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Warum Lithium‑Schwefel‑Batterien wichtig sind — und was sie bremst
Lithium‑Schwefel (Li‑S)‑Batterien treten als vielversprechende Alternative zu heutigen Lithium‑Ionen‑Zellen für Elektrofahrzeuge (EVs) und Langstreckenanwendungen hervor. Schwefel ist reichlich vorhanden und günstig, Li‑S‑Zellen können mehr Energie pro Gewichtseinheit speichern, und erste Konzepte bieten verbesserte Sicherheit sowie schnellere Ladezeiten. Dennoch verhindert eine anhaltende Herausforderung — der sogenannte Shuttle‑Effekt — bislang die großtechnische Nutzung der Li‑S‑Chemie.
Der Shuttle‑Effekt entsteht, wenn Lithium‑Polysulfide (LPS), also Zwischenprodukte des Schwefels während Lade‑ und Entladevorgängen, im Elektrolyten löslich sind und zwischen Kathode und Anode wandern. Diese Wanderung führt zum Verlust aktiven Materials, zu schneller Kapazitätsminderung und zu kurzer Lebensdauer. Praktisch bedeutet das: Viele experimentelle Li‑S‑Zellen, die anfangs in puncto Energiedichte mit Lithium‑Ionen konkurrieren könnten, verlieren bereits nach einigen Hundert vollständigen Lade‑/Entladezyklen deutlich an nutzbarer Reichweite.
Forscher der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) haben diesen Engpass mit einem neuen Ansatz angegangen, der nicht die Kathoden oder Elektrolyte neu entwickelt, sondern den Separator modifiziert. Ihre Lösung — eine patentierte ultradünne Beschichtung namens HiSep‑II — fungiert als selektiver Filter, der schädliche Polysulfide blockiert und gleichzeitig Lithium‑Ionen passieren lässt. Damit wird der zentrale Mechanismus des Shuttle‑Effekts adressiert.
HiSep‑II: eine ultradünne intelligente Separatorbeschichtung
In jeder wiederaufladbaren Batterie trennt ein Separator die positiven von den negativen Elektroden, um Kurzschlüsse zu verhindern und dennoch den Ionentransport zu ermöglichen. Die HiSep‑II‑Innovation ist eine sehr dünne Beschichtung, die auf die Außenseite des Separators aufgebracht wird. Im Gegensatz zu dickeren Membranen oder komplexen chemischen Fallen ist diese Beschichtung so konzipiert, dass sie leicht, in großer Stückzahl herstellbar und mit bestehenden lithiumbasierten Zellen kompatibel ist.
Wie der intelligente Filter funktioniert
HiSep‑II wirkt als größen‑ und chemiespezifische Barriere. Seine gezielt gestaltete Oberfläche und Porosität halten gelöste Lithium‑Polysulfide auf der Kathodenseite zurück, während Lithium‑Ionen (Li+) während Lade‑ und Entladevorgängen frei zwischen den Elektroden wandern können. Indem die Diffusion von Polysulfiden begrenzt wird, verhindert die Beschichtung den kontinuierlichen Verlust von aktivem Schwefel und die Bildung passivierender Schichten auf der Anode — die Mechanismen, die normalerweise den schnellen Kapazitätsverfall in Li‑S‑Zellen antreiben.
Die NTNU‑Forscher sicherten sich geistiges Eigentum an der Technologie über das HiSep‑II‑Projekt und arbeiten mit NTNU Technology Transfer (TTO) zusammen, um die Beschichtung zur Marktreife zu bringen. Das Team betont, dass der Produktionsprozess umweltverträglich und leicht skalierbar ausgelegt ist und die Beschichtung sich in bestehende lithiumbasierte Batterieproduktionslinien einfügen lässt.

Leistungssteigerungen, Gewichtsersparnis und weitergehende Auswirkungen
Laborprüfungen an den Einrichtungen der NTNU in Gløshaugen zeigen eine deutliche Verbesserung der Zyklenfestigkeit für Li‑S‑Zellen mit HiSep‑II‑Beschichtung. Typische Basis‑Li‑S‑Zellen im Labor erreichen etwa 200 vollständige Lade‑/Entladezyklen, bevor signifikante Kapazitätsverluste auftreten. Mit dem HiSep‑II‑Separator erhöhte sich die Zyklenzahl auf rund 1.000 — eine fünffache Verlängerung, die die Li‑S‑Chemie in einen weitaus praktischeren Bereich für viele Anwendungen rückt.
