Warum Island größtenteils mückenfrei bleibt

Warum Island größtenteils mückenfrei bleibt

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Warum Island größtenteils mückenfrei bleibt

Trotz zahlreicher Süßwasserlebensräume wie Teichen und Mooren in der Nähe von Flugplätzen und Siedlungen ist Island weitgehend frei von etablierten Mückenpopulationen geblieben. Biologen machen vor allem das Klima der Insel verantwortlich: Lange Winter verbunden mit häufigen Frost-Tau-Zyklen im Herbst und Frühjahr frieren flaches, stehendes Wasser wiederholt ein und auf, unterbrechen die aquatischen Entwicklungsstadien der Mücken und verhindern, dass sich stabile Populationen etablieren.

Mückenbiologie und klimatische Einschränkungen

Die Entwicklung einer Mücke verläuft in vier Stadien: Ei, Larve, Puppe und adultes Insekt. Weibliche Mücken legen Eier auf oder in der Nähe von Wasser ab. Aus den Eiern schlüpfen aquatische Larven, die wachsen und sich dann zu Puppen verwandeln — ein nicht fressendes, unbewegliches Stadium, aus dem das ausgewachsene Insekt hervortritt. Entscheidend ist, dass Larven und Puppen flüssiges, unfrostetes Wasser benötigen, um diese Stadien erfolgreich zu durchlaufen.

Strategien zur Kälteresistenz in anderen Regionen

Einige an Kälte angepasste Mückenarten überdauern extreme Winter, indem sie ihre Entwicklung aussetzen. In Teilen der Arktis können Eier in eine Dormanz eintreten und monatelang im Eis überdauern, bis sie im Sommer wieder auftauen. In milderen nördlichen Zonen überwintern Mücken manchmal als Eier, als Larven in geschützten, unfrosteten Gewässern oder sogar als geschützte adulte Tiere in Höhlen. Islands Klima liegt jedoch zwischen diesen Kategorien: Die wiederholten Frost-Tau-Zyklen schädigen Eier und aquatische Stadien, bevor diese reifen können, sodass die Lebenszyklen der Mücken gestört werden.

Geothermische Gewässer und chemische Grenzen

Geothermische Quellen in Island bleiben im Winter meist unfrostet und könnten auf den ersten Blick als Rückzugsorte für die Entwicklung von Mücken erscheinen. Zwei Faktoren machen geothermische Becken jedoch ungeeignete Brutstätten. Erstens sind viele geothermische Gewässer für kälteangepasste Larven zu warm und liegen außerhalb der thermischen Toleranzbereiche Arten, die an hohe Breiten angepasst sind. Zweitens haben geothermische Gewässer oft ungewöhnliche Mineral- und Chemiezusammensetzungen (z. B. hoher Schwefelgehalt, geringer Sauerstoff), die für Insektenlarven feindlich sind. Zusammengenommen verringern diese Faktoren die Wahrscheinlichkeit, dass geothermische Becken dauerhafte Fortpflanzungsbestände unterstützen.

Klimawandel: eine wachsende Sorge

Steigende Temperaturen und Veränderungen in den Jahreszeiten könnten den mückenfreien Status Islands verändern. Wärmere Frühjahre und Herbste würden die Zeiträume verlängern, in denen stehendes Wasser unfrostet bleibt, und damit die Chance erhöhen, dass Eier, Larven und Puppen ihre Entwicklung abschließen. Wissenschaftler dokumentieren bereits eine polwärts gerichtete Ausbreitung tropischer und subtropischer Mückenarten an anderen Orten — zum Beispiel wandern Aedes-Arten in den wärmer werdenden Wintern der kontinentalen USA nach Norden.

Historische Beispiele zeigen, wie schnell ein mückenfreies Gebiet sich ändern kann. Hawaii war bis ins 19. Jahrhundert frei von Mücken, bis verschiffte Einschleppungen Populationen etablierten, die sich in dem dort günstigen Klima rasch ausbreiteten. In Hawaii hat die Erwärmung sogar dazu geführt, dass manche Vektorarten in höher gelegene Wälder vordringen, die früher zu kühl waren.

Folgen für die öffentliche Gesundheit und Vektorrisiken

Selbst wenn Mücken in Island häufiger werden, bleibt das Risiko, dass krankheitsübertragende Arten wie Aedes aegypti und Aedes albopictus sich dort dauerhaft etablieren, nach aktuellen Klimaprojektionen vergleichsweise gering. Diese Arten benötigen tropische bis subtropische Temperaturbedingungen, um ganzjährig eine Übertragung von Viren wie Dengue oder Chikungunya aufrechtzuerhalten. Modellierungen für Nordeuropa deuten darauf hin, dass trotz Erwärmung geeignete Bedingungen für Dengue-Übertragung voraussichtlich bis Mitte des Jahrhunderts eingeschränkt bleiben. Zugleich erhöhen zunehmender Reiseverkehr und Handel die Wahrscheinlichkeit episodischer Einschleppungen, weshalb Überwachung für eine frühzeitige Erkennung entscheidend ist.

Experteneinschätzung

„Die Kombination aus langanhaltenden Frösten und häufigen Tauereignissen in Island ist außergewöhnlich feindlich für die aquatischen Stadien von Mücken“, sagt Dr. Elena Vargas, Klimaforscherin mit Schwerpunkt Entomologie an der Universität Kopenhagen. „Ausschlaggebend wird nicht nur der mittlere Temperaturanstieg sein, sondern Veränderungen in der Saisonalität — längere frostfreie Perioden im Frühjahr und Herbst würden für die Etablierung weit mehr bedeuten als ein kleiner Anstieg der Sommertemperaturen allein.“

Dr. Vargas ergänzt, dass die Überwachung von Süßwasserhabitaten in der Nähe von Verkehrsknotenpunkten und gezielte Larvenuntersuchungen in warmen Jahreszeiten frühzeitige Warnzeichen liefern würden, falls sich Verbreitungen beginnen.

Fazit

Die relative Abwesenheit von Mücken in Island lässt sich am besten durch klimatische Einschränkungen erklären und nicht durch einen Mangel an möglichen Brutplätzen. Wiederholte Frost-Tau-Zyklen, ungeeignete chemische und thermische Bedingungen in geothermischen Becken sowie kurze Perioden mit unfrostetem, stehendem Wasser unterbrechen den Lebenszyklus der Mücken. Allerdings könnte der Klimawandel die Zeitfenster für die Larvenentwicklung verlängern und damit das Risiko einer künftigen Etablierung erhöhen. Anhaltende Überwachung, kombiniert mit Klimamodellierung und Vorbereitung im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wird entscheiden, wie sich dieser nahezu mückenfreie Zustand in den kommenden Jahrzehnten entwickelt.

Quelle: livescience

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