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Überraschende Verbindung: Mundbakterien könnten Alzheimer auslösen

Überraschende Verbindung: Mundbakterien könnten Alzheimer auslösen

2025-06-06
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Überraschende Erkenntnisse: Mundbakterien und Alzheimer-Krankheit

Neueste Fortschritte in der Neurowissenschaft und Mikrobiologie haben eine überraschende Hypothese zur Entstehung der Alzheimer-Krankheit aufgeworfen: Anstatt dass Alzheimer ausschließlich durch alternde Nervenzellen und genetische Faktoren verursacht wird, könnten auch infektiöse Prozesse eine entscheidende Rolle spielen – insbesondere Bakterien, die in unserem Mundraum leben. Diese aufkommende Theorie, die durch zahlreiche wissenschaftliche Studien gestützt wird, stellt die traditionelle Sichtweise auf eine der weltweit häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen infrage.

Wissenschaftlicher Hintergrund: Die rätselhaften Ursachen von Alzheimer

Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz und wird traditionell mit der Ansammlung von Amyloid-beta (Aβ) Plaques und Tau-Proteinen im Gehirn in Verbindung gebracht. Obwohl Alter und genetische Veranlagung weiterhin als wesentliche Risikofaktoren gelten, sind die direkten Auslöser dieser schädlichen Prozesse noch immer nicht vollständig geklärt. Interessanterweise mehren sich Hinweise darauf, dass Infektionen, insbesondere durch Mundbakterien, die Entwicklung von Alzheimer begünstigen könnten. Dies intensiviert die Suche nach bislang verkannten Ursachen der Krankheit.

Durchbruch 2019: Zusammenhang zwischen Parodontitis und Alzheimer

In einer bahnbrechenden Studie aus dem Jahr 2019 entdeckte ein Forscherteam um Dr. Jan Potempa von der Universität Louisville das Bakterium Porphyromonas gingivalis – den Hauptverursacher chronischer Parodontitis (umgangssprachlich: Zahnfleischentzündung) – in den Gehirngeweben verstorbener Alzheimer-Patienten. Dieses Ergebnis verleiht der Hypothese neues Gewicht, dass eine verborgene Infektion an der Entstehung und am Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit beteiligt sein könnte.

Während frühere Studien auf einen Zusammenhang zwischen schlechter Mundgesundheit und Demenz hindeuteten, ging das Team von Dr. Potempa noch einen Schritt weiter. In Versuchen infizierten sie gesunde Mäuse oral mit P. gingivalis. Es zeigte sich, dass die Bakterien nicht nur ins Gehirn eindrangen, sondern dort auch die Produktion von Amyloid-beta-Proteinen – charakteristische Biomarker der Alzheimer-Pathologie – anstießen.

Die Rolle von Cortexyme und die Entdeckung der Gingipaine

Die Forschungsarbeiten wurden in Zusammenarbeit mit dem Biotechnologie-Unternehmen Cortexyme unter Mitgründung von Dr. Stephen Dominy durchgeführt. Die Wissenschaftler wiesen nach, dass P. gingivalis sogenannte Gingipaine – toxische Enzyme – freisetzt, die im Gehirn nachweisbar sind. Besondere Bedeutung gewann der Befund, dass Gingipaine sowohl bei Alzheimer-Patienten als auch bei Personen mit Alzheimer-typischen Gehirnveränderungen vorkamen – selbst wenn diese noch keine Demenzsymptome zeigten. Dies legt nahe, dass eine Infektion durch P. gingivalis und die Ausschüttung von Gingipainen ein frühes Ereignis sein könnten, das bereits Jahre vor den ersten kognitiven Beeinträchtigungen stattfindet.

Die Autoren fassten zusammen: „Unsere Identifikation von Gingipain-Antigenen im Gehirn von Menschen mit Alzheimer-Pathologie, auch ohne klinische Demenz, deutet darauf hin, dass eine Infektion durch P. gingivalis nicht nur eine Folge mangelhafter Mundhygiene bei bestehender Demenz ist, sondern ein möglicher Auslöser, der vor dem Auftreten erster Symptome liegt.“

Therapeutische Ansätze und Perspektiven für weitere Forschung

Über ihre beeindruckenden Befunde hinaus testeten die Forscher einen speziellen Wirkstoff namens COR388, der die Aktivität der Gingipaine hemmen soll. In Mausmodellen reduzierte die Therapie mit COR388 den P. gingivalis-Befall im Gehirn, senkte die Amyloid-beta-Produktion und verringerte die Entzündungsreaktionen im Nervengewebe. Obwohl diese Ergebnisse vorerst auf Tiermodelle beschränkt sind, wecken sie Hoffnung auf neue Behandlungsansätze, die gezielt bakterielle Mechanismen der Neurodegeneration angreifen.

Die Alzheimer-Forschungsgemeinde begegnet diesen Entdeckungen mit verhaltener Zuversicht. Dr. David Reynolds, wissenschaftlicher Leiter von Alzheimer’s Research, erklärt: „Medikamente, die auf die toxischen Proteine der Bakterien abzielen, zeigen bislang nur in Tierversuchen Wirkung. Doch angesichts des Mangels an neuen Demenztherapien in den letzten 15 Jahren ist es entscheidend, so viele Therapieoptionen wie möglich zu erforschen, um Krankheiten wie Alzheimer besser bekämpfen zu können.“

Blick nach vorn: Prävention und Früherkennung neu bewerten

Diese Forschungsergebnisse unterstreichen die zentrale Bedeutung der Mundgesundheit – nicht nur für Zähne und Zahnfleisch, sondern möglicherweise auch für die lebenslange Gesundheit des Gehirns. Sollte sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen P. gingivalis und der Alzheimer-Krankheit beim Menschen bestätigen, könnten regelmäßige Zahnpflege und vorbeugende Behandlung von Zahnfleischentzündungen einen bislang unterschätzten Beitrag zur Senkung des Demenzrisikos leisten.

Dennoch betonen Experten, dass der Nachweis bakterieller Marker im Gehirn zwar sehr suggestiv, jedoch noch kein endgültiger Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang ist. Es bleibt zudem unklar, ob die Vorbeugung oder Behandlung von Parodontitis den Verlauf der Alzheimer-Krankheit beim Menschen tatsächlich stoppen oder umkehren kann.

Laufende klinische Studien und weitere Forschung sollen zukünftig klären, wie sich die sogenannte Gehirn-Mund-Achse zur Früherkennung, Prävention und Therapie neurodegenerativer Erkrankungen nutzen lässt.

Fazit

Der wachsende Zusammenhang zwischen Zahnfleischerkrankungen und Alzheimer bedeutet einen Paradigmenwechsel im Verständnis der Demenzursachen. Die Entdeckung von Mundbakterien und deren toxischen Proteinen im Gehirn von Alzheimer-Patienten eröffnet neue wissenschaftliche Wege und möglicherweise bahnbrechende Behandlungsmöglichkeiten. Während die Forschung weiter voranschreitet, zeigt sich: Gute Mundhygiene schützt nicht nur Ihr Lächeln – sie könnte auch entscheidend zur langfristigen Erhaltung der Gehirngesundheit beitragen.

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