Über die Zyklenfestigkeit hinaus bietet HiSep‑II systemweite Vorteile. Die Forscher schätzen, dass ein 800‑Volt‑EV‑Batteriepack mit dieser Technologie mehr als 200 Kilogramm leichter werden könnte, da die höhere Energiedichte und die verbesserte Erhaltung des aktiven Materials es Designern ermöglichen, weniger Redundanz und weniger schwere Strukturkomponenten zu verwenden. Das Ergebnis wären leichtere Fahrzeuge, höhere Effizienz und größere Reichweite.
Sicherheit und Kosten sind zusätzliche Pluspunkte: Schwefel ist preisgünstig und reichlich vorhanden, und die Kompatibilität der Beschichtung mit bestehenden Lithium‑Technologien macht sie zu einem attraktiven Kandidaten für Luftfahrt, Raumfahrt, Drohnen, Schifffahrt und Netzspeicher — Bereiche, in denen Langlebigkeit, Gewicht und Stabilität entscheidend sind.
Expertinnen‑ und Experteneinschätzung
"Die Verlängerung der Zyklenlebensdauer um den Faktor fünf bei gleichbleibend geringem Gewicht ist ein Wendepunkt für die Akzeptanz von Li‑S", sagt Dr. Maria Chen, Batterie‑Systemingenieurin mit Erfahrung in Antriebssystemen für die Luftfahrt. "Der Fokus auf den Separator ist klug: Er adressiert ein Transportproblem an der Materialgrenzfläche, statt komplizierte neue Kathodenchemien oder exotische Elektrolyte einzuführen. Bestätigen unabhängige Tests die Laborergebnisse und lässt sich die Beschichtung reproduzierbar skalieren, könnte HiSep‑II Li‑S für hochwertige Mobilitäts‑ und Speicheranwendungen öffnen, bei denen Energiedichte und Sicherheit am wichtigsten sind."
Diese unabhängiger klingende Perspektive unterstreicht zwei Realitäten: Drittparteien‑Validierung ist unerlässlich, und die Systemintegration — von der Zellfertigung über das Packdesign bis zur Thermomanagementstrategie — wird die reale Leistung bestimmen.
Skalierung, Prüfung und kommerzieller Ausblick
Bevor HiSep‑II in kommerziellen Produkten eingesetzt wird, sind mehrere Schritte notwendig. Unabhängige Tests durch Dritte müssen Langzeitstabilität, Sicherheit und gleichbleibende Leistung verifizieren, wenn die Beschichtung in vollständige Zellen und Batteriepakete integriert ist. Herstellungsversuche müssen zeigen, dass die Beschichtung mit hoher Durchsatzrate, konstanter Qualität und zu akzeptablen Kosten aufgetragen werden kann.
Das TTO der NTNU sucht aktiv Industriepartner, die weitere Patentierungen finanzieren und die Hochskalierung sowie Validierungstests leiten. Kristina Nydal, Business Developer beim TTO, hebt das sektorübergreifende Potenzial hervor: "Unser Ziel ist es, HiSep‑II zu lizenzieren, sodass es von EVs bis hin zu großangelegten Energiespeichern eingesetzt werden kann. Für Bereiche, in denen Langlebigkeit und Sicherheit nicht verhandelbar sind, sieht es vielversprechend aus."
Die kommerzielle Akzeptanz wird von nachgewiesenen Lebensdauergewinnen, Kosten pro Kilowattstunde, Integrationsaufwand und Zulassungen für neue Batteriekomponenten abhängen. Doch das Konzept — eine dünnere, skalierbare Separatorbeschichtung, die den Shuttle‑Effekt mindert — bietet einen pragmatischen Weg, Li‑S‑Zellen ohne umfassende Änderung der Zellchemie wirtschaftlich nutzbar zu machen.
Fazit
HiSep‑II ist eine ultradünne Separatorbeschichtung, die an der NTNU entwickelt wurde und den Lithium‑Polysulfid‑Shuttle‑Effekt bekämpft, der Hauptursache für schnellen Kapazitätsverlust in Lithium‑Schwefel‑Batterien. Laborergebnisse deuten auf eine bis zu fünffache Steigerung der Zyklenlebensdauer und potenzielle systemweite Gewichtsersparnisse hin, die EV‑Batteriepacks, Energiesysteme für die Luftfahrt und Speicherlösungen verändern könnten. Die Herstellbarkeit, Umweltverträglichkeit und Kompatibilität mit bestehenden lithiumbasierten Produktionsprozessen machen die Technologie zu einem vielversprechenden Kandidaten für die Kommerzialisierung — vorausgesetzt, unabhängige Bestätigung und industrielle Skalierung bestätigen die Laborleistung. Werden diese Meilensteine erreicht, könnte HiSep‑II ein entscheidender Schritt zu bezahlbaren, leichten und langlebigeren Li‑S‑Batterien für zahlreiche Transport‑ und Speicheranwendungen sein.
Quelle: techxplore
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