Stablecoins: Strategische Priorität für US-Finanzpolitik

David Malpass betont auf dem ACI Payments Unleashed Summit die strategische Bedeutung von Stablecoins. Der Text analysiert Regulierung, Fed-Zugang, Wettbewerb mit Europa und China sowie politische Handlungsempfehlungen.

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Stablecoins: Strategische Priorität für US-Finanzpolitik

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Ehemaliger Weltbankpräsident: Stablecoins sind strategische Priorität

David Malpass, der frühere Präsident der Weltbank, erklärte Branchenführern auf dem ACI Payments Unleashed Summit am 22. Oktober, dass Stablecoins Zahlungsverkehr und grenzüberschreitenden Handel grundlegend verändern. Er argumentierte, die Vereinigten Staaten müssten klare, innovationsfreundliche Regeln für Kryptowährungen einführen, um die Rolle des US-Dollars zu sichern und das Wachstum von FinTech-Unternehmen zu fördern. Malpass warnte, dass ohne eine robuste und verlässliche US-Politik europäische und chinesische Akteure Marktanteile im Bereich digitaler Zahlungen und Stablecoin-Dienstleistungen gewinnen könnten. Dabei betonte er sowohl ökonomische als auch geopolitische Konsequenzen: Wer die Standards für digitale Zahlungssysteme setzt, kann Einfluss auf globale Handelsströme und Finanzinfrastrukturen ausüben.

Warum Stablecoins global wichtig sind

Stablecoins können Transaktionskosten senken, nahezu sofortige Abwicklungen ermöglichen und den Zugang zu digitalen Zahlungsmitteln für Verbraucher und Unternehmen weltweit ausweiten. Diese digitalen Token, die häufig an Fiat-Währungen oder einen Korb von Vermögenswerten gekoppelt sind, werden zunehmend für grenzüberschreitende Rücküberweisungen, Aktivitäten im Bereich der dezentralisierten Finanzwirtschaft (DeFi) und für Onchain-Handel verwendet. Durch niedrigere Gebühren, kürzere Abwicklungszeiten und automatisierbare Smart-Contract-Prozesse reduzieren Stablecoins Reibungsverluste, die traditionelle grenzüberschreitende Zahlungen oft teuer und langsam machen. Besonders für Migrierende, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie für Märkte mit unzuverlässiger oder teurer Bankinfrastruktur können Stablecoins die finanzielle Inklusion beschleunigen.

Die Wirksamkeit von Stablecoins hängt jedoch stark von ihrer Konstruktion ab: Während einige Modelle vollständig durch liquide Reserveaktiva gedeckt sind, nutzen andere algorithmische Mechanismen oder teilgedeckte Reserven. Die gebräuchlichsten Anwendungsfälle umfassen sofortige Settlement-Optionen für E-Commerce, programmierbare Zahlungen in Supply-Chain-Szenarien und als Brückenwährung in DeFi-Protokollen. In Kombination mit digitalen Identitäten, Compliance-Tools (KYC/AML) und interoperablen Zahlungsschienen können Stablecoins eine robuste Ergänzung zu bestehenden Finanzinfrastrukturen darstellen — vorausgesetzt, Emittenten halten transparenten Reserve-Nachweis und es existieren klare regulatorische Vorgaben.

Regulierung und Vertrauen sind entscheidend

Malpass hob hervor, dass das Vertrauen in Stablecoin-Emittenten entscheidend ist, damit diese Instrumente in großem Umfang angenommen werden. Klare Regeln zu Reservedeckung, unabhängigen Prüfungen (Audits), Verbraucherschutz und Anti-Geldwäsche-Vorschriften (AML) werden darüber entscheiden, ob Stablecoins verantwortungsvoll skaliert werden können. Transparenzanforderungen — etwa regelmäßige, öffentlich zugängliche Auditberichte, Vorschriften zur Liquiditätshaltung und definierte Einlösungsrechte für Nutzer — stärken das Vertrauen in die Stabilität und Verlässlichkeit eines Stablecoins.

Darüber hinaus müssen Aufsichtsbehörden ein Gleichgewicht finden zwischen der Förderung technologischer Innovation und dem Schutz vor systemischen Risiken. Instrumente wie Mindestkapitalanforderungen für Emittenten, Vorgaben für Verwahrung von Reserven und Meldepflichten bei Expositionsänderungen helfen, Missbrauch zu verhindern. Ebenso wichtig sind klar definierte Rechtsrahmen für die Frage, wie Rückforderungen, Insolvenzfälle oder technische Ausfälle zu behandeln sind. Solche Regelungen schaffen Rechtssicherheit für Investoren, Finanzinstitute und Endnutzer und ermöglichen verantwortliche Integration von Stablecoins in bestehende Zahlungsökosysteme.

Zugang der Fed zu Zahlungsverkehrsleitungen: ein potenzieller Wendepunkt

Malpass begrüßte die Idee des Gouverneurs der Federal Reserve, Christopher Waller, regulierten Stablecoin-Firmen und FinTechs einen eingeschränkten Zugang zu Fed-Zahlungsschienen mittels sogenannter „skinny master accounts" zu gewähren. Solche Konten würden keine Vollbankfunktionen ersetzen, könnten aber direkte Verbindungen zu den zentralbanknahen Zahlungsinfrastrukturen herstellen und so die Abhängigkeit von Korrespondenzbanken verringern. Ein direkter Zugang zu Reservesystemen der Zentralbank könnte Liquidität und Abwicklungszeiten verbessern, dadurch Settlement-Risiken vermindern und die Wettbewerbsfähigkeit der USA im Bereich digitaler Zahlungen stärken.

