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Trumps spätmorgendlicher Ausbruch und eine abgelenkte Branche
Es begann wie ein Gag und landete irgendwo zwischen Alarm und Verärgerung. An einem Tag, an dem das Weiße Haus von hochbrisanter Diplomatie und Haushaltsverhandlungen eingenommen war, erklärte ein Social‑Media‑Beitrag des ehemaligen Präsidenten Donald Trump, er werde eine „100%ige Zollgebühr auf alle Filme erheben, die außerhalb der USA gedreht werden.“ Die Meldung — gepostet auf Truth Social — stellte internationale Filmproduktionen als wirtschaftlichen Diebstahl dar und versprach weitreichende Sanktionen für filmische Projekte, die außerhalb amerikanischer Grenzen entstehen. Gleichzeitig berührte die Ankündigung Fragen der kulturellen Diplomatie: Filme sind nicht nur Handelsgüter, sondern auch Träger von Soft Power und kulturellem Austausch.
Für Hollywood‑Manager, Streamingdienste, Produzenten und globale Crews stand die Ankündigung kaum allein auf der Agenda. Sie traf jedoch in einem sensiblen Moment ein: Produktionskalender sind oft Jahre im Voraus gefüllt, die Finanzierung ist global vernetzt, und Studios navigieren bereits durch ein Geflecht aus Förderungen, Steuergutschriften und Co‑Produktion‑Abkommen. Die unmittelbare Reaktion war eher ein müdes Augenrollen als Massenpanik: Eine solche Idee wurde bereits früher geäußert, und die Branche weiß, dass Schlagzeilenpolitik nicht gleichzusetzen ist mit durchsetzbarer Gesetzgebung. Zugleich sorgt die Ankündigung für Unsicherheit bei internationalen Partnern, die langfristige Pläne und Verträge abschließen müssen.
Warum die meisten in der Branche es als „heiße Luft" betrachteten
Es gibt drei praktische Gründe, warum die Drohung mit einem Zoll eher mit Skepsis als mit Hysterie beantwortet wurde.
Erstens, rechtliche und technische Hürden. Zölle greifen traditionell bei Waren, die Grenzen überschreiten — Stahl, Autos, Elektronik — nicht bei Filmen, die im Handelssprachgebrauch oft als Dienstleistungen oder als geistiges Eigentum behandelt werden. Einen Zoll auf einen Film durchzusetzen wirft komplexe Fragen auf: Wer würde belastet (die Produktionsfirma, das Studio, der Distributor?), wie würde die „Nationalität" eines Films bestimmt, wenn Finanzierung, Schauspieler und Crew Kontinente überspannen, und zu welchem Zeitpunkt würde die Abgabe fällig (Hauptdreharbeiten, Postproduktion, Vertrieb)? Anwälte aus dem Entertainment‑Bereich sagen, dass diese Fragen kaum einfache Antworten haben. Darüber hinaus stellen internationale Handelsabkommen, das Urheberrecht und Zollklassifikationen zusätzliche technische und juristische Hürden dar, die ein Durchsetzen solcher Maßnahmen weiter erschweren. Juristische Mechanismen wie die Rolle des Office of the United States Trade Representative (USTR), mögliche WTO‑Anfechtungen und innerstaatliche verfassungsrechtliche Fragen würden zudem lange Prüfungsprozesse auslösen.
Zweitens, die Umsetzung von Politik. Dies ist mindestens das zweite Mal, dass eine plakative, medienwirksame Ankündigung über 100% Zölle auf internationale Produktionen auftaucht; die erste Gelegenheit mündete nicht in eine Verordnung oder einen handelspolitischen Schritt. Branchenveteranen haben daher eine abwartende Haltung entwickelt: kühne Behauptungen können verpuffen, bevor Details — oder die parlamentarische Maschinerie — nachkommen. Gesetzgebung erfordert Entwürfe, Ausschussberatungen, Stakeholder‑Hearings und letztlich die Abstimmung in beiden Kammern, ein Prozess, der Zeit braucht und oft abgeschwächt wird.
Drittens, die Ökonomie des modernen Filmemachens. US‑Schaffende sind zunehmend auf ausländische Steuergutschriften und Co‑Finanzierung angewiesen, um Filme zu realisieren, die sonst nicht tragbar wären. Ein kompletter Dreh ausschließlich in Kalifornien oder New York kann mehrere zehn Millionen Dollar zusätzlich kosten; Anreize in Europa, Kanada und anderen Ländern sind gezielt darauf ausgelegt, genau diese Gelder anzuziehen. Diese Türen mit einer strafenden Zollmaßnahme zu schließen wäre nicht nur juristisch kompliziert, sondern ökonomisch kontraproduktiv, da sich die Kosten und Nutzen für Produzenten und Arbeitsplätze dadurch verschieben würden. Viele Dienstleister — von Kostümwerkstätten über Spezialeffektstudios bis zu Cateringfirmen — hätten ebenfalls zu leiden. Darüber hinaus könnten sich Finanzierungsmodelle ändern: Banken, Förderinstitutionen und internationale Investoren suchen in ihren Verträgen oft nach Vorhersehbarkeit, nicht nach politischem Risiko.
