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Orforglipron als orale Tablette zeigt erheblichen Gewichtsverlust in Phase‑3‑Studie
Orforglipron, ein oraler GLP‑1‑Agonist, half Patientinnen und Patienten mit Adipositas, in einer großen Studie bis zu 11 % ihres Körpergewichts zu verlieren und bietet damit eine vielversprechende Alternative zu injizierbaren Therapien. (Künstlerische Darstellung). Bildnachweis: Stock
Neue Phase‑3‑Daten, vorgestellt auf der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes in Wien (15.–19. Sept. 2025) und veröffentlicht im New England Journal of Medicine, berichten, dass einmal täglich eingenommenes Orforglipron klinisch bedeutsame Gewichtsreduktionen bei Menschen mit Adipositas ohne Typ‑2‑Diabetes bewirkt. Da es sich um einen oralen, kleinmolekularen Glucagon‑like‑Peptide‑1 (GLP‑1)‑Rezeptoragonisten handelt, könnte Orforglipron den Zugang zur pharmakologischen Adipositasversorgung erweitern, insbesondere dort, wo injizierbare Formulierungen die Verbreitung einschränken.
Studienaufbau und Methoden
Die multinationale, randomisierte, doppelblinde Phase‑3‑Studie rekrutierte 3.127 erwachsene Personen mit Adipositas (ohne Typ‑2‑Diabetes) in neun Ländern und Regionen (Vereinigte Staaten, China, Brasilien, Indien, Japan, Südkorea, Spanien, Slowakei und Taiwan). Die Teilnehmenden wurden im Verhältnis 3:3:3:4 randomisiert und erhielten einmal täglich oral Orforglipron in Dosen von 6 mg, 12 mg oder 36 mg oder Placebo, jeweils ergänzt durch standardisierte Lebensstilberatung zu Ernährung und körperlicher Aktivität. Die Behandlungsdauer betrug 72 Wochen; der primäre Endpunkt war die prozentuale Veränderung des Körpergewichts vom Ausgangswert bis Woche 72.
Wesentliche Ergebnisse
Bis Woche 72 betrug die mittlere Gewichtsveränderung gegenüber dem Ausgangswert −7,5 % in der 6‑mg‑Gruppe, −8,4 % in der 12‑mg‑Gruppe und −11,2 % in der 36‑mg‑Gruppe, verglichen mit −2,1 % in der Placebo‑Gruppe. In der höchsten Dosisgruppe (36 mg) verloren 54,6 % der Teilnehmenden mindestens 10 % ihres Ausgangsgewichts, 36,0 % verloren mindestens 15 % und 18,4 % erreichten einen Verlust von 20 % oder mehr. Entsprechende Anteile in der Placebo‑Gruppe lagen bei 12,9 %, 5,9 % bzw. 2,8 %.
Sekundäre kardiometabolische Endpunkte verbesserten sich unter Orforglipron gegenüber Placebo: Reduktionen wurden bei Taillenumfang, systolischem Blutdruck, Triglyzeriden und non‑HDL‑Cholesterin beobachtet. Ein Therapieabbruch aufgrund unerwünschter Ereignisse trat in den Orforglipron‑Dosengruppen bei 5,3 %–10,3 % der Teilnehmenden auf gegenüber 2,7 % unter Placebo. Am häufigsten berichtete Nebenwirkungen betrafen den Magen‑Darm‑Trakt und waren überwiegend mild bis moderat, was dem bekannten Nebenwirkungsprofil der GLP‑1‑Rezeptoragonisten entspricht.

Vergleich von Orforglipron mit bisherigen GLP‑1‑Therapien
Injizierbare GLP‑1‑Rezeptoragonisten wie Semaglutid und Tirzepatid führten in klinischen Studien oft zu mittleren Gewichtsverlusten im mittleren zweistelligen Bereich bis über 20 % und zeigten in einigen Studien zusätzliche Vorteile für die Reduktion des kardiovaskulären Risikos. Die Orforglipron‑Studie erreichte geringere durchschnittliche Gewichtsverluste als die stärksten injizierbaren Regime, zeigte jedoch für einen oralen kleinmolekularen Wirkstoff bedeutsame, dosisabhängige Effekte — ein wichtiger Fortschritt, da die orale Verabreichung Patientenpräferenzen entsprechen, Barrieren im Zusammenhang mit Injektionen abbauen und möglicherweise Kosten senken sowie die Behandlungsakzeptanz erhöhen kann.