Praktisch gesehen würden „skinny master accounts" ermöglichten Wirtschaftsakteuren, die strengen regulatorischen Anforderungen genügen, effizienter Zahlungen zu initiieren und zu finalisieren. Das hätte Effekte auf Intraday-Liquiditätsmanagement, auf die Reduktion von Gegenparteirisiken und auf die Optimierung von Zahlungsrouting. Zugleich müssten Governance-, Sicherheits- und Compliance-Vorgaben sorgfältig ausgestaltet werden, damit solche Konten kein Vehikel für Umgehung von Bankenregulierung oder AML-Kontrollen werden. Die technische Umsetzung erfordert zudem robuste Schnittstellen (APIs), Überwachungsinstrumente und klare Verantwortlichkeiten zwischen Zentralbank, Zahlungsdienstleistern und Emittenten von Stablecoins.

Konkurrenz aus Europa und China

Nach Malpass beschleunigen Europa und China ihre Programme zu Stablecoins und digitalen Zentralbankwährungen (CBDCs) und schaffen unterstützende regulatorische Rahmenbedingungen. In der Europäischen Union beispielsweise bringt der regulatorische Rahmen MiCA (Markets in Crypto-Assets) einen einheitlichen Rechtsrahmen, der Transparenzanforderungen, Governance-Standards und Meldepflichten für Krypto-Asset-Dienstleister definiert. Solche Initiativen können europäischen Anbietern Planungssicherheit geben und Marktinnovationen fördern.

China verfolgt parallel ambitionierte digitale Währungsprojekte, in denen der digitale Yuan (e-CNY) als staatlich gesteuerte CBDC getestet und schrittweise in alltägliche Zahlungsprozesse integriert wird. Die People’s Bank of China (PBOC) hat bereits umfangreiche Pilotprojekte gestartet und legt großen Wert auf Interoperabilität mit bestehenden Finanzsystemen. Kombinationen aus staatlicher Unterstützung, großflächigen Pilotprogrammen und regulatorischer Steuerung können in China dazu führen, dass nationale Angebote in bestimmten Regionen schneller Verbreitung finden.

Für die USA stellt sich deshalb eine strategische Frage: Schafft man einen innovationsfreundlichen, gleichzeitig stabilitätsorientierten Rahmen, der den US-Dollar in digitalen Ökosystemen verteidigt, oder gibt man Raum für ausländische Akteure, die rasch Infrastruktur und Marktanteile etablieren? Die Entscheidung hat Auswirkungen auf internationale Zahlungsströme, die Rolle des Dollars als Reservewährung und auf die Innovationsführerschaft im Finanzsektor. Internationale Abstimmung, etwa über G20-, BIS- oder FSB-Foren, kann helfen, fragmentierte Standards zu vermeiden und Interoperabilität zu fördern.

Politische Implikationen und abschließende Gedanken

Für Malpass liegt der Weg auf der Hand: Konsistente Kryptoregeln einführen, verantwortungsvollen Zugang zu zentralbanknahen Infrastrukturen ermöglichen und transparente Reserve-Standards für Stablecoin-Emittenten fördern. Konkrete Maßnahmen könnten einschließen: gesetzliche Klarstellung des Regelungsrahmens für Krypto-Assets, Vorgaben für Reservehaltung und unabhängige Prüfungen, verbindliche AML/KYC-Standards sowie Aufsichtsmodelle, die sowohl FinTechs als auch traditionelle Institute umfassen. Solche Schritte würden helfen, sowohl Innovationsdynamik als auch Finanzstabilität zu sichern.

Weiterhin ist internationale Kooperation essenziell: Regulierungsbehörden sollten Erfahrungen austauschen, gemeinsame Mindeststandards entwickeln und Interoperabilitätsmechanismen erproben, damit grenzüberschreitende Zahlungen nicht durch divergierende nationale Regeln behindert werden. Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF), die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) und die Financial Stability Board (FSB) können Plattformen für technische Standards und Risikoanalysen bieten.

Aus technischer Sicht ist wichtig, dass Stablecoins skalierbar und sicher implementiert werden. Aspekte wie Smart-Contract-Sicherheit, Onchain- und Offchain-Governance, sowie die Frage, wie Reserven in Stresssituationen liquidiert werden können, sind Teil eines umfassenden Risikomanagements. Zudem sollten Schnittstellen zwischen privaten Stablecoins und möglichen CBDCs so gestaltet sein, dass sie komplementär wirken: CBDCs können als öffentliches Geld die Grundlage bieten, während regulierte Stablecoins Innovationen im privaten Sektor ermöglichen.

Abschließend betonte Malpass' Rede eine breitere Debatte über monetäre Führung, Finanzstabilität und die Rolle digitaler Vermögenswerte in der Weltwirtschaft. Seine Aufforderung an die US-Politik lautet, rechtliche Klarheit, technologische Offenheit und internationale Kooperation in Einklang zu bringen, um sowohl die Innovationskraft als auch die Integrität des Finanzsystems zu bewahren. Malpass, der 2019 nach einer Nominierung durch den damaligen Präsidenten Donald Trump Präsident der Weltbank wurde, bleibt eine prägnante Stimme in internationalen Finanz- und US-Politik-Diskussionen und trägt mit seinen Aussagen zur laufenden Debatte über die Zukunft digitaler Zahlungsmittel bei.

Quelle: crypto

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