Neurowissenschaft: Sanfte Gehirnstimulation verbessert mathematische Fähigkeiten | Technologie, Auto, Krypto & Wissenschaft – Testright.de
Neurowissenschaft: Sanfte Gehirnstimulation verbessert mathematische Fähigkeiten

Neurowissenschaft: Sanfte Gehirnstimulation verbessert mathematische Fähigkeiten

2025-07-02
0 Kommentare

3 Minuten

Hintergrund: Das Potenzial des Gehirns für mathematische Fähigkeiten entschlüsseln

Mathematikschwierigkeiten stellen für viele Menschen eine alltägliche Herausforderung dar. Doch aktuelle Fortschritte in der Neurowissenschaft eröffnen neue Möglichkeiten, kognitive Unterschiede gezielt anzugehen. Eine aktuelle, begutachtete Studie in PLOS Biology zeigt, dass milde, nicht-invasive Gehirnstimulation die mathematische Leistung deutlich verbessern kann. Diese Forschung bietet neue Einblicke in die neuronalen Netzwerke, die mathematische Kompetenz unterstützen.

Das Experiment: Gehirnkonnektivität kartieren und gezielt stimulieren

Unter der Leitung von Professor Roi Cohen Kadosh von der University of Surrey untersuchte ein Forscherteam 72 Studierende der University of Oxford hinsichtlich der Gehirnfunktionen beim mathematischen Denken. Mittels bildgebender Verfahren wurde die Konnektivität zwischen drei zentralen Hirnregionen analysiert. Besonderes Augenmerk lag auf dem dorsolateralen präfrontalen Kortex – zuständig für exekutive Funktionen wie Planung und logisches Denken – sowie dem posterioren Parietalkortex, der maßgeblich an Gedächtnis und Zahlenverständnis beteiligt ist.

Die Teilnehmenden mussten sowohl lösungsorientierte Mathematikaufgaben als auch Aufgaben zum Abrufen erlernter Inhalte bearbeiten. Die Analyse zeigte: Wer eine stärkere neuronale Verbindung zwischen den beteiligten Bereichen aufwies, schnitt bei anspruchsvollen Rechenaufgaben besonders gut ab.

Durchbruch: Transkranielle Zufallsrausch-Stimulation

Um die mathematische Leistungsfähigkeit weiter zu untersuchen und gezielt zu steigern, nutzte die Studie die Methode der transkraniellen Zufallsrausch-Stimulation (tRNS). Bei dieser Technik tragen die Probanden Kappen mit Elektroden, die sanfte, schmerzfreie Ströme gezielt an Hirnbereiche abgeben – ganz ohne operative Eingriffe oder Unannehmlichkeiten.

Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Teilnehmer mit anfänglich schwächeren Mathematikleistungen verbesserten sich nach der tRNS um 25–29 Prozent. Laut Forschungsteam ist dieser Effekt auf gesteigerte Erregbarkeit der Nervenzellen sowie eine veränderte Regulation des Botenstoffs GABA zurückzuführen, der die Gehirnaktivität steuert. Durch Stärkung dieser neuronalen Netzwerke scheint tRNS schwächere Grundkonnektivität effektiv auszugleichen.

Bemerkenswert ist, dass der Leistungszuwachs ausschließlich bei Personen mit anfangs geringerer Mathematikkompetenz auftrat. Teilnehmer, die bereits überdurchschnittliche Leistungen im Rechnen zeigten, profitierten nicht weiter von der Stimulation. Dr. Cohen Kadosh betont, dass diese Erkenntnisse den Weg für personalisierte Lerninterventionen ebnen könnten, um Menschen gezielt bei der Entwicklung ihres kognitiven Potenzials zu unterstützen.

Ausblick, ethische Aspekte und zukünftige Forschung

Die Auswirkungen dieser Studie reichen weit über das Labor hinaus. Das gezielte Verbessern von Mathematikfähigkeiten durch elektrische Hirnstimulation könnte langfristig dazu beitragen, Bildungsungleichheiten zu verringern und Lernschwierigkeiten besser zu adressieren. Gleichwohl betonen die Autoren auch die ethischen Herausforderungen: Dr. Cohen Kadosh warnt davor, dass der Zugang zu solchen Technologien nicht auf finanziell besser gestellte Gruppen beschränkt sein darf, um soziale Ungleichheiten nicht weiter zu verstärken.

Er unterstreicht zudem, dass diese Form der Gehirnstimulation ausschließlich unter wissenschaftlicher Aufsicht und nicht im privaten Umfeld zum Einsatz kommen sollte. Weitere Studien sowie eine klare Regulierung sind notwendig, bevor ein breiterer Einsatz denkbar ist.

Fazit

Nicht-invasive Gehirnstimulation, speziell die transkranielle Zufallsrausch-Stimulation, bietet großes Potenzial zur Förderung mathematischer Fähigkeiten bei Menschen mit schwächerer neuronaler Vernetzung. Obwohl weitere Forschung dringend erforderlich bleibt, eröffnen diese Ergebnisse neue Perspektiven für gezielte kognitive Interventionen und mehr Chancengleichheit im Bildungsbereich. Während die Neurowissenschaft die biologischen Grundlagen des Lernens weiter entschlüsselt, könnten solche technologischen Fortschritte dazu beitragen, das intellektuelle Potenzial von mehr Menschen voll auszuschöpfen.

Quelle: sciencealert

Kommentare

Kommentar hinterlassen