Neue Belege: drei eindeutige Schäden durch ultraverarbeitete Lebensmittel

Neue Belege: drei eindeutige Schäden durch ultraverarbeitete Lebensmittel

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Neue Belege: drei eindeutige Schäden durch ultraverarbeitete Lebensmittel

Eine randomisierte Crossover-Ernährungsstudie der Universität Kopenhagen zeigt, dass ultraverarbeitete Lebensmittel (UPFs) verschiedene Aspekte der Gesundheit von Männern schädigen können, selbst wenn Kalorien- und Nährstoffzufuhr konstant gehalten werden. Die Studie identifiziert drei Haupteffekte, die mit hohem UPF-Konsum verbunden sind: vermehrte Fettmasse, Störungen der endokrinen (hormonellen) Funktion und beeinträchtigte Marker der Spermiengesundheit. Diese Ergebnisse fügen der wachsenden Evidenz hinzu, dass industriell hergestellte Lebensmittel die menschliche Biologie über ihr Makronährstoff- und Kalorienprofil hinaus beeinflussen können.

Die Autorinnen und Autoren formulierten ihre Arbeit, um eine spezifische Frage zu testen: Beeinflusst die industrielle Verarbeitung von Lebensmitteln an sich — und nicht nur Kalorien, Makronährstoffe oder Portionsgrößen — die metabolische und reproduktive Gesundheit? Frühere epidemiologische Studien haben den UPF-Konsum mit Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmten Krebsarten in Verbindung gebracht, doch um Kausalität nachzuweisen, sind kontrollierte Ernährungsexperimente wie dieses erforderlich.

Studienaufbau und Hauptergebnisse

Aufbau der Studie

Die Studie rekrutierte 43 cisgeschlechtliche Männer im Alter von 20 bis 35 Jahren in einem Crossover-Design. Jede Teilnehmerin bzw. jeder Teilnehmer folgte zwei unterschiedlichen Diäten, getrennt durch eine dreimonatige Auswaschphase. Beide Diäten waren rechnerisch auf Kalorien- und Nährstoffzusammensetzung abgestimmt, unterschieden sich jedoch deutlich im Verarbeitungsgrad: Eine lieferte 77 % der täglichen Kalorien aus ultraverarbeiteten Lebensmitteln, die andere 66 % der Kalorien aus unverarbeiteten oder minimal verarbeiteten Lebensmitteln.

Die Forschenden verglichen unverarbeitete mit ultraverarbeiteten Diäten. (Preston et al., Cell Metab., 2025)

Wesentliche physiologische Ergebnisse

Im Vergleich zur unverarbeiteten Diät führte die UPF-reiche Kost während des Interventionszeitraums zu messbaren negativen Veränderungen. Im Durchschnitt nahmen die Teilnehmenden während der UPF-Phase etwa 1 Kilogramm zusätzliche Fettmasse zu. Biomonitoring detektierte außerdem erhöhte Konzentrationen einer phthalatbezogenen Verbindung, cxMINP, im Blut — eine Chemikalienklasse, die häufig mit Weichmachern in Verbindung gebracht wird und als endokriner Disruptor wirken kann.

Wichtig für die reproduktive Gesundheit war, dass die UPF-Diät mit Abnahmen des zirkulierenden Testosterons und des follikelstimulierenden Hormons (FSH) verbunden war, einem hypophysären Hormon, das die Spermatogenese unterstützt. Die Studie berichtete zudem über Tendenzen zu einer unterschiedlichen Anreicherung von Kontaminanten im Blut und Samenflüssigkeit, was zu einem Mechanismus passen würde, bei dem Lebensmittelverpackungen und Zusatzstoffe reproduktive Gewebe beeinflussen könnten.

„Wir waren schockiert, wie viele Körperfunktionen durch ultraverarbeitete Lebensmittel gestört wurden, selbst bei gesunden jungen Männern“, sagt der Molekularbiologe Romain Barrès von der Universität Kopenhagen, einer der leitenden Forschenden. Die Ernährungswissenschaftlerin Jessica Preston, Co-Autorin, ergänzt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass ultraverarbeitete Lebensmittel unsere reproduktive und metabolische Gesundheit schädigen, selbst wenn sie nicht im Übermaß verzehrt werden. Das deutet darauf hin, dass die verarbeitete Natur dieser Lebensmittel sie gefährlich macht.“

Wissenschaftlicher Kontext und Mechanismen

UPFs werden sowohl durch ihre neuartigen industriellen Inhaltsstoffe (Emulgatoren, künstliche Farbstoffe, Stabilisatoren und viele Zusatzstoffe, die in Hausküchen nicht üblich sind) als auch durch hochintensive Herstellungsprozesse (Extrusion, Hydrierung, Verpackung) definiert. Diese Eigenschaften erhöhen Haltbarkeit, Geschmack und Erschwinglichkeit, führen aber auch zu Verbindungen und physikalischen Eigenschaften, die Verdauung, Darmmikrobiota, endokrine Signalwege und die Exposition gegenüber chemischen Kontaminanten verändern können.

