Durchbruch: Mikrobielle Produktion einer PET‑Alternative

Durchbruch: Mikrobielle Produktion einer PET‑Alternative

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Durchbruch: Mikrobielle Produktion einer PET‑Alternative

Ein Team von Bioingenieuren der Kobe University meldet einen wichtigen Fortschritt bei der mikrobiellen Herstellung von PDCA (Pyridindicarbonsäure), einem biologisch abbaubaren Monomer, dessen Polymere mechanische Eigenschaften zeigen, die mit denen von herkömmlichem Polyethylenterephthalat (PET) vergleichbar sind und in einigen Aspekten sogar darüber liegen. Durch die gezielte Umprogrammierung des Stoffwechsels von Escherichia coli produzierten die Forschenden PDCA aus Glukose in Rührkesselbioreaktoren in Konzentrationen, die mehr als siebenmal höher sind als in früheren Berichten, und das, ohne die Bildung toxischer Nebenprodukte, die bei kombinierten chemisch/biologischen Verfahren häufig auftreten.

PDCA ist ein vielversprechender Kandidat für leistungsfähige, biobasierte Kunststoffe, die in Behältern, Fasern und Folien eingesetzt werden können. Im Gegensatz zu vielen aus Biomasse gewonnenen Molekülen, die nur Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff enthalten, erfordert PDCA die Einbindung von Stickstoff in das aromatische Gerüst — eine Fähigkeit, die in mikrobiellen Systemen bislang schwer effizient umzusetzen war. Die Gruppe aus Kobe konzentrierte sich darauf, den zellulären Stickstoffstoffwechsel zu nutzen, damit das gesamte PDCA-Molekül biologisch aufgebaut werden kann, statt auf partielle chemische Synthese zurückzugreifen.

Wissenschaftlicher Hintergrund und experimentelles Vorgehen

Die gentechnische Herstellung komplexer Monomere in Mikroben erfordert üblicherweise das Einbringen nicht‑endogener Enzyme, die Optimierung metabolischer Flüsse und das Ausbalancieren von Cofaktor‑ und Vorläuferangebot. Das Team der Kobe University integrierte Enzymkombinationen, die den aus Glukose stammenden Kohlenstoff und den assimilierten Stickstoff in den Pyridinring sowie die Carboxylatgruppen von PDCA einspeisen. Sie optimierten die Fermentationsbedingungen in Labor‑Rührkesselbioreaktoren und verfolgten Ausbeute, Nebenproduktbildung und Enzymstabilität.

Ein technischer Schlüssel­erfolg war die Beseitigung unerwünschter Nebenprodukte, die in chemo‑enzymatischen Routen üblicherweise entstehen. Die Forschenden zeigen, dass ein vollständig biologischer Weg Stickstoff sauber einbauen kann, was ein reineres Endprodukt ermöglicht und die Aufarbeitung vereinfacht. In ihrer Veröffentlichung in Metabolic Engineering berichten die Autorinnen und Autoren von PDCA‑Titerwerten, die frühere mikrobielle Berichte um mehr als das Siebenfache übertreffen — ein bedeutender Schritt in Richtung industrieller Relevanz.

Technische Herausforderungen und Lösungen

Eine anhaltende Engstelle, auf die das Team stieß, betraf ein heterologes Enzym, das als Nebenreaktion Wasserstoffperoxid (H2O2) bildete. H2O2 ist sehr reaktiv und schädigte das Enzym selbst, wodurch eine negative Rückkopplung entstand, die die PDCA‑Synthese begrenzte. Die Gruppe verringerte dieses Problem durch die Verfeinerung der Kulturbedingungen und die Zugabe einer Peroxid‑fressenden Verbindung zum Medium, die das Enzym schützte und den Fluss in den PDCA‑Weg wiederherstellte. Die Forschenden räumen ein, dass die Zugabe von Scavengern Fragen zu Kosten und Logistik bei der Skalierung aufwirft, und schlagen genetische oder prozesstechnische Lösungen vor, um den Bedarf an exogenen Zusätzen zu eliminieren.

Schlüsselbefunde, Auswirkungen und nächste Schritte

Diese Arbeit liefert drei wichtige Fortschritte für die Forschung an biobasierten Kunststoffen: (1) den Nachweis, dass Mikroben stickstoffhaltige aromatische Monomere zusammensetzen können, (2) eine signifikante Steigerung des PDCA‑Titers in Bioreaktoren und (3) praktische Problembehebung bei Enzyminstabilität durch reaktive Sauerstoffspezies. Zusammen erweitern diese Punkte das Portfolio der molekularen Zielstrukturen, die durch mikrobielle Fermentation zugänglich sind, und rücken PDCA als Alternative zu petrochemisch gewonnenem PET näher an eine kommerzielle Betrachtung.

Die Autorinnen und Autoren beschreiben mehrere Wege zur weiteren Verbesserung: das Engineering peroxidtoleranter Enzymvarianten, die Integration intrazellulärer Peroxid‑Abbausysteme und die Optimierung des Verhältnisses von Rohstoff zu Produkt. Auf industrieller Ebene sind technoökonomische Analysen und Lebenszyklusbewertungen nötig, um PDCA‑basierte Polymere mit bestehenden Materialien zu vergleichen und dabei Rohstoffherkunft (Glukose aus Biomasse), Energieverbrauch und End‑of‑Life‑Abbaubarkeit zu berücksichtigen.

Experteneinschätzung

Dr. Maya Ortega, Materialwissenschaftlerin mit Schwerpunkt nachhaltige Polymere, kommentiert: "Diese Arbeit ist ein wichtiger Proof‑of‑Concept. Das Erreichen hoher PDCA‑Titer in Bioreaktoren adressiert eine häufige Engstelle — die Skalierung. Die verbleibenden Herausforderungen sind typisch: Enzymrobustheit und kostenwettbewerbsfähige Aufarbeitung. Können diese gelöst werden, könnten PDCA‑basierte Polymere in Märkte vordringen, in denen sowohl mechanische Leistung als auch biologische Abbaubarkeit gefordert sind."

Über Verpackungen und Textilien hinaus könnten stickstoffhaltige Monomere wie PDCA neue Klassen funktionaler Materialien mit maßgeschneiderten thermischen und Barriere‑Eigenschaften ermöglichen und damit Sektoren von Konsumgütern bis zur Luft‑ und Raumfahrt beeinflussen, wo Leistungsgewicht wichtig ist.

Fazit

Die Demonstration der Kobe University zur hochgradigen, sauberen mikrobiellen Synthese von PDCA stellt einen bemerkenswerten Schritt in Richtung nachhaltiger, leistungsfähiger Kunststoffe dar. Durch die Integration des Stickstoffstoffwechsels in einen vollständigen Biosyntheseweg und die Lösung von Enzyminstabilität durch Wasserstoffperoxid eröffnet die Forschung neue Wege zur biotechnologischen Herstellung aromatischer Monomere. Die verbleibenden Arbeiten werden sich darauf konzentrieren, den Bedarf an chemischen Scavengern zu beseitigen, die Ausbeuten weiter zu steigern und wirtschaftliche sowie ökologische Vorteile im Maßstab zu validieren. Gelingt dies, könnte PDCA der Industrie eine erneuerbare, biologisch abbaubare Alternative zu PET für Behälter, Fasern und Spezialmaterialien bieten.

Quelle: sciencedaily

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