurationstrategie und Zukunftspläne
Temerians Entscheidung ist eindeutig: Der Blue Tahiti Countach erhält mechanische Betreuung, um sichere und zuverlässige Fahrt zu gewährleisten, wird jedoch nicht kosmetisch restauriert. Der Erhalt des Originallacks, periodengerechter Ausstattung und einer unberührten Kabine bewahrt die Provenienz und maximiert den historischen Wert für Sammler, die Authentizität über concours‑Perfektion stellen.
Warum dieser Fund für Sammler und Enthusiasten wichtig ist
Ein nieder‑kilometriger, weitgehend unrestaurierter LP400 S, der Sant'Agata vor Jahrzehnten verließ und nahezu unverändert zurückkehrt, ist selten. Über die Romantik der Entdeckung hinaus bietet das Auto ein authentisches Fenster in Lamborghinis Design und Technik zu einem wichtigen Zeitpunkt. Für Sammler bestätigen solche Funde die Nachfrage nach Originalzustand und dienen als Referenzpunkte, an denen restaurierte oder veränderte Fahrzeuge gemessen werden.
Für alle, die klassische Supersportwagen verfolgen, ist der Blue Tahiti Countach eine Erinnerung daran, dass Automobilgeschichte manchmal intakt wieder auftaucht — ein originales Artefakt der Supersportwagen‑Kultur der 1970er, das auch 2025 noch beeindruckt.
Quelle: autoevolution
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