Litauen als FDI-Hub: Digital, Grün und Krisenfest 2025

Litauen als FDI-Hub: Digital, Grün und Krisenfest 2025

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Auf dem Foreign Investors Annual Summit 2025, der im Radisson Blu Hotel in Vilnius stattfand, hielt Chris Knight, Geschäftsführer von FT Locations — ein Teil der Financial Times Group — eine überzeugende Hauptrede über globale Trends bei ausländischen Direktinvestitionen (FDI) und Litauens wachsende Rolle als regionaler Investitionsstandort.
In seiner 20-minütigen Rede skizzierte Knight sechs zentrale globale Trends, die die Zukunft der FDI prägen, analysierte sektorspezifische Dynamiken und hob Litauens strategische Vorteile hervor — von qualifizierten Fachkräften und digitaler Innovation bis zu Energie‑Resilienz und geopolitischer Ausrichtung.

Der globale Kontext: Sechs Megatrends, die FDI prägen

Chris Knight begann seine Keynote damit, den aktuellen Stand der weltweiten Investitionen als geprägt von Komplexität und Unsicherheit zu beschreiben — zugleich aber voller Chancen für agile Volkswirtschaften wie Litauen. Er identifizierte sechs grundlegende Trends, die FDI‑Entscheidungen weltweit antreiben:

  1. Geopolitische Verschiebungen
    Wachsende Spannungen zwischen großen Volkswirtschaften — besonders zwischen den USA und China — haben Kapitalströme in Richtung aufstrebender Märkte wie Vietnam und Mexiko umgelenkt. Diese „Gewinner“ profitieren von ihrer Nähe zu wichtigen Absatzmärkten, während globale Investoren ihre Risikoexponierung neu bewerten.

  2. Neue Industriepolitiken und Anreize
    Regierungen setzen zunehmend auf subventionsgetriebene Strategien, um Investitionen anzuziehen. Beispiele sind das US CHIPS Act und der Inflation Reduction Act, die darauf abzielen, sowohl heimische als auch ausländische Projekte in Technologie, sauberer Energie und Produktion zu fördern.

  3. Volatilität der Energiepreise
    Konflikte in Ukraine und im Nahen Osten haben Schwankungen der Energiepreise verstärkt. Knight wies darauf hin, dass „für produzierende Unternehmen Volatilität bei Energiepreisen das Letzte ist, was sie wollen“ und betonte, dass Energie‑Stabilität zunehmend ein zentrales Kriterium für Standortentscheidungen wird.

  4. Verschärfte Prüfung von Investitionen
    In fortgeschrittenen Volkswirtschaften — insbesondere im Vereinigten Königreich — wird die Kontrolle von FDI in sensiblen Bereichen wie Cybersicherheit und geistigem Eigentum deutlich stärker, was die Lage für internationale Investoren komplexer macht.

  5. Digitale Transformation
    Die rasche Expansion in Bereichen wie KI, FinTech, EdTech, MedTech und Cybersicherheit verändert die Investitionslandschaft nachhaltig. Diese Sektoren gehören heute zu den am schnellsten wachsenden FDI‑Projektkategorien weltweit.

  6. Marktunsicherheit und Entscheidungsaufschub
    Laut FT Locations‑Daten sanken die globalen FDI‑Projekte im vergangenen Jahr um 4% auf 17.604, da Investoren angesichts der Unsicherheit pausierten. Knight prognostizierte jedoch ein erneutes Wachstum in den nächsten Jahren, sobald sich die Märkte stabilisieren.

Verschiebende regionale Dynamiken

Den Analysen von FT Locations zufolge bleibt Europa das führende Ziel für FDI und zieht 36% der globalen Projekte an, gefolgt von Asien und Nordamerika. Gleichzeitig hat sich der Nahe Osten als stark wachsender Markt etabliert und verzeichnete einen Anstieg um 70% gegenüber dem Vorjahr, getrieben von Diversifizierungsstrategien in den VAE und Saudi‑Arabien.

Im Gegensatz dazu verzeichneten Westeuropa und das aufstrebende Europa leichte Rückgänge in ihren Marktanteilen, was die vorsichtigere Haltung der Investoren angesichts steigender Kosten und wirtschaftlicher Gegenwinde widerspiegelt.

Betrachtet man die globale FDI‑Zusammensetzung nach Sektor, so verändert sie sich:

Knight betonte, dass das KI‑getriebene Wachstum eine beispiellose Nachfrage nach Rechenzentren und digitaler Infrastruktur auslöst und dies als einen „Schlüsselträger“ für das kommende Jahrzehnt bezeichnete.

Sektorale Verschiebungen: Wohin das Kapital fließt

Bezogen auf Investitionsausgaben (CAPEX):

  • Erneuerbare Energien stehen mit 271 Mrd. $ im Jahr 2024 an der Spitze, trotz eines Rückgangs von 100 Mrd. $ gegenüber dem Vorjahr.

  • Kommunikation und Halbleiter folgen als kapitalintensive Sektoren.