Was ein Zoll tatsächlich treffen würde — und wer am stärksten betroffen wäre
Würde eine 100%ige Zollgebühr wie beschrieben angewendet, ist die erste Intuition, dass große Studios die Kosten einfach absorbieren oder Umwege finden würden. In Wirklichkeit würden kleinere Art‑House‑Filme und unabhängige Autoren am meisten verlieren. Viele Festivallieblinge und kritisch gefeierte Projekte sind auf grenzüberschreitende Finanzierung angewiesen und stützen sich auf empfindliche Förderströme; wenn diese versiegten oder unerschwinglich würden, könnten Dutzende von überschaubaren, aber kulturell wichtigen Filmen nie entstehen. Das hätte Folgen für die Vielfalt des Filmangebots, die Präsenz bei Festivals wie Cannes oder Berlinale und die internationale Filmkultur insgesamt.
Der französische Produzent Charles Gillibert, dessen jüngere Arbeiten internationale Drehs mit renommierten Regisseuren umfassen, warnte davor, dass strafende Handelsmaßnahmen gegen „fremde" Filme kleinere Autorenprojekte ins Aus befördern könnten. Die Ironie: Gerade die Filmschaffenden, die am stärksten von einem solchen Zoll betroffen wären, fungieren oft als die besten Botschafter amerikanischen Kinos im Ausland — US‑Regisseure, die intime Geschichten mit internationalen Partnern erzählen. Ohne diese Projekte würde sich das kulturelle Spektrum verengen und die Fähigkeit, Nischen‑ und Experimentalfilm zu fördern, merklich sinken.
Große Tentpole‑Produktionen haben dagegen Optionen. Blockbuster verlagern häufig Teile der Produktion in das Vereinigte Königreich, nach Ungarn oder in andere subventionsfreundliche Länder für visuelle Effekte, Studioproduktion und Steuervorteile. Bei Franchises wie den Avengers oder großen Adaptionen können Studios Ressourcen umverteilen, Veröffentlichungsstrategien anpassen oder Maßnahmen über Handelsorganisationen anfechten. Doch die Unsicherheit selbst — und die Drohung rückwirkender Abgaben — kann Investoren verunsichern und Zeitpläne durcheinanderbringen. Hinzu kommen mögliche Auswirkungen auf internationale Vertriebspartner und Kofinanzierer, die vertragliche Sicherheiten brauchen. Insgesamt sinkt dadurch die Planbarkeit von Produktionen, was sich negativ auf Casting‑Entscheidungen, Marketingbudgets und Release‑Fenster auswirken kann.

Dienstleistungen vs. Waren: eine rechtliche Grauzone
Mehrere Handelsanwälte und Leiter der Business‑Affairs haben das grundlegende Problem hervorgehoben: Filme sind eine Mischung aus Waren und Dienstleistungen. Physische Kopien und Merchandising überqueren Grenzen, aber das Kernprodukt — der Film als audiovisuelles Werk — wird lizenziert, vertrieben und gestreamt im Rahmen zahlreicher internationaler Abkommen. Ein Zollsystem zu entwerfen, das gerichtlichen und handelspolitischen Prüfungen standhält, würde komplexe Definitionen erfordern und vermutlich die Kooperation von Kongress und den zuständigen Behörden für Handelspolitik nötig machen. Außerdem eröffnet die digitale Distribution zusätzliche Fragen darüber, wann und wie eine „Überquerung" der Grenze überhaupt stattfindet: Ist es der Upload auf einen Server, das Streaming an einen ausländischen Endnutzer oder der physische Transfer von Filmkopien?
„Wie zollt man etwas wie einen Film? Wer wird letztlich belastet?", fragte ein Entertainment‑Anwalt, der mit grenzüberschreitenden Deals vertraut ist. Allein diese Frage erklärt, warum viele in Hollywood die Ankündigung eher ungläubig statt panisch aufnahmen. Darüber hinaus wären Gerichte mit einer Flut von Klagen konfrontiert, die sowohl verfassungsrechtliche als auch handelsrechtliche Argumente prüfen müssten — ein langer und unsicherer Rechtsweg.
