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Eine globale seismische Rätselentdeckung: Wie ein Megatsunami aus Grönland den Planeten erschütterte

Eine globale seismische Rätselentdeckung: Wie ein Megatsunami aus Grönland den Planeten erschütterte

2025-06-05
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Die Entdeckung eines globalen seismischen Rätsels

Im September 2023 machten Forschende der Erdbebenüberwachung eine verblüffende Entdeckung: Ungewöhnliche Vibrationen breiteten sich in Intervallen von etwa 90 Sekunden über neun Tage hinweg rund um den Globus aus. Dieses anhaltende seismische Signal, das sich deutlich von bisher bekannten Mustern unterschied, sorgte weltweit für Rätselraten unter Wissenschaftlern. Nur einen Monat später wurde ein nahezu identisches Phänomen registriert, was das Rätsel weiter vertiefte und eine umfassende Untersuchung auslöste.

Nach sorgfältiger Analyse kam ein außergewöhnlicher Auslöser ans Licht: Ein massiver Megatsunami, verursacht durch natürliche Prozesse in einem abgelegenen grönländischen Fjord, erzeugte ein sogenanntes Seiche-Phänomen. Dabei handelt es sich um eine stehende Welle, die in einem begrenzten Gewässer hin und her schwingt. Das Ereignis war so energiereich, dass sein seismisches Echo weltweit messbar war.

Ursachenforschung: Gletscherschmelze und Erdrutschdynamik

Das Zentrum dieses Naturdramas lag im Dicksonfjord in Ostgrönland, einer abgelegenen Wasserstraße. Laut seismischen Auswertungen begann der Ablauf, als eine schmelzende Gletscherzunge zwei massive Erdrutsche in den Fjord auslöste. Diese Einbrüche verdrängten enorme Wassermengen und lösten gewaltige Tsunamis mit Wellenhöhen zwischen 7,4 und 8,8 Metern aus. Aufgrund der steilen und engen Struktur des Fjords konnten sich die Wellen nicht verteilen, sondern schlugen mehrmals gegen die Fjordwände zurück. So entstand eine lang anhaltende Seiche, die über Tage hinweg andauerte.

Bemerkenswert ist, dass aufgrund der extremen Abgeschiedenheit des Fjords das Ausmaß der Zerstörung von niemandem direkt beobachtet wurde – selbst ein Militärschiff, das Tage später eintraf, registrierte das Geschehen erst im Nachhinein. Die Entdeckung gelang ausschließlich über die seismischen Signale.

Satellitentechnologie bringt neue Erkenntnisse

Während erdgebundene Sensoren die erdbebenähnlichen Signale aufzeichneten, waren für ein tieferes Verständnis satellitengestützte Beobachtungen erforderlich. Die klassische Satelliten-Altimetrie zur Messung der Wasseroberfläche ist jedoch normalerweise nicht in der Lage, so kurzfristige und lokale Ereignisse ausreichend aufzulösen. Mit dem Start des SWOT-Satelliten (Surface Water and Ocean Topography) der NASA im Jahr 2022 stand den Forschenden jedoch ein revolutionäres Werkzeug zur Verfügung. Dank des fortschrittlichen Ka-Band Radarinterferometers lieferte SWOT bisher unerreichte Präzision bei der Kartierung von Wasserständen weltweit.

Zufällig überflog SWOT während beider Megatsunami-Ereignisse im September und Oktober den Dicksonfjord und lieferte detaillierte Messungen. Die Wissenschaftler nutzten diese hochauflösenden Daten zur Erstellung von Höhenkarten, die deutliche Schwankungen der Wasseroberfläche im Fjord zeigten. Die Auswertung bestätigte die Existenz einer fast zwei Meter hohen stehenden Welle – der direkte Nachweis des Seiche-Phänomens, das die Brücke zwischen seismischen Signalen und ozeanografischen Prozessen bildet.

Expertenmeinungen und die Bedeutung von Satellitendaten

„Diese Studie zeigt, wie neue Satellitengenerationen rätselhafte Ereignisse aufklären, an die wir früher nicht herangekommen wären“, erklärt Dr. Thomas Adcock, Ozeaningenieur an der Universität Oxford. „Einblicke wie diese werden unser Verständnis von ozeanischen Extremen wie Megatsunamis, Sturmfluten oder ungewöhnlichen Wellen revolutionieren. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, müssen wir Satellitendaten mit innovativen Machine-Learning-Ansätzen und fundiertem Wissen der Ozeanphysik kombinieren.“

Das Forscherteam beließ es nicht bei der Beobachtung: Durch die Synchronisierung der SWOT-Höhenkarten mit seismischen Daten gelang es ihnen, die Entwicklung und Eigenschaften der Megatsunami-Wellen detailliert zu rekonstruieren – selbst für Zeiträume, in denen der Satellit nicht direkt vor Ort war. Dadurch konnten alternative Erklärungen für die ungewöhnlichen seismischen Signale mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden, sodass die Seichen als Ursache eindeutig feststanden.

Auswirkungen auf die Klimaforschung und künftige Überwachung

Der Erfolg dieser Studie markiert einen Wendepunkt in den Geowissenschaften, insbesondere angesichts der rasanten Klimaerwärmung und den damit verbundenen extremen Naturphänomenen in den entlegensten Regionen der Erde. Gletscherschmelzen und Erdrutsche nehmen zu – vor allem in arktischen und subpolaren Gebieten, wo herkömmliche Messstationen schwer oder gar nicht einsetzbar sind.

"Der Klimawandel führt zu nie dagewesenen Extremereignissen, und das rascher als erwartet – besonders in schwer zugänglichen Regionen wie der Arktis“, betont Ingenieur Thomas Monahan von der Universität Oxford. „Allein mit klassischen Sensoren lassen sich diese Veränderungen kaum vollständig erfassen. Mithilfe moderner Erdbeobachtungstechnologie wie SWOT gewinnen wir wertvolle Einblicke in dynamische ozeanische Prozesse. Das stellt einen Paradigmenwechsel dar: Früher scheiterten Satelliten daran, Fjorde zu erfassen, doch SWOT ermöglicht nun eine ganz neue Form der Beobachtung.“

Fazit

Die erste direkte Erfassung des Megatsunamis im grönländischen Fjord – eines Seiche-Ereignisses mit planetenweiter seismischer Wirkung – bedeutet einen Durchbruch für die Seismologie und Ozeanografie. Dank des NASA-Satelliten SWOT zeigt die Studie, wie moderne Erdbeobachtungstechnologie dazu beiträgt, globale Rätsel zu entschlüsseln und den Einfluss des Klimawandels besser zu verstehen. Mit der fortlaufenden Integration von hochpräzisen Satellitendaten, Künstlicher Intelligenz und klassischer Geowissenschaft wächst unsere Fähigkeit, extreme Naturereignisse frühzeitig zu erkennen, zu erforschen und zu bewerten. Diese Erkenntnisse fließen nicht nur in verbesserte Gefahrenmodelle und die Klimaforschung ein, sondern unterstreichen auch den Nutzen internationaler Zusammenarbeit und technologischer Innovationen zur Erkundung verborgener Dynamiken unseres Planeten.

Quelle: doi

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