Eine verschwundene Urbevölkerung: Kolumbiens Rolle bei der frühen Besiedlung Südamerikas | Technologie, Auto, Krypto & Wissenschaft – Testright.de
Eine verschwundene Urbevölkerung: Kolumbiens Rolle bei der frühen Besiedlung Südamerikas

Eine verschwundene Urbevölkerung: Kolumbiens Rolle bei der frühen Besiedlung Südamerikas

2025-06-02
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Einleitung: Kolumbiens Schlüsselrolle bei der frühmenschlichen Migration

Kolumbien nimmt eine geografisch zentrale Stellung in der Geschichte des Homo sapiens ein. Als Brücke zwischen Mittel- und Südamerika spielte das Land schon vor über 14.500 Jahren eine entscheidende Rolle bei der prähistorischen Migration. Forscherinnen und Forscher interessieren sich seit langem für die Prozesse der Besiedlung, Anpassung und Entwicklung der ersten Menschen in dieser Region. Eine wegweisende genetische Studie hat nun aufgedeckt, dass in Zentral-Kolumbien einst eine bislang unbekannte Bevölkerungsgruppe lebte – ein rätselhaftes Volk, dessen genetische Spuren heute verschwunden sind.

Genomforschung: Rückblick in die Vergangenheit mittels alter DNA

Im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit analysierten Wissenschaftler die DNA von 21 menschlichen Überresten aus fünf archäologischen Fundstellen des kolumbianischen Altiplano. Diese Daten erstrecken sich über einen Zeitraum von rund 6.000 Jahren Menschheitsgeschichte und ermöglichen die Rekonstruktion von Bevölkerungsdynamik, Migration und kulturellem Wandel in Kolumbien.

Die genetischen Analysen führten zu einer überraschenden Entdeckung: Unter den frühesten bekannten Siedlern der Region befand sich eine Bevölkerungsgruppe, deren genetische Merkmale in heutigen kolumbianischen oder benachbarten Populationen nicht mehr vorhanden sind. Ihre besondere Abstammung deutet darauf hin, dass sie eine bedeutende Rolle bei der frühen Besiedlung Südamerikas spielte – jedoch verschwand diese Linie spurlos, ohne genetische Nachfahren zu hinterlassen.

Fachliche Einordnung zum Verschwinden eines Volkes

„Wir konnten keine Nachfahren dieser frühen Jäger und Sammler der kolumbianischen Hochlagen finden – ihre Gene wurden nicht weitergegeben“, erklärt Kim-Louise Krettek, Anthropologin an der Universität Tübingen. „Im Raum Bogotá kam es zu einem vollständigen Bevölkerungsaustausch.“ Genetiker betonen, dass ein derart kompletter genetischer Austausch in Südamerika selten ist und viele neue Fragen zur Geschichte dieser alten Gesellschaft aufwirft.

Bevölkerungswechsel und kulturelle Umbrüche

Genetische Untersuchungen belegen, dass vor rund 6.000 Jahren eine ursprüngliche Jäger- und Sammlerpopulation in den Hochlagen Zentral-Kolumbiens lebte. Doch spätestens vor etwa 2.000 Jahren wurde diese Bevölkerung von einer neuen Gruppe mit völlig anderer genetischer Herkunft abgelöst. Höchstwahrscheinlich sprachen diese späteren Bewohner Chibcha-Sprachen und sind genetisch eng mit Völkern aus dem südlichen Zentralamerika verwandt, was einen klaren Gegensatz zur vorherigen Bevölkerung zeigt.

Vom Jagen und Sammeln zur Landwirtschaft

Dieser Bevölkerungswechsel spiegelte sich auch im kulturellen Wandel wider: Die frühen Jäger und Sammler wurden von Menschen abgelöst, die fortschrittliche Landwirtschaft und Töpferei betrieben – belegbar durch zahlreiche archäologische Funde. Diese neue Bevölkerung blieb bis zur Ankunft der europäischen Kolonialisten im 16. Jahrhundert und prägte das genetische Erbe des heutigen Kolumbien entscheidend mit.

Andrea Casas-Vargas, Genetikerin an der Nationalen Universität Kolumbiens, betont: „Das vollständige Verschwinden der genetischen Spuren dieser Ursprungsbevölkerung ist außergewöhnlich, gerade in Südamerika.“ Die Forschenden verzichten noch auf genaue Erklärungen, denkbar wären jedoch Konflikte, Krankheiten oder großflächige Verdrängung. Diese offenen Fragen laden zu weiteren archäologischen und genetischen Untersuchungen ein.

Größere Bedeutung: Südamerikas Urgeschichte im neuen Licht

Diese Entdeckung erweitert nicht nur das Wissen um Kolumbiens vorkolumbianische Geschichte, sondern unterstreicht auch die Komplexität der frühmenschlichen Migration in Amerika. Frühere Studien deuten darauf hin, dass die indigene Abstammung in dieser Region vielfältiger ist als bislang angenommen – mit genetischen Verbindungen bis nach Australien. Dies hebt die globale Bedeutung Südamerikas als Knotenpunkt für die Menschheitsgeschichte hervor.

Kolumbiens strategische Lage als Landbrücke ist wesentlich für die Erforschung der frühen Ausbreitung des Menschen nach Südamerika. Die nun veröffentlichten, erstmals aus Kolumbien stammenden, uralten Genome bilden die Grundlage für weitere interdisziplinäre Forschung und könnten traditionelle Vorstellungen über die Besiedlung Amerikas infrage stellen.

Cosimo Posth, Anthropologe von der Universität Tübingen, ergänzt: „Dies sind die ersten veröffentlichten alten menschlichen Genome Kolumbiens“ – und betont die Bedeutung dieses wissenschaftlichen Meilensteins.

Fazit

Die Entdeckung einer verlorenen Urbevölkerung in Kolumbien ist ein bedeutender Fortschritt für die Paläogenomik und die Archäologie Südamerikas. Noch sind viele Fragen zum plötzlichen Verschwinden dieser Menschen offen, doch die Forschung zeigt die bemerkenswerte Vielfalt und Dynamik der ersten Migrationen. Mit dem Fortschritt in der Genetik und weiteren Funden wird Kolumbien voraussichtlich noch tiefere Geheimnisse zur frühen Geschichte der Amerikas enthüllen – und unser Verständnis von prähistorischen Migrationen und kultureller Entwicklung grundlegend erweitern.

Quelle: smarti

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