Branchenreaktionen: von Flüchen bis zu Politikvorschlägen
Die Reaktionen reichten quer durch das Spektrum. Manche Produzenten stießen im Tonfall ein paar Flüche aus; andere veröffentlichten nüchterne Erklärungen, in denen die Notwendigkeit klarer Regelungen betont wurde. Die Motion Picture Association soll das Thema auf die Tagesordnung für Vorstandsgespräche gesetzt haben, und die Regierungsbeziehungen der Studios bereiteten offenbar Briefings vor. Gleichzeitig intensivierten Rechtsabteilungen ihre Analysen, um mögliche Angriffsflächen in Verträgen und Versicherungen zu identifizieren.
Aber es gab auch konstruktive Alternativen. Einige Abgeordnete, darunter kalifornische Vertreter aus Bezirken mit wichtigen Produktionszentren, prüfen bundesweite Steuergutschriften, um die USA gegenüber internationalen Förderprogrammen konkurrenzfähiger zu machen. Kalifornien bietet zwar bereits staatliche Credits, doch viele argumentieren, ein nationales Programm würde die Wettbewerbsbedingungen angleichen und mehr heimische Arbeitsplätze schaffen, ohne zu strafenden Handelsmaßnahmen greifen zu müssen. Weitere Vorschläge umfassen Investitionen in Infrastruktur wie neue Studios, Ausbildungsprogramme für Fachkräfte und vereinfachte Visa‑Regelungen für internationale Talente, um die Attraktivität der USA als Produktionsstandort zu erhöhen.
„Wenn das Ziel mehr Produktion und mehr amerikanische Arbeitsplätze ist, sind pauschale Zölle ein grobes Werkzeug", sagt Joshua Astrachan, ein Produzent, der an international gedrehten Projekten beteiligt ist. „Politik, die gezielt Anreize für Produktion im Inland schafft, wäre weitaus wirksamer." Solche Anreize könnten kombiniert werden mit Hilfeprogrammen für unabhängige Produzenten und verbesserten Finanzierungsmechanismen, um die Vielfalt des filmischen Schaffens zu erhalten.
Vergleiche: Kultur und Handel kollidierten nicht zum ersten Mal
Die Spannung zwischen nationalen Interessen und kulturellen Industrien ist lange bekannt. In den 1990er und 2000er Jahren führten Auseinandersetzungen um Filmquoten, Rundfunkbesitz und Musikurheberrecht häufig zu Handelsverhandlungen und bilateralen Gesprächen. Die heutige Streamingökonomie fügt eine neue Ebene hinzu: Plattformen verhandeln globale Rechtefenster, und Inhalte bewegen sich digital in Sekunden über Grenzen hinweg. Damit entstehen neue Fragen zur Territorialität von Rechten, zu Lizenzmodellen und zur Besteuerung digitaler Dienste.
Ein hilfreicher Vergleich ist, wie europäische Länder ihr lokales Kino mit Subventionen und Quoten verteidigen. Die Unterstützung Frankreichs für das Autorenkino etwa reicht Jahrzehnte zurück und zielt darauf ab, ein kulturelles Ökosystem zu erhalten, in dem riskantere, nicht‑kommerzielle Filme existieren können. Die USA setzten traditionell auf Marktgröße und Studiokapital — doch mit steigenden Produktionskosten verschiebt sich diese Rechnung, und Fragen zu Filmförderung, Steuergutschriften und Produktionsinfrastruktur gewinnen an Bedeutung. Auch andere Länder nutzen filmpolitische Instrumente als Teil ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Strategie, was zeigt, dass Wettbewerb um Produktionsstandorte kein neues Phänomen ist.
Hinter den Kulissen: Warum Produktionen ausländische Drehorte wählen
Jenseits der Förderungen gibt es praktische Gründe — handwerkliche Arbeitskräfte, spezialisierte Einrichtungen, günstige Wechselkurse und lokale Crews mit Erfahrung in bestimmten Genres (etwa Kostüm‑ und Historienfilme oder VFX‑intensive Science‑Fiction). In Budapest lassen sich zum Beispiel Ausgaben für visuelle Effekte und Studiokosten senken; das Vereinigte Königreich bietet erstklassige Soundstages und Postproduktionshäuser; Irland und Frankreich locken mit malerischen Drehorten und steuerlichen Anreizen, die Autorenprojekte anziehen. Darüber hinaus haben sich viele Länder auf bestimmte Produktionsservices spezialisiert, sodass ein Team mit Erfahrung in historischen Inszenierungen oder aufwendigen Stunts bevorzugt an Orte reist, wo diese Expertise gebündelt vorhanden ist.
