SWIFT und Consensys: Blockchain für Echtzeit-Abwicklung

SWIFT und Consensys: Blockchain für Echtzeit-Abwicklung

+ Kommentare

7 Minuten

SWIFT arbeitet mit Consensys an Blockchain-Abwicklungssystem

ein neues Echtzeit-Ledger für grenzüberschreitende Zahlungen

SWIFT, das globale Interbanken-Messaging-Netzwerk, hat eine Zusammenarbeit mit dem Ethereum-Infrastruktur-Entwickler Consensys sowie mehr als 30 Finanzinstituten bekanntgegeben, um eine blockchain-basierte Abwicklungsplattform zu entwickeln. Ziel der Initiative ist es, eine belastbare Infrastruktur bereitzustellen, die rund um die Uhr Echtzeit-Grenzüberweisungen ermöglicht, die Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Netzwerken erhöht und die Abwicklung tokenisierter Vermögenswerte unter Einhaltung regulatorischer Vorgaben unterstützt. Vor dem Hintergrund steigender Nachfrage nach digitalisierten Zahlungswegen und digitalen Assets adressiert dieses Projekt praktische Anforderungen an Geschwindigkeit, Transparenz und Compliance.

Consensys übernimmt die Prototyp-Entwicklung

Consensys wird die Führung bei der Erstellung des ersten konzeptionellen Prototyps übernehmen und die weiteren Entwicklungsphasen skizzieren. Die Initiative zielt darauf ab, die etablierten Messaging-Stärken von SWIFT mit einem verteilten Ledger zu verbinden, das Transaktionen in Echtzeit über beteiligte Banken und Zahlungssysteme erfassen kann. In den ersten Phasen konzentriert sich die Arbeit auf die Systemarchitektur, die Interoperabilität mit bestehenden und entstehenden Zahlungsschienen sowie die Compliance-Rahmen, die sowohl Zentralbanken als auch Geschäftsbanken verlangen. Diese frühen Designentscheidungen werden darüber bestimmen, wie der Prototyp Skalierbarkeit, Datenschutz, Betriebsstabilität und regulatorische Anforderungen ausbalanciert.

Warum das für globale Zahlungen und Tokenisierung relevant ist

Der Aufbau eines blockchain-basierten Abwicklungs-Backbones könnte die Arbeitsweise von Korrespondenzbanken und grenzüberschreitenden Transfers wesentlich verändern. SWIFT befindet sich bereits heute im Zentrum internationaler Zahlungen: Mehr als 11.500 Institutionen in über 200 Ländern nutzen das Netzwerk für Kommunikation und transaktionale Nachrichten. Ein Ledger, das dazu konstruiert ist, tokenisierte Überweisungen nahezu in Echtzeit zu erfassen und abzugleichen, verspricht weniger Abstimmungsfehler, schnellere endgültige Abwicklung (Settlement Finality) und nachvollziehbare Prüfpfade für tokenisiertes Fiatgeld, Wertpapiere und potenziell auch Zentralbankdigitalwährungen (CBDCs).

Die Transformation betrifft nicht nur technische Abläufe, sondern auch betriebliche Prozesse: Durch geringere Reconciliation-Lasten und automatisierbare Regeln könnten Banken effizienter arbeiten, Kosten senken und gleichzeitig regulatorische Reporting-Anforderungen vereinfachen. Zudem eröffnet eine solche Infrastruktur neue Geschäftsmodelle — etwa für die zeitnahe Abwicklung von Wertpapiertransaktionen, intraday-Liquiditätsmanagement oder das programmierbare Cash-Management zwischen korrespondierenden Instituten.