Stärken, Einschränkungen und klinische Bedeutung
Stärken dieser Studie sind die große Stichprobengröße, die geografische Vielfalt über vier Kontinente und die Einbeziehung von mehr als 35 % Männern — ein Beitrag zur Behebung eines häufigen Geschlechterungleichgewichts in der Adipositasforschung. Von den Forschenden genannte Einschränkungen umfassen das Fehlen eines direkten Head‑to‑Head‑Vergleichs mit zugelassenen injizierbaren Adipositasmedikamenten sowie die Verwendung von Body‑Mass‑Index‑Grenzwerten, die primär in überwiegend weißen Populationen entwickelt wurden und möglicherweise adipositätsbezogene Risikoschwellen für alle ethnischen Gruppen nicht vollständig abbilden. Die zunehmende Verfügbarkeit von Adipositasmedikamenten im realen Umfeld könnte zudem die künftige Adhärenz und vergleichende Wirksamkeit beeinflussen.
Die Forschenden schließen, dass Orforglipron statistisch signifikante und klinisch relevante, dosisabhängige Gewichtsreduktionen erzielte und ein Verträglichkeitsprofil zeigte, das mit anderen GLP‑1‑Rezeptoragonisten übereinstimmt. Studienleiter Dr. Sean Wharton (McMaster University und Wharton Weight Management Clinic) und Mitarbeitende hoben hervor, dass ein wirksamer oraler GLP‑1‑Wirkstoff den therapeutischen Zugang für Patientinnen und Patienten erweitern könnte, die aus Kosten‑, logistischen Gründen oder aufgrund persönlicher Präferenzen keine injizierbaren Formulierungen verwenden möchten.
Expertinneneinschätzung
Dr. Elena Moreno, eine fiktive klinische Pharmakologin und Wissenschaftskommunikatorin mit Erfahrung in metabolischen Therapeutika, kommentiert: "Orforglipron stellt einen wichtigen pharmakologischen Fortschritt dar, weil die orale Verabreichung die Entscheidungen von Patientinnen, Patienten und Gesundheitssystemen verändert. Während injizierbare GLP‑1‑Substanzen sehr große durchschnittliche Gewichtsverluste erzielt haben, können orale Wirkstoffe Eintrittsbarrieren senken und die langfristige Therapietreue für viele Menschen verbessern. Sicherheitsüberwachung und direkte Vergleichsstudien werden entscheidend sein, um Orforglipron in die klinische Praxis einzuordnen."
Wissenschaftlicher Kontext und Ausblick
GLP‑1‑Rezeptoragonisten wirken über zentrale Appetitwege und verlangsamen die Magenentleerung, was zusammen die Energieaufnahme reduziert und glykämische sowie kardiometabolische Parameter verbessert. Orforglipron ist ein kleinmolekularer Wirkstoff, der so entwickelt wurde, dass er den GLP‑1‑Rezeptor nach oraler Einnahme aktiviert und damit die Stabilitäts‑ und Resorptionsprobleme von Peptiden umgeht, die historisch injizierbare Formulierungen erforderlich machten. Zukünftige Prioritäten sind längerfristige Sicherheitsbeobachtungen, Head‑to‑Head‑Studien gegenüber etablierten injizierbaren Wirkstoffen sowie Bewertungen der Kosten‑Nutzen‑Relation und der Real‑World‑Wirksamkeit in diversen Populationen.
Wenn weitere Forschungen dies bestätigen und Zulassungsbehörden die Anwendung genehmigen, könnte ein wirksamer oraler GLP‑1‑Rezeptoragonist die Landschaft der Adipositasbehandlung verändern, Behandlungsoptionen in der Primärversorgung und in Gemeindezentren erweitern und eine bessere Integration mit Lebensstil‑ und verhaltensbezogenen Interventionen ermöglichen.
Fazit
In einer großen internationalen Phase‑3‑Studie führte die einmal tägliche orale Einnahme von Orforglipron zu dosisabhängigen Gewichtsreduktionen von bis zu durchschnittlich 11,2 % bei 36 mg über 72 Wochen bei Erwachsenen mit Adipositas ohne Diabetes, mit Verbesserungen mehrerer kardiometabolischer Marker und einem überwiegend gastrointestinalen Nebenwirkungsprofil. Während injizierbare GLP‑1‑Präparate in anderen Studien weiterhin größere mittlere Gewichtsverluste zeigen, bietet die orale Formulierung von Orforglipron eine potenziell transformative Option zur Erweiterung des Zugangs zur pharmakologischen Adipositasbehandlung. Zusätzliche Vergleichsstudien und Langzeitdaten werden klären, wie diese Therapie in die klinische Praxis integriert werden kann.
Quelle: scitechdaily
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