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Die unsichtbare Gefahr: Mikroplastik in alltäglichen Lebensmittelverpackungen

Die unsichtbare Gefahr: Mikroplastik in alltäglichen Lebensmittelverpackungen

2025-07-03
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Die verborgene Bedrohung: Mikroplastik in Lebensmittelverpackungen

Mikroplastik – winzige Kunststoffpartikel von weniger als 5 Millimetern Größe – rückt immer stärker in den Fokus der Umweltwissenschaft und Gesundheitsschutzes. Neue Studien unter der Leitung der Biologin Dr. Lisa Zimmermann und des Food Packaging Forum in der Schweiz beleuchten das erschreckende Ausmaß der Kontamination von Lebensmitteln durch Mikro- und Nanoplastik (MNP), die aus alltäglichen Lebensmittelverpackungen und Küchenutensilien freigesetzt werden.

In ihrer Übersicht wurden die Ergebnisse von 103 wissenschaftlichen Studien ausgewertet. Diese zeigten, dass bereits der normale Gebrauch von Verpackungen und Utensilien – wie das Öffnen einer Plastikflasche, das Schneiden von Gemüse auf einem Kunststoffbrett oder das Aufbewahren von Resten in Plastikbehältern – Mikroplastikpartikel direkt in unsere Mahlzeiten freisetzt. Die Quellen sind vielfältig: neben Folien und Lebensmittelbehältern sind auch Glasflaschen mit Plastikdichtungen, pizzakartons mit Kunststoffbeschichtung, Einweg-Kaffeebecher mit Innenplastik, Teebeutel aus Kunststoff sowie Mikrowellenverpackungen betroffen.

Dr. Zimmermann erklärte gegenüber CNN: "Dies ist der erste systematische Nachweis dafür, dass bereits vorgesehene Anwendungen von Lebensmitteln in Kunststoffen zu Mikro- und Nanoplastik-Kontamination führen können. Lebensmittelverpackungen sind somit eine direkte Quelle für die gemessenen Kunststoffpartikel."

Wissenschaftlicher Hintergrund: Mikroplastik, Nanoplastik und menschlicher Kontakt

Kunststoffe sind wegen ihrer Haltbarkeit und Vielseitigkeit allgegenwärtig. Doch mit der Zeit zersetzen sie sich durch Gebrauch oder Alterung in immer kleinere Fragmente. Mikroplastik (meist für das bloße Auge unsichtbar) und noch kleinere Nanoplastikpartikel gelangen so in alle Bereiche der Umwelt: von Ozeanen und Böden über Tiere bis hin zu unseren Lebensmitteln.

Wissenschaftler haben Mikroplastik bereits im menschlichen Körper nachgewiesen, unter anderem im Mutterkuchen und verschiedenen Organen. Tierversuche, etwa an Mäusen, zeigen, dass Mikroplastik biologische Barrieren überwinden und sich in lebenswichtigen Organen ansammeln kann – teils sogar im ungeborenen Nachwuchs. Das gesamte Ausmaß der gesundheitlichen Auswirkungen ist jedoch noch nicht vollständig erforscht. Eine aktuelle Studie fand einen Zusammenhang zwischen erhöhten Mikroplastikkonzentrationen in Plaques der Halsschlagader bei Herz-Kreislauf-Patienten und einem erhöhten Sterberisiko, was den dringenden Forschungsbedarf unterstreicht.

Zentrale Studienergebnisse: Quellen und Anreicherung von Mikroplastik

Das Forschungsteam aus der Schweiz trug etwa 600 Datensätze zu sogenannten Lebensmittelkontaktmaterialien zusammen – darunter Verpackungen, Konservierungsbehälter, Kochgeschirr und Babyfläschchen. Bei 96% aller Analysen wurde eine Belastung durch Mikro- und Nanoplastik festgestellt. Die Wissenschaftler entwickelten zudem ein öffentlich zugängliches Dashboard, über das Forschende und Interessierte Daten nach Materialtyp oder Verpackungsart filtern können.

Auffällig war, dass insbesondere wiederverwendbare Kunststoffe wie Melaminschalen oder Babyflaschen durch häufiges Benutzen und Spülen vermehrt Mikroplastik abgaben – höchstwahrscheinlich durch Reibung und Wärmeeinwirkung. Die Ergebnisse zeigen, dass ein intensiverer Umgang den Abbau zu kleinsten Partikeln beschleunigt.

Ein weiterer wichtiger Befund: Hochverarbeitete Lebensmittel enthalten meist mehr Mikroplastik als gering verarbeitete Alternativen. Der Grund: Jeder zusätzliche Verarbeitungs- oder Verpackungsschritt erhöht den Kontakt mit Kunststoff und verstärkt so die Kontamination im Endprodukt.

Folgen, Empfehlungen und Perspektiven

Obwohl die langfristigen gesundheitlichen Folgen von Mikro- und Nanoplastik noch wenig erforscht sind, macht die weitverbreitete Belastung dringenden Handlungsbedarf deutlich. Die Autoren betonen: „Unsere Studie belegt, dass Kunststoffe unter üblichen und vorhersehbaren Bedingungen Mikro- und Nanoplastik in Lebensmittel abgeben können.“ Die Rolle von Lebensmittelverpackungen für die Gesamtexposition des Menschen wurde bislang nicht vollständig quantifiziert, ist aber vermutlich beträchtlich.

Die Forschenden fordern weltweit koordinierte Maßnahmen, um (1) die gesundheitlichen Auswirkungen von Mikroplastik in der Nahrung besser zu verstehen, (2) besonders problematische Kunststoffarten zu identifizieren und (3) den Plastikeinsatz entlang der Lebensmittelkette soweit wie möglich zu minimieren. Ein vorsorglicher Ansatz zur Reduktion der individuellen und gesellschaftlichen Mikroplastikbelastung – insbesondere durch Verpackungen, Besteck und Verarbeitungsgeräte – gilt als sinnvolle Strategie zum Schutz der Gesundheit.

Fazit

Zunehmend einig sind sich Wissenschaftler, dass Lebensmittelverpackungen eine direkte und bedeutende Quelle für die weltweite Mikroplastik-Kontamination unserer Nahrung sind. Auch wenn Kunststoffe die Lagerung und Sicherheit von Lebensmitteln revolutioniert haben, werfen ihre winzigen Partikel immer mehr Fragen zu langfristigen Gesundheitsrisiken auf. Die Daten stützen sowohl Sofortmaßnahmen zur Begrenzung von Kunststoffen im Lebensmittelkontakt als auch vertiefende Forschung zu den Risiken von Mikroplastik. Während das Bewusstsein wächst, stehen Verbraucher, Industrie und Politik vor neuen Herausforderungen und Möglichkeiten, für eine sauberere und sichere Ernährung der Zukunft zu sorgen.

Quelle: doi

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