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Wissenschaftlicher Hintergrund: Altern auf zellulärer Ebene gezielt beeinflussen
Die Altersforschung untersucht kontinuierlich, wie gängige Medikamente zur Verlängerung der Lebensdauer und zur Förderung der Gesundheit im Alter beitragen könnten. Besonders interessant ist das Blutdruckmittel Rilmenidin, das traditionell zur Behandlung von Bluthochdruck (Hypertonie) eingesetzt wird. Neuere Studien zeigen, dass Rilmenidin nicht nur den Blutdruck reguliert, sondern auch den Alterungsprozess verlangsamen und die Langlebigkeit steigern könnte – zumindest in Tiermodellen.
Seit Jahren beobachten Wissenschaftler, dass Kalorienrestriktion – also die Reduzierung der Kalorienzufuhr ohne Mangelernährung – in verschiedenen Spezies das Leben verlängert und die Gesundheit fördert. Eine strenge kalorienarme Diät ist jedoch für die meisten Menschen schwierig umzusetzen und geht oft mit Nebenwirkungen wie Haarausfall, Schwindelgefühl und brüchigen Knochen einher. Daher konzentriert sich die Suche nach Alternativen auf Medikamente, die die zellulären Vorteile der Kalorienrestriktion imitieren können, ohne deren Nachteile.
Rilmenidin verlängert Lebensdauer in Tierexperimenten
In einer Studie aus dem Jahr 2023 untersuchten Forscher die Wirkung von Rilmenidin an Fadenwürmern der Art Caenorhabditis elegans (C. elegans), die in der Alternsforschung als Modellorganismen gelten, da viele ihrer Gene denen des Menschen ähneln. Jüngere und ältere Würmer, die mit Rilmenidin behandelt wurden, zeigten eine deutliche Lebensverlängerung und verbesserte Gesundheitsmarker, vergleichbar mit den Effekten der Kalorienrestriktion.
Dr. João Pedro Magalhães, Molekular-Biogerontologe an der Universität Birmingham, kommentierte die Ergebnisse: „Erstmals konnten wir nachweisen, dass Rilmenidin die Lebensspanne von Tieren verlängern kann. Wir möchten nun untersuchen, ob Rilmenidin auch in anderen klinischen Bereichen einsetzbar ist.“

Erweiterung der Forschung: Mausstudien und zelluläre Mechanismen
Aufbauend auf den Erkenntnissen aus den Wurmstudien untersuchten Forscher Rilmenidin auch bei Mäusen. Sie fanden heraus, dass das Genexpressionsmuster in Nieren und Leber denen unter Kalorienrestriktion ähnelte. Diese Veränderungen könnten die Grundlage für die gesundheitlichen Vorteile sowie die verlängerte Lebensspanne bei kalorienrestriktierten Organismen bilden.
Eine der wichtigsten Entdeckungen war die Identifizierung des „nish-1“-Rezeptors, der für die Anti-Aging-Effekte von Rilmenidin erforderlich ist. Das Ausschalten des nish-1-Rezeptors hob die lebensverlängernden Effekte auf, während das Wiedereinbringen der Funktionalität diese Vorteile wiederherstellte. Dies deutet darauf hin, dass der nish-1-Rezeptor ein vielversprechendes Ziel für die Entwicklung zukünftiger Medikamente gegen das Altern und zur Förderung eines gesunden Alterns sein könnte.
Klinische Bedeutung und Ausblick
Obwohl die ersten Ergebnisse vielversprechend sind, betonen Experten, dass weitere Forschung nötig ist, bevor Rilmenidin als echte Anti-Aging-Therapie für den Menschen in Betracht gezogen werden kann. Zu den Vorteilen von Rilmenidin zählen das etablierte Sicherheitsprofil, die orale Einnahme und die breite Verwendung bei Bluthochdruck. Bekannte Nebenwirkungen sind selten und meist mild, beispielsweise Herzklopfen, Schlaflosigkeit oder Müdigkeit.
Die Aussicht, ein weitverbreitetes Medikament zur gesunden Alterung einzusetzen, ist angesichts der zunehmenden Herausforderungen des demografischen Wandels weltweit sehr attraktiv. Dennoch heben Forscher hervor, dass kontrollierte klinische Studien am Menschen unerlässlich sind, um zu klären, ob die beobachteten Tierstudienergebnisse auch für Menschen gelten. Dr. Magalhães betont: „Angesichts einer alternden Weltbevölkerung sind selbst geringe Verzögerungen im Alterungsprozess von großem Nutzen.“

Fazit
Frühe Forschungsergebnisse zeigen, dass Rilmenidin ein vielversprechender Kandidat als Anti-Aging-Mittel ist und neue Perspektiven in der Altersforschung eröffnet. Indem es die lebensverlängernden Effekte der Kalorienrestriktion auf zellulärer Ebene nachahmt, könnte dieses gängige Blutdruckmittel künftig eine entscheidende Rolle bei der Förderung eines gesunden Alterns und der Prävention altersbedingter Krankheiten spielen. Laufende Studien werden zeigen, ob sich der Nutzen von Rilmenidin aus Tiermodellen auch auf die menschliche Gesundheit und das Altern übertragen lässt und so weltweite Strategien zur Prävention altersassoziierter Erkrankungen transformieren könnte.
Quelle: onlinelibrary.wiley
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