Produzenten balancieren zudem Zeitpläne, gewerkschaftliche Regelungen und kreative Partnerschaften. Hochkarätige Schauspieler und Regisseure bringen oft eigene Finanzierung oder Co‑Produzenten aus anderen Ländern mit, was die Frage, was einen „US‑Film" ausmacht, weiter verwischt. Technologische Faktoren wie virtuelle Produktion und Remote‑Workflows haben außerdem neue Möglichkeiten geschaffen, Teile der Postproduktion extern zu verlagern, ohne dass das gesamte Team physisch vor Ort sein muss. All diese Faktoren machen die Entscheidung für Drehorte zu einer komplexen Abwägung aus Kosten, Qualität, rechtlicher Sicherheit und kreativen Bedürfnissen.
Stimmen aus dem Feld: Studium, Geduld und Skepsis
Line Producer und Executive Producer mit Erfahrung in US‑ und europäischen Märkten raten zur Geduld. „Wir müssen eine abwartende Haltung einnehmen; er zieht häufig angekündigte Maßnahmen zurück", sagte ein erfahrener Line Producer, der seine Zeit zwischen Paris und Los Angeles aufteilt. Ein anderer prominenter Produzent brachte die Stimmung knapper auf den Punkt: Man müsse erst die schriftliche Ausgestaltung sehen, bevor man reagiert.
Der Filmhistoriker Marko Jensen bot eine abgewogene Perspektive: „Kinematographische Kultur hat schon immer Grenzen überschritten. Handelspolitische Scharmützel, die kreative Zusammenarbeit ins Visier nehmen, ignorieren, wie sich Filmsprache und Brancheninfrastruktur über Jahrzehnte entwickelt haben. Politiker täten besser daran, lokale Arbeitsplätze zu fördern, als Zölle zu errichten, die den künstlerischen Austausch abkühlen könnten." Seine Einschätzung spiegelt einen breiten Branchenkonsens wider, dass konstruktive Politik — keine strafenden Maßnahmen — der sinnvollere Weg ist. Viele setzen daher auf Dialog zwischen Regierungen, Studios und Verbänden, um praktikable Lösungen zu entwickeln.
Wie geht es weiter: Rechtliche Prüfungen, Vorstandsräume und mögliche Anreize
Erwarten Sie, dass die nächsten Schritte praktisch und nicht theatralisch ausfallen. Die Motion Picture Association und die Rechtsteams der Studios werden die Behauptung auf Anzeichen für regulatorische Schritte prüfen. Im Kongress könnte es ein erneuertes Interesse an bundesweiten Anreizen geben. Internationale Handelspartner und Kofinanziers werden aufmerksam beobachten; falls die Rhetorik zu Zöllen in verbindliche Texte gegossen wird, könnten rechtliche Klagen und Gegenmaßnahmen folgen. Auch multilaterale Institutionen und Handelsorganisationen würden in einen solchen Fall mögliche Verstöße gegen etablierte Abkommen prüfen.
Für Filmschaffende und Zuschauer ist die eigentliche Frage, ob solche hochrangigen Drohgebärden die Arten von Geschichten verändern, die erzählt werden. Die Sorge gilt weniger den Blockbustern — die Kostenverschiebungen meist abfedern können — als den leiseren, riskanteren Stimmen, die auf grenzüberschreitende Partnerschaften angewiesen sind, um originelle, charaktergetriebene Filme zu realisieren. Verlust an Vielfalt würde sich langfristig auf die kulturelle Landschaft auswirken und die Innovationskraft der Branche schwächen.
Abschließende Anmerkung
Vorläufig überwiegen Irritation und Belustigung mehr als Angst. Die globale Filmgemeinschaft hat gelernt, mit politischem Rauschen umzugehen. Die Episode macht jedoch einen strategischen Punkt deutlich: Wenn die USA mehr Produktion und mehr Arbeitsplätze im Inland wollen, sollte die Debatte weniger über Strafschlagzeilen und mehr über Anreize, Infrastruktur und politische Maßnahmen geführt werden, die die internationale Natur des modernen Filmemachens anerkennen. Dazu gehören konkurrenzfähige Steuergutschriften, gezielte Investitionen in Studios und Ausbildung sowie internationale Kooperationsmodelle, die sowohl wirtschaftliche als auch kulturelle Ziele berücksichtigen.
„Wenn Sie möchten, dass Hollywood zu Hause bleibt, schreiben Sie Regeln, die den Verbleib lohnenswert machen", witzelte ein Industriemanager. Ob Washington diesen Weg einschlägt, bleibt abzuwarten — doch die Branche dürfte weiterhin pragmatisch, vernetzt und innovationsbereit reagieren, während politische Debatten ihren Lauf nehmen.
Quelle: variety
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