Mögliche Mechanismen, die UPFs mit den beobachteten Schäden verbinden, umfassen:

  • Hormonersetzende Kontaminanten: Phthalate und andere Weichmacher können aus Verpackungen auslaugen oder aus Verarbeitungsanlagen stammen und in Androgen- und Hypophysen-Signalwege eingreifen.
  • Veränderungen der Lebensmittelmatrix: Verarbeitung verändert Faserstruktur, Partikelgröße und Freisetzungsdynamik von Nährstoffen, was Adipositas fördern und Sättigungshormone beeinflussen kann.
  • Additiv-induzierte Entzündung: Bestimmte Emulgatoren und Zusatzstoffe haben in Tier- und In-vitro-Modellen gezeigt, dass sie niedriggradige Entzündungen und Veränderungen der Darmbarriere fördern können, was zur metabolischen Dysregulation beitragen kann.

Während diese Humanstudie nicht jeden Mechanismus isolieren kann, liefert sie kontrollierte Belege dafür, dass zwei kalorien- und nährstoffgleichgestellte Diäten unterschiedliche metabolische und reproduktive Folgen haben können, wenn sich ihr Verarbeitungsgrad unterscheidet.

Folgerungen, Einschränkungen und Bedeutung für die öffentliche Gesundheit

Diese Studie stärkt die Hypothese, dass der Grad der industriellen Verarbeitung selbst ein Gesundheitsfaktor ist, unabhängig von der Energiezufuhr. Für Kliniker und Gesundheitsbehörden signalisieren die Ergebnisse, dass die Exposition gegenüber UPFs in Ernährungsempfehlungen berücksichtigt und Herstellungs‑ und Verpackungsstandards, die die menschliche Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren erhöhen, neu bewertet werden sollten.

Allerdings sind Einschränkungen zu beachten: Die Stichprobengröße war überschaubar (43 Teilnehmende), die Interventionszeiträume relativ kurz und die Studie umfasste nur junge Männer. Längere Studien und diversere Populationen (einschließlich Frauen, älteren Erwachsenen und Jugendlichen) sind nötig, um das Risiko chronischer Krankheiten und die Generalisierbarkeit zu bewerten. Die Studie wirft auch Fragen für zukünftige Forschung zu Zwischenendpunkten wie Veränderungen des Darmmikrobioms, Entzündungsbiomarkern und langfristigen Fertilitätsmaßen auf.

Expertinnen- und Experteneinschätzung

Dr. Elena Morales, Reproduktionsendokrinologin, die nicht an der Studie beteiligt war, kommentiert: „Diese Studie ist eine der klarsten Demonstrationen dafür, dass die Art der Lebensmittelverarbeitung unmittelbare physiologische Folgen haben kann. Der Rückgang von Testosteron und FSH — Hormone, die zentral für die männliche Fortpflanzungsfunktion sind — ist angesichts der globalen Trends zu schlechterer Spermienqualität besonders besorgniserregend. Kliniker sollten den UPF-Konsum von Patienten bei unerklärlichen metabolischen oder reproduktiven Veränderungen in Betracht ziehen.“

Dr. Marco Jensen, Forscher zu Lebensmittelsystemen, ergänzt: „Aus systemischer Sicht entstanden UPFs als Lösung für Erschwinglichkeit und Distribution. Doch die Wissenschaft holt jetzt auf und zeigt Zielkonflikte für die Bevölkerungs- und Umweltgesundheit. Den Konsum ultraverarbeiteter Lebensmittel zu reduzieren und gleichzeitig den Zugang zu erschwinglichen, minimal verarbeiteten Alternativen zu verbessern, ist eine politische Priorität.“

Praktische Empfehlungen

Für Einzelne: Bevorzugen Sie Voll‑ oder minimal verarbeitete Lebensmittel — Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, minimal verarbeitete Milchprodukte, Fisch und mageres Fleisch — und begrenzen Sie verpackte Snacks, Fertiggerichte und Produkte mit langen Zutatenlisten, die von unbekannten chemischen Namen dominiert werden.

Für Forschende und Aufsichtsbehörden: Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit strengerer Überwachung von lebensmittelkontaktierenden Chemikalien, besserer Kennzeichnung des Verarbeitungsgrads und erweiterter Studien, die langfristige reproduktive und kardiometabolische Folgen untersuchen.

Schlussfolgerung

Diese kontrollierte Studie der Universität Kopenhagen deutet darauf hin, dass ultraverarbeitete Lebensmittel die Fettmasse erhöhen, Kontaminantenmarker im Zusammenhang mit Weichmachern anheben und zentrale Fortpflanzungshormone bei gesunden jungen Männern senken können — selbst wenn Kalorien und grundlegende Nährstoffgehalte gleich sind. Die Befunde stützen das wachsende wissenschaftliche und politische Interesse an der Rolle der Lebensmittelverarbeitung als unabhängiger Risikofaktor für metabolische und reproduktive Gesundheit. Während weitere Forschung nötig ist, um langfristige und bevölkerungsweite Auswirkungen zu bestätigen, unterstützt die Studie praktische Maßnahmen zur Reduktion des UPF-Konsums und zur Neubewertung von Herstellungs‑ und Verpackungspraktiken, die endokrin wirksame Kontaminanten einbringen könnten.

Quelle: sciencealert

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