Die Messaging-Schicht bleibt zentral

SWIFT hat wiederholt betont, dass sein Kernwert in der Nachrichtenübermittlung liegt und nicht darin, Gelder direkt zu transferieren. Der geplante Ledger soll genau diese Kommunikationsrolle in eine digitale Umgebung erweitern und existierende Shared-Ledger-Lösungen ergänzen, indem er leistungsstarke Messaging-Aufgaben übernimmt, für die öffentliche Blockchains nicht optimal sind. Praktisch könnte dies bedeuten, dass die Messaging-Schicht von SWIFT Transaktionen koordiniert — inklusive Validierungs- und Routing-Informationen — während das verteilte Ledger die Abwicklungs-Sicherheit (Settlement Certainty), Referenzen zur Tokenverwahrung und die Interoperabilität zwischen unterschiedlichen digitalen Asset-Netzwerken liefert. Dieses zweigleisige Modell hat das Potenzial, die Stärken beider Ansätze zu kombinieren: die Verlässlichkeit und regulatorische Akzeptanz von SWIFT mit der Transparenz und Automatisierbarkeit verteilter Ledger.

Ein solcher Ansatz verlangt jedoch klare Schnittstellen, standardisierte Nachrichtenformate und robuste Fehlerbehandlungsmechanismen, damit Nachrichten- und Abwicklungsprozesse synchron bleiben. Technische Fragen wie Message Sequencing, Wiederherstellungsprozeduren nach Ausfällen und SLA-orientierte Durchsatzgarantien werden entscheidend sein für die Betriebssicherheit in einem 24/7-Umfeld.

Kontext: frühere Blockchain-Piloten und Tokenisierungs-Initiativen

Die Ankündigung baut auf SWIFTs jüngeren Erprobungen im Bereich Tokenisierung und Distributed Ledger-Technologie auf. Frühere Initiativen umfassten die Integration tokenisierter Zahlungsflüsse mit bestehenden Fiat-Systemen in Kooperation mit Institutionen wie UBS Asset Management und Oracle-/Chainlink-Integrationen im Rahmen von Projekten wie dem in Singapur gestarteten Project Guardian. Gegen Ende 2024 untersuchte SWIFT in späten Pilotphasen, wie sein Netzwerk Banken in Nordamerika, Europa und Asien den Zugriff auf multiple digitale Assetklassen und Währungen über einheitliche Schnittstellen ermöglichen könnte.

Solche Piloten lieferten wertvolle Erkenntnisse zu Themen wie Identitätsnachweis bei tokenisierten Assets, Custody-Referenzen, Cross-Network-Atomic-Swaps sowie regulatorisches Reporting auf Transaktionsebene. Viele dieser Vorversuche waren modular angelegt: Sie isolierten Komponenten wie Token-Verwaltung, Richtlinienprüfung, Reconciliation-Logik und Interoperabilitätsbrücken, um später in eine integrierte Plattform einspeisbar zu sein.

Interoperabilität, Compliance und Tokenarten

Ein zentrales Ziel der technischen Konzeption ist Interoperabilität: Die Plattform soll sich mit bestehenden Zahlungsnetzen, neuen Token-Netzwerken und in Entwicklung befindlichen CBDC-Systemen verbinden können. Damit wird nicht nur die technische Kompatibilität adressiert, sondern auch die rechtliche und operative Abstimmung zwischen Teilnehmern mit unterschiedlichen regulatorischen Vorgaben. SWIFT hat erklärt, dass die Plattform tokenisierte Assets unterstützen wird; welche Tokenarten letztlich zulässig sind — etwa tokenisierte Einlagen, tokenisierte Wertpapiere oder CBDCs — wird in Abstimmung mit Zentralbanken und Geschäftsbanken entschieden, um regulatorische Konformität und operationelle Sicherheit sicherzustellen.

Bei der Festlegung zulässiger Token-Typen spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Kapitalanforderungen der Banken, KYC/AML-Vorgaben, Beschränkungen für grenzüberschreitende Kapitalflüsse sowie technische Eigenschaften der Token (z. B. Programmierbarkeit, Wiederherstellbarkeit, Governance-Mechanismen). In der Praxis könnte ein abgestuftes Modell entstehen, das bestimmte hoch-regulierte Tokenarten zuerst zulässt, während experimentellere Asset-Klassen schrittweise integriert werden.

