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Virale Einflüsse auf psychiatrische Erkrankungen: Neue Erkenntnisse zur Rolle von Hepatitis-C im Gehirn

Virale Einflüsse auf psychiatrische Erkrankungen: Neue Erkenntnisse zur Rolle von Hepatitis-C im Gehirn

2025-07-20
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Virale Einflüsse auf psychiatrische Erkrankungen verstehen

Bahnbrechende neue Forschungsarbeiten haben Spuren des Hepatitis-C-Virus (HCV) sowie anderer Viren im Gehirn, genauer in der Gehirnhaut – dem Plexus choroideus – bei Menschen mit Schizophrenie und bipolaren Störungen entdeckt. Diese Entdeckung, die von Wissenschaftlern der Johns Hopkins University geleitet wurde, vertieft unser Verständnis für den Zusammenhang zwischen Infektionskrankheiten und schweren psychischen Störungen und eröffnet potenzielle neue Therapieansätze.

Wissenschaftlicher Kontext: Die Schutzfunktion des Plexus choroideus

In den letzten Jahren haben epidemiologische Studien immer wieder Zusammenhänge zwischen bestimmten Virusinfektionen und relevanten psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie, bipolarer Störung und schwerer Depression aufgezeigt. Allerdings ist der direkte Nachweis von viraler Erbsubstanz im menschlichen Gehirngewebe bisher selten gelungen.

Die Forscher konzentrierten sich daher auf den Plexus choroideus, eine spezielle Struktur aus Kapillaren und Bindegewebe. Dieses Areal produziert die Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor), schützt Gehirn und Rückenmark, steuert den Stoffaustausch und entfernt Stoffwechselabfälle. Aufgrund seiner Barrierefunktion zwischen Blutkreislauf und Gehirngewebe sowie seiner speziellen Lage gilt der Plexus choroideus zudem als häufiges Angriffsziel für Viren.

Zentrale Ergebnisse: Untersuchung des Gehirngewebes

Analysiert wurden postmortale Gehirnproben von Personen mit Schizophrenie, bipolarer Störung, schwerer Depression sowie passenden Kontrollpersonen. Das Probenmaterial stammte vom Stanley Medical Research Institute, einer führenden Einrichtung für die Erforschung neuropsychiatrischer Erkrankungen.

Zur Identifikation versteckter Virussequenzen nutzten die Forscher das Twist Comprehensive Viral Research Panel. Dieses Hightech-Sequenzierverfahren kann mehr als 3.000 Virenspezies nachweisen. Die Ergebnisse waren bemerkenswert: In den Plexus-choroideus-Proben der Betroffenen fanden sich insgesamt 13 verschiedene Viren, wobei das Hepatitis-C-Virus eine besonders starke Assoziation mit Schizophrenie und bipolarer Störung im Vergleich zu gesunden Kontrollen zeigte.

Zwar traten auch andere Viren bei Betroffenen häufiger auf, die statistische Auswertung belegte jedoch nur für HCV einen signifikanten Zusammenhang mit den psychiatrischen Diagnosen. Dies führte zu weiterführenden Untersuchungen der Mechanismen, durch die eine HCV-Infektion psychische Symptome beeinflussen könnte.

Weiterführende Analysen: Auswertung großer Gesundheitsdatenbanken

Im zweiten Teil der Studie wurde die Analyse auf die internationale Krankenakten-Datenbank TriNetX ausgeweitet, die Daten von über 285 Millionen Patienten umfasst. Diese groß angelegte epidemiologische Untersuchung bestätigte, dass Hepatitis-C-Infektionen signifikant häufiger bei Menschen mit Schizophrenie (3,5 %) und bipolarer Störung (3,9 %) auftraten als bei jenen mit schwerer Depression (1,8 %) oder in der Gesamtbevölkerung (0,5 %).

Die Ergebnisse unterstreichen die robuste Verbindung zwischen HCV und schweren psychiatrischen Erkrankungen und deuten darauf hin, dass weiterer Forschungsbedarf besteht, um Ursachen und Wechselwirkungen besser zu erfassen sowie die Auswirkungen auf die Patientenversorgung auszuloten.

Erkenntnisse aus dem Hippocampus

Um zu erfassen, ob Viren auch tiefere Hirnregionen durchdringen, untersuchten die Wissenschaftler ebenfalls den Hippocampus, eine Region mit zentraler Bedeutung für Gedächtnis- und Emotionsregulation. Dort fanden sich keine viralen Partikel, was auf eine effektive Schutzbarriere des Gehirns hindeutet. Dennoch zeigten Personen mit HCV im Plexus choroideus veränderte Genaktivität im Hippocampus, was darauf schließen lässt, dass Viren in den äußeren Hirnschichten die Hirnfunktion indirekt beeinflussen können.

Ausblick: Bedeutung für zukünftige Forschung und Therapien

Die Studienergebnisse bedeuten nicht, dass alle Menschen mit Schizophrenie oder bipolarer Störung auch mit Hepatitis-C oder anderen Viren infiziert sind. Dennoch weisen sie auf einen potenziell behandelbaren biologischen Faktor bei einer Untergruppe von Patienten hin. Wie Dr. Sarven Sabunciyan, leitender Neurowissenschaftler der Studie, betont:

„Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass manche psychiatrische Symptome möglicherweise durch eine unerkannte Infektion mit verursacht werden. Da Hepatitis C behandelbar ist, könnten antivirale Medikamente eine neue Hoffnung für bestimmte Betroffene mit psychischen Symptomen bieten.“

Weitere Forschungsarbeit ist dringend erforderlich, um die biologischen Mechanismen zu klären, durch die Viren vom äußeren Rand des Gehirns auf neuronale Prozesse einwirken, und um zu prüfen, ob antivirale Therapien Symptome bei Betroffenen lindern können.

Fazit

Diese wegweisende Untersuchung liefert neue Hinweise auf die Verbindung zwischen Hepatitis-C-Infektion und schweren psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie und bipolarer Störung, indem sie virales Material in der schützenden Gehirnhaut nachweist. Die Ergebnisse regen eine Neubewertung des Einflusses von Infektionen auf die Hirngesundheit an und eröffnen neue Perspektiven für Therapien, die gezielt biologische Ursachen psychiatrischer Erkrankungen angehen. Die fortgesetzte Erforschung könnte zu grundlegenden Verbesserungen in der Behandlung und dem Verständnis psychischer Störungen weltweit führen.

Quelle: nature

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