MikroRNA miR-423-5p als Biomarker und Schutzfaktor für die Nierenmikrovaskulatur

MikroRNA miR-423-5p als Biomarker und Schutzfaktor für die Nierenmikrovaskulatur

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Durchbruch-Zusammenfassung

Ein Team am Centre de recherche du CHUM (CRCHUM), das mit der Université de Montréal verbunden ist, hat eine MicroRNA identifiziert, die sowohl den Zustand als auch den Erhalt der winzigen Blutgefäße signalisiert, die für die Nierenfunktion entscheidend sind. Das Molekül, miR-423-5p, hat sich als potenzieller, im Blut nachweisbarer Biomarker für die mikrovaskuläre Gesundheit der Niere herauskristallisiert und schützte in präklinischen Modellen die peritubulären Kapillaren nach akutem Schaden. Bildnachweis: Shutterstock

Die Entdeckung könnte eine frühere Erkennung mikrovaskulärer Schäden bei Personen mit Risiko für chronische Nierenerkrankungen (CKD) ermöglichen und legt neue therapeutische Strategien nahe, um langfristigen Nierenverlust nach Ereignissen wie Transplantations-Ischämie-Reperfusion oder anderen Operationen, die vorübergehend den Blutfluss unterbrechen, zu begrenzen.

Wissenschaftlicher Hintergrund und Entdeckung

MicroRNAs sind kurze, nicht-kodierende RNA-Moleküle, die die Genexpression regulieren und im Blut nachweisbar sind. Das CRCHUM-Team untersuchte zirkulierende MicroRNA-Spiegel in Tiermodellen und menschlichen Proben und identifizierte miR-423-5p als reproduzierbaren Indikator für den mikrovaskulären Zustand verletzter Nieren. Die Arbeit erschien in JCI Insight und wurde von den Medizinprofessorinnen Marie-Josée Hébert und Héloïse Cardinal von der Université de Montréal geleitet, mit wesentlichen Beiträgen des Forschungsassistenten Francis Migneault.

Dr. Marie-Josée Hébert (links) und Dr. Héloïse Cardinal (rechts), CRCHUM-Forscherinnen und Inhaberinnen des Shire-Lehrstuhls für Nephrologie, Nierentransplantation und Regeneration, haben die Studie gemeinsam mit Héberts Forschungsassistent Francis Migneault (Mitte) verfasst. Bildnachweis: CHUM

Peritubuläre Kapillaren sind mikroskopische Gefäße, die die Nierentubuli umgeben und essentiell für den Abtransport von Stoffwechselabfällen sowie die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen sind. Verlust oder Verarmung dieser Kapillaren ist ein Kennzeichen der fortschreitenden CKD und korreliert mit langfristigem Funktionsverlust der Niere. Bislang fehlte Klinikerinnen und Klinikern ein verlässlicher zirkulierender Biomarker, um diese spezifische mikrovaskuläre Schädigung nicht-invasiv zu beurteilen.

Belege: Tiermodelle und menschliche Transplantationsproben

Die Forschenden beobachteten zunächst, dass die zirkulierenden miR-423-5p-Spiegel bei Mäusen nach experimentell induzierter akuter Nierenschädigung variierten. Diese präklinischen Beobachtungen wurden anschließend mit Blutproben von 51 Nierentransplantationsempfängern validiert, die über die CHUM-Transplantationsbiobank verfügbar waren. Klinische Korrelationen zeigten, dass miR-423-5p-Messungen den Zustand der Nierenmikrovaskulatur widerspiegeln und Veränderungen nach Interventionen nachverfolgen können.

Wichtig ist, dass therapeutische Experimente an Mäusen zeigten, dass die Verabreichung von miR-423-5p nach Nierenschädigung die peritubulären Kapillaren erhalten und nachfolgende Gewebeschäden verringern konnte. Während eine direkte Injektion in ein Transplantat im OP-Setting prinzipiell möglich ist, bleiben systemische Verabreichung und organzielgerichtete Lieferung technische Herausforderungen. Das Team erforscht derzeit Lieferplattformen — darunter Nanopartikelträger, lokalisierte Perfusion während der Transplantation oder MicroRNA-Koktails — um miR-423-5p effektiv zur Niere bei Patientinnen und Patienten zu transportieren.

Klinische Implikationen, breitere Anwendungen und nächste Schritte

Ein validierter Bluttest auf Basis von miR-423-5p könnte die perioperative Überwachung und das langfristige Management für Hochrisikogruppen verändern: Transplantationsempfänger, ältere Patientinnen und Patienten sowie Personen, die kardiovaskulären oder gefäßchirurgischen Eingriffen unterzogen werden, bei denen Blutflussunterbrechungen häufig sind. Die frühzeitige Erkennung einer mikrovaskulären Verschlechterung würde es Klinikern erlauben, die Immunsuppression anzupassen, die perioperative Betreuung zu optimieren oder gezielte mikrovaskuläre Schutztherapien früher einzusetzen.

Über die Nephrologie hinaus sehen die Forschenden potenzielle Relevanz für andere Erkrankungen, bei denen der Verlust kleiner Gefäße zur Pathologie beiträgt, wie Herzinsuffizienz, Lungenerkrankungen und bestimmte altersassoziierte neurodegenerative Störungen. Laufende Projekte am CRCHUM, einschließlich Arbeiten zur pulmonalen Mikrovaskulatur, prüfen, ob ähnliche MicroRNA-Signaturen organsübergreifend gelten. Die CHUM-Biobank ermöglicht zudem retrospektive Analysen, um zu untersuchen, ob nach Transplantation häufig eingesetzte Medikamente die Kapillargesundheit beeinflussen.

Experteneinschätzung

Dr. Elena Park, eine an der Studie nicht beteiligte Nephrologieforscherin, kommentiert: „Die Identifizierung eines zirkulierenden Markers, der die Gesundheit peritubulärer Kapillaren widerspiegelt, ist ein wichtiger Schritt. Sollte die Validierung von miR-423-5p in größeren Kohorten bestätigt werden, könnte dieser Marker in Transplantations- und perioperative Abläufe integriert werden. Die therapeutischen Befunde bei Mäusen sind vielversprechend, doch werden geeignete Liefermethoden für den Menschen und Sicherheitsdaten entscheidend für die klinische Umsetzung sein.“

Fazit

Die Identifizierung von miR-423-5p durch das CRCHUM-Team als sowohl Biomarker als auch schützender Faktor für Nierenmikrogefäße stellt einen weltweiten Fortschritt in der mikrovaskulären Nephrologie dar. Die Entdeckung eröffnet zwei Wege: die Entwicklung von Bluttests zur frühzeitigen Erkennung mikrovaskulärer Schäden und die Verfolgung gezielter Lieferansätze, um Kapillaren zu erhalten und das Fortschreiten zur chronischen Nierenerkrankung zu verlangsamen. Weitere Validierungen in größeren Patientenkohorten und die Konzeption sicherer, organgerichteter Liefer­systeme werden entscheiden, wie schnell diese wissenschaftliche Erkenntnis zu einem klinischen Werkzeug wird.

Quelle: scitechdaily

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