Was als Nächstes zu erwarten ist und worauf man achten sollte

Das Projekt befindet sich noch in einer frühen Phase; Consensys liefert derzeit den ersten konzeptionellen Prototyp. Bedeutende Meilensteine in der kommenden Zeit werden technische Spezifikationen zur Settlement Finality, Datenschutzmechanismen, Skalierbarkeit (durchsatzorientierte Performance), sowie das Governance-Modell sein, das regelt, wie mehrere Institute das gemeinsame Ledger betreiben und darauf zugreifen. Beobachter werden besonders auf folgende Punkte achten:

  • Settlement Finality: Welche Mechanismen garantieren die Unwiderruflichkeit von Buchungen und wie werden Rückabwicklungen geregelt?
  • Datenschutz und Datenschutzisolation: Wie werden bankinterne Daten von anderen Teilnehmern getrennt, und welche kryptographischen Techniken (z. B. Zero-Knowledge-Proofs) sind vorgesehen?
  • Skalierbarkeit und Latenz: Wie viele Transaktionen pro Sekunde kann die Lösung bewältigen, und wie werden Spitzenlasten abgefedert?
  • Governance: Wer entscheidet über Protokolländerungen, wie laufen Onboarding-Prozesse für neue Teilnehmer, und wie werden Verantwortlichkeiten verteilt?
  • Interoperabilität: Welche Adapter oder Bridges werden benötigt, um Legacy-Systeme, neue Token-Netzwerke und künftige CBDC-Architekturen zu verbinden?

Wenn das Vorhaben gelingt, könnte die Plattform zu einer neuen Rückgratstruktur für die traditionelle Finanzwelt werden, die Institutionen dabei hilft, digitale Assets und grenzüberschreitende Zahlungen schneller und rund um die Uhr abzuwickeln. Insbesondere für Großbanken, Zahlungsdienstleister und Verwahrstellen eröffnen sich Potenziale für verbesserte Liquiditätssteuerung, beschleunigte Settlement-Prozesse und präzisere Risikosteuerung.

Gleichzeitig ist wichtig zu betonen, dass technische Machbarkeit allein nicht ausreicht. Die breite Akzeptanz hängt von regulatorischer Klarheit, interoperablen Standards, wirtschaftlicher Machbarkeit und Governance-Entscheidungen ab. Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und Marktinfrastrukturen müssen in enger Abstimmung mit den Entwicklern und Teilnehmern praktikable Betriebsmodelle etablieren.

Insgesamt markiert die Partnerschaft zwischen SWIFT und Consensys einen bedeutsamen Schritt in Richtung einer stärker blockchain-gestützten Finanzinfrastruktur. Durch die Kombination von SWIFTs dominanter Stellung im Messaging mit den Fähigkeiten verteilter Ledger könnten die Branchenakteure der Finanzwelt einen weiteren Schritt in Richtung Echtzeit-, interoperabler und regulatorisch konformer Abwicklungen machen. Ob und wie schnell eine solche Vision breite Marktreife erreicht, wird von der Qualität der technischen Implementierung, der Governance-Architektur und nicht zuletzt vom Grad der internationalen regulatorischen Koordination abhängen.

Wichtig ist außerdem die Rolle von Standards: Gemeinsame Datenmodelle, API-Spezifikationen und Nachrichtencodierungen werden entscheidend sein, damit verschiedene Implementierungen miteinander sprechen können. Ohne solche Standards drohen Insellösungen, die den Nutzen für grenzüberschreitende Zahlungen einschränken. Deshalb ist zu erwarten, dass neben der reinen Prototyp-Entwicklung parallele Arbeiten an Standardisierungsinitiativen und Compliance-Templates stattfinden werden — oft in Kooperation mit internationalen Standardsetzern und Branchenkonsortien.

Abschließend bleibt zu beachten, dass technologische Innovationen allein nicht automatisch Wettbewerbsvorteile oder Kostensenkungen bringen: Banken und Zahlungsdienstleister müssen interne Prozesse anpassen, Mitarbeitende schulen und möglicherweise neue Partnerschaften mit Custodians oder Technologieanbietern eingehen, um das volle Potenzial einer solchen Abwicklungsplattform zu realisieren.

Quelle: cointelegraph

Kommentar hinterlassen

Kommentare