  • Militärtechnologien stellen das am schnellsten wachsende Segment dar und wuchsen in den letzten 18 Monaten um 450% — tatsächliche Werte dürften wegen vertraulicher Verteidigungsaufträge noch höher liegen.

  • KI‑Projekte allein machten im ersten Halbjahr 2024 200 Mrd. $ und 450+ neue Projekte aus.

„Diese Daten zeigen klar“, bemerkte Knight, „dass die Zukunft der FDI bereits begonnen hat — digital, grün und sicher.“

Im Fokus: Litauen — ein aufsteigender Stern in Osteuropa

Vom globalen Bild wechselte Knight zu regionalen Details und nannte vier zentrale Trends, die Litauen als ein FDI‑Überflieger positionieren:

  1. Friendshoring & Reshoring
    Während Unternehmen ihre Lieferketten wegen geopolitischer Störungen neu konfigurieren, machen Litauens strategische Lage, die EU‑Mitgliedschaft und die politische Ausrichtung das Land zu einem attraktiven Ziel.

  2. Grüne Transformation & Energiesicherheit
    Mit der Beschleunigung von Investitionen in Clean Tech und Erneuerbare Energien in Europa prognostizierte Knight, dass die Baltischen Staaten — insbesondere Litauen — profitieren werden, gestützt durch politische Weichenstellungen und Nachhaltigkeitsauflagen.

  3. Nationale Sicherheit & NATO‑Ausrichtung
    Litauens Verpflichtung zu Verteidigungsausgaben (nahe 5% des BIP) zieht Investoren im Bereich Verteidigungs‑ und Dual‑Use‑Technologien an — ein Sektor, der in FDI‑Debatten oft übersehen wurde, jetzt aber starkes Wachstumspotenzial zeigt.

  4. Digitalisierung & Technologiestärke
    Das wachsende Ökosystem in den Bereichen KI, Cybersicherheit und Rechenzentren entspricht exakt den globalen Investitionsprioritäten.

Was Investoren nach Litauen zieht

Die Investor Motives-Umfrage von FT Locations hebt die drei wichtigsten Gründe hervor, warum Firmen Litauen wählen:

  1. Qualifizierte Arbeitskräfte – „Talent, Talent, Talent“, betonte Knight, „das ist heutzutage wirklich entscheidend.“

  2. Stabile Regulierung und verlässliche Governance

  3. Technologie‑ und Innovationskapazität

Aus Knights Sicht überwiegt heute das Humankapital die Bedeutung physischer Vermögenswerte:

„Früher ging es um Gebäude; heute geht es um die Menschen, die in ihnen arbeiten.“

Litauens Leistung im Baltikum

Bereinigt um die Bevölkerungsgröße rangiert Litauen in der baltischen Region auf dem zweiten Platz bei den FDI‑Projekten pro 100.000 Einwohner.
Darüber hinaus erfassen drei litauische StädteVilnius (24%), Kaunas (8%) und Klaipėda (4%) — zusammen 36% aller baltischen FDI‑Projekte.

Diese Konzentration, so argumentierte Knight, unterstreicht Litauens städtische Innovationszentren und eine ausgewogene regionale Entwicklung.

Wettbewerbsvorteilsanalyse: Schlüsselwachstumssektoren

Das RCA (Revealed Comparative Advantage)-Modell von FT Locations zeigt, dass Litauen in mehreren wachstumsstarken Branchen besonders stark ist:

Knight bemerkte, dass die datengestützte Bestätigung dieser Sektoren Litauen eine starke Argumentation liefert, wenn es darum geht, internationale Investoren anzusprechen:

„Es geht nicht nur darum zu sagen, Litauen sei großartig — die Daten belegen es.“

Geringere Abhängigkeit von den USA

Ein bemerkenswerter Punkt war Litauens geringe Abhängigkeit von US‑Investitionen und Exporten, insbesondere im Vergleich zu Ländern wie Irland, wo 55% der Produktionsprojekte aus den USA stammen.

Knight zeigte Litauens diversifizierte Verflechtung auf und nannte dies einen strategischen De‑Risking‑Vorteil angesichts globaler Zölle und protektionistischer Tendenzen.

Wesentliche Erkenntnisse und Schlussbemerkungen

Knight schloss mit drei klaren Botschaften:

  1. Litauen übertrifft bei FDI die Erwartungen — gemessen an seiner Größe und Bevölkerung.

  2. Talent ist Litauens größtes Kapital und zieht globale Unternehmen an, die qualifizierte Fachkräfte suchen.

  3. Strategische Diversifizierung durch Friendshoring, digitale Innovation und Energiesicherheit positionieren Litauen als resilienten und zukunftsfähigen Investitionsstandort.

„Litauen passt nicht nur zu den am schnellsten wachsenden globalen Sektoren“, sagte Knight, „sondern seine datenbasierten Stärken machen es zu einer Top‑Wahl für vorausschauende Investoren.“

Die Keynote endete mit Applaus der Delegierten und bestätigte Litauens wachsenden Ruf in der internationalen Investitionsgemeinschaft.

Quelle: smarti

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