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Ursprung der Behauptung: "60% DNA-Übereinstimmung"
Die Aussage, dass Menschen und Bananen bis zu 60% ihrer DNA gemeinsam haben, taucht immer wieder in populärwissenschaftlichen Diskussionen und Online-Foren auf. Auf den ersten Blick wirkt dieser Vergleich erstaunlich – schließlich scheinen Bananen und Menschen weder in Physiologie, Aussehen noch Funktion Gemeinsamkeiten zu besitzen. Dennoch basiert diese Behauptung auf echten wissenschaftlichen Vergleichen. Um ihre Gültigkeit korrekt einzuschätzen, ist es wichtig, aufschlussreiche Schlagzeilen von den differenzierten Details der Genomik zu trennen.
Der wissenschaftliche Rahmen: Was wird tatsächlich verglichen?
Um zu verstehen, woher die häufig zitierte 60%-Zahl stammt, muss man zunächst den Aufbau von DNA kennen. Die Desoxyribonukleinsäure (DNA) jedes Lebewesens besteht aus langen Sequenzen von Nukleotiden, wobei nur ein kleiner Anteil – die sogenannten Gene – tatsächlich für Proteine kodiert, die die Zellfunktionen steuern. Der überwiegende Teil der DNA besteht aus nicht-kodierenden Abschnitten, regulatorischen Elementen und sich wiederholenden Sequenzen, die weniger stark zwischen Arten erhalten bleiben.
Die verbreitete Statistik wurde erstmals Anfang der 2010er Jahre durch Bildungsangebote wie eine Ausstellung im Smithsonian National Museum of Natural History und Ressourcen des US-amerikanischen National Human Genome Research Institute populär gemacht, um genomische Ähnlichkeiten unterschiedlicher Lebewesen zu veranschaulichen. Diese Angebote betonten jedoch einen entscheidenden Punkt: Die 60%-Angabe bezieht sich nur auf protein-kodierende Gene, nicht auf das gesamte Erbgut.
Genomsequenzierung: So vergleichen Forscher menschliche und Bananen-DNA
Ein Projekt aus dem Jahr 2013, auf das unter anderem IFL Science verwies, nutzte die computergestützte Genomforschung, um die Gesamtheit der Gene (das Genom) von Menschen und Bananen zu vergleichen. Forschende erstellten eine umfassende Übersicht der Bananen-Gene und bestimmten deren vorhergesagte Proteinprodukte, was auch für den Menschen wiederholt wurde. Mit Hilfe fortschrittlicher Algorithmen wurden Millionen direkter Sequenzvergleiche durchgeführt – signifikante Ähnlichkeiten, die über den Zufall hinausgingen, wurden dokumentiert.
Im Detail ergab die Analyse, dass etwa 7.000 Bananen-Gene klare menschliche Entsprechungen besitzen. Da Bananen rund 40.000 Gene und Menschen etwa 20.000 Gene besitzen, bedeutet das, dass rund 60% der Bananen-Gene beim Menschen Gegenstücke haben – und umgekehrt. Allerdings sind diese homologen Gene keineswegs identisch: Die durchschnittliche Übereinstimmung der Proteinsequenzen liegt bei ungefähr 40%.
Es ist entscheidend, hier exakt zu differenzieren: Zu sagen, "60% der menschlichen DNA sind identisch mit der Bananen-DNA", ist wissenschaftlich nicht korrekt. Die Wahrheit ist, dass etwa 60% der protein-kodierenden Gene – das sind etwa 2% des Gesamtgenoms – gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Bezieht man hingegen das gesamte Erbgut einschließlich aller nicht-kodierenden Abschnitte ein, sinkt die Übereinstimmung der DNA-Sequenzen zwischen Mensch und Banane auf nur etwa 1%.
Was bedeutet diese genetische Ähnlichkeit?
Die Tatsache, dass Menschen und Bananen einen erheblichen Anteil ihrer Gene teilen, überrascht weniger, wenn man evolutionäre Zusammenhänge betrachtet. Alle Lebewesen gehen auf einen entfernten gemeinsamen Vorfahren zurück, und grundlegende zelluläre Funktionen – wie Energiegewinnung, Vervielfältigung der DNA oder Zellreparatur – beruhen auf hochkonservierten Genen, die seit Milliarden Jahren weitergegeben werden. Diese gemeinsamen genetischen Bausteine sind für fundamentale Lebensprozesse unerlässlich.
Missverständnisse und der Wert präziser Wissenschaftskommunikation
Die "60%-Ähnlichkeit" führt häufig zu Missverständnissen und kann falsche Vorstellungen über die evolutionären Zusammenhänge von Lebewesen fördern. Um dies zu veranschaulichen, schlagen Wissenschaftler folgenden Vergleich vor: Stellen Sie sich zwei ganz verschiedene Häuser vor, beispielsweise ein Landhaus und eine Stadtwohnung. Trotz unterschiedlicher Ausstattung, Aufbau und Nutzung teilen beide Grundelemente wie Wände, Dach, Wasserleitungen und zumindest ein Schlafzimmer. Diese geteilten Strukturen entsprechen den konservierten Genen, die sowohl in Menschen als auch in Bananen vorhanden sind – sie bilden die elementaren Bausteine des Lebens.
Trotz aller Unterschiede, die die Eigenarten von Bananen und Menschen ausmachen, deuten diese grundlegenden biologischen Strukturen auf eine gemeinsame evolutionäre Vergangenheit hin. Die besonderen Merkmale – etwa die Gehirnentwicklung beim Menschen oder die Fruchtbildung bei der Banane – entstehen erst durch spezifische Gen-Sequenzen, regulatorische Prozesse und artspezifische Anpassungen, die auf dem gemeinsamen Grundplan aufbauen.
Warum ist das wichtig? Evolution, vergleichende Genomik und Zukunftsforschung
Das Verständnis genetischer Ähnlichkeiten zwischen entfernt verwandten Arten wie Mensch und Banane erweitert unser Wissen über Evolution, Molekularbiologie und Biotechnologie. Die Untersuchung konservierter Gene liefert wertvolle Einblicke in Krankheit, Alterungsprozesse oder Zellreparatur, da zentrale molekulare Abläufe oft artübergreifend ähnlich funktionieren. Die vergleichende Genomik – also der systematische Vergleich von DNA zwischen Organismen – bildet das Fundament für Disziplinen wie Evolutionsbiologie, synthetische Biologie und Gentechnik.
Zudem macht eine klare Kommunikation über die tatsächlichen DNA-Übereinstimmungen die Bedeutung korrekter Wissenschaftssprache deutlich. Präzise Ausdrucksweise fördert das öffentliche Verständnis und schützt davor, irreführende Mythen in Bildung oder Gesellschaft zu verfestigen. Je weiter wir den genetischen Bauplan des Lebens erforschen, desto wichtiger werden solche Klarstellungen.
Fazit
Die Behauptung, dass Menschen und Bananen "60% ihrer DNA teilen", ist ein weit verbreiteter Mythos, dessen Wahrheit deutlich differenzierter ist. Tatsächlich weisen etwa 60% der protein-kodierenden Gene (nur ein kleiner Anteil des Gesamtgenoms) eine gewisse Homologie zwischen Mensch und Banane auf und spiegeln so unsere gemeinsame evolutionäre Grundlage wider. Die Übereinstimmung des gesamten Genoms jedoch liegt bei lediglich etwa 1%. Das Verständnis dieses Sachverhalts entmystifiziert nicht nur eine populäre Wissenschaftsaussage, sondern vermittelt auch einen faszinierenden Einblick in die gemeinsamen Baupläne des Lebens auf